Hermine verbrachte einen sehr merkwürdigen, aber trotzdem irgendwie schönen Vormittag in Malfoys Haus.
Nachdem er zu seinen Terminen verschwunden war, hatte Hermine tatsächlich Irmel gerufen und sie gebeten, ihr Feder und Pergament zu besorgen und ihr die Eulen zu zeigen, damit sie Briefe schreiben konnte.
Irmel führte sie ein Stück durch Malfoys riesigen Garten zu einem Nebengebäude.
Schon von Weitem hörte Hermine gelegentlich das leise Schuhuh von Eulen.
Malfoys private Eulerei war überraschend groß und verhältnismäßig sauber.
Hermine sah mindestens zehn Eulen unterschiedlicher Rassen und Größen, aber für die Anzahl der Tiere war relativ wenig Eulendreck zu sehen. Auch gefiel es Hermine, dass die Tiere nicht in einzelne Käfige oder Volieren gesperrt waren, wie es bei etlichen Hexen und Zauberern üblich war.
Sie konnte einfach nicht aus ihrer Haut, sie hatte eben ein großes Herz für Tiere und es tat ihr immer weh, wenn sie sehen musste, dass einige ihre Eulen tatsächlich nur als Mittel zum Zweck hielten und den Tieren nicht den nötigen Platz und die passende Zuwendung zukommen ließen.
Die klugen Tiere dösten gerade alle, anscheinend auf festen Schlafplätzen, denn Hermine konnte freudig überrascht sehen, dass an jedem Platz ein kleines, edles Schild angebracht war, auf dem der Namen der jeweiligen Eule eingraviert war.
Sie ging bewundernd von Tier zu Tier. Alle hatten glänzendes Gefieder und klare, aufmerksame Augen.
Hermine wagte sogar, das eine oder andere Tier vorsichtig zu streicheln und alle Eulen wirkten freundlich und zahm und nicht so, als hätten sie bereits schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht.
Irmel wartete mit einer Engelsgeduld, bis Hermine sich für zwei Tiere entschieden hatte. Sie übergab den Eulen die Briefe und Irmel holte aus der Tasche ihres Kleidchens Eulenkekse, die Hermine den Tieren zur Belohnung gab, ehe sie sie zu Harry und Ron schickte.
Hermine hatte ihren beiden Freunden in den Briefen mitgeteilt, dass Benjamin und sie sich getrennt hatten und sie vorerst gut untergekommen war, sich aber zeitnah melden oder vielleicht sogar einfach vorbeikommen würde.
Danach begleitete sie eine fröhlich hüpfende Irmel zurück zum Haus.Hermine hatte Tee und Gebäck von Irmel bekommen und hatte sich danach, nachdem Irmel ihr mehrfach versichert hatte, dass es ihren Master nicht stören würde, von der Elfe in die Bibliothek führen lassen, wo Irmel sie alleine ließ.
Eine ganze Weile ging sie stöbernd durch die Reihen aus Buchregalen und war vollkommen in ihrer Welt versunken, als sie plötzlich ein leises Seufzen hörte.
Leise schlich sie in Richtung des Geräuschs und lugte vorsichtig um die Ecke.
Auf einer Fensterbank hockte Toto, der Hauself. Er hatte einen Staubwedel in der Hand, den er aber kraftlos hatte sinken lassen, und er starrte gedankenversunken aus dem Fenster.
Hermines Herz zog sich zusammen.
Sie hasste es nach wie vor, wenn Hauselfen versklavt und ausgebeutet wurden, hatte aber über die Jahre gelernt, dass es durchaus Hexen und Zauberer gab, bei denen die Elfen wie Familienmitglieder wohnten und die kleinen Gesellen rundum glücklich und zufrieden waren. Bisher hatte sie den Eindruck gewonnen, dass es den Elfen bei Malfoy überraschend gut ging, was sie tatsächlich nicht erwartet hatte, erinnerte sie sich noch zu gut daran, wie Lucius Malfoy Dobby behandelt hatte.
Aber Toto seufzte so sehnsüchtig und herzerweichend, während er aus dem Fenster starrte, dass es Hermine fast das Herz zerriss.
Natürlich gingen ihr gleich tausend Dinge durch den Kopf: Hatte Malfoy ihn bestraft? Durfte Toto das Haus nicht verlassen und guckte deshalb so aus dem Fenster? Oder gab es einen anderen Grund für sein Verhalten?
Leise trat Hermine näher und der kleine Elf schien so in Gedanken versunken zu sein, dass er sie nicht bemerkte.
Hermine stand nun direkt hinter ihm und wollte ihn gerade ansprechen, als er erneut traurig seufzte.
Was war bloß los?
Vorsichtig lugte sie über seine Schulter – und sah, dass im Garten ein paar andere Hauselfen damit beschäftigt waren, sich um die Pflanzen zu kümmern.
Ihr Verdacht, dass Toto nicht hinausdurfte, bestätigte sich beinahe, als ihr etwas anderes auffiel: Toto starrte nicht die anderen Elfen allgemein an, sondern...
„Toto?“
Der Elf machte einen kleinen Hüpfer auf der Fensterbank.
„Miss Granger! Sie haben Toto erschreckt. Kann Toto Ihnen helfen?“
„Nein, alles gut.“ Hermine zögerte. Sie musste die Sache vorsichtig angehen. „Irmel ist gar nicht da draußen. Wer sind die anderen Hauselfen?“
„Oh, das ist der alte Vinnie“, erklärte Toto und deutete auf einen Elf. „Und das da sind die Zwillinge Twinky Mini und Tiny Peanut.“
Hermine schmunzelte. Sie hatte noch nie so kleine Hauselfen gesehen und sie vermutete, dass es noch halbe Kinder sein mussten.
„Naja...“ Erneut seufzte Toto. „Und Sasa kennt die Miss ja schon...“
„Hm... ja.“ Hermine setzte sich vorsichtig neben Toto, der gedankenversunken zu Sasa hinausschaute, auf die Fensterbank. „Sie ist wirklich ein hübsches Elfenmädchen, nicht?“
Toto ließ einen besonders langen Seufzer hören.
„Ja, das ist sie. Und sie ist klug und witzig und...“ Er brach ab und seufzte erneut.
Hermine musste sich ein Schmunzeln verkneifen.
„Hm, also, Toto, ich kann mir vorstellen, dass man Sasa ziemlich schnell sehr gerne haben kann.“
Toto sah sie aus großen Augen an.
„Oh ja, Miss. Sasa ist wundervoll. Toto mag sie sehr gerne.“
Hermine nickte und schaute so ernst wie möglich.
Der Hauself schien dadurch ermuntert, weiterzusprechen.
„Aber Toto redet nicht häufig mit Sasa. Toto war so froh, dass Sasa ihn gefragt hat, ob er sie zu der Miss begleitet heute Morgen. So konnten wir etwas Zeit miteinander verbringen.“
Kurz zögerte der Elf.
„Kann Toto der Miss ein Geheimnis anvertrauen?“
„Aber natürlich!“
Toto rutschte auf der Fensterbank etwas näher an Hermine heran und senkte seine Stimme zu einem Flüstern.
„Toto ist schon lange heimlich verliebt in Sasa.“
Hermine biss sich auf die Unterlippe, um ein Lachen zu unterdrücken.
„Tatsächlich? Da wäre ich jetzt gar nicht drauf gekommen.“
„Nein, Toto gibt sich auch ganz große Mühe, damit keiner es merkt.“
Hermine lächelte.
„Aber warum? Warum sagst du es ihr nicht einfach?“
Totos Augen wurden riesig.
„Und wenn Sasa nicht in Toto verliebt ist?“
„Nun... dann... dann weißt du es. Ich meine, das wäre sehr traurig für dich, aber stell dir vor, sie mag dich auch. So wirst du das niemals erfahren. Meinst du nicht, das wäre das Risiko wert?“
Toto schaute wieder aus dem Fenster, er wirkte nachdenklich.
„Waren Sie schon einmal verliebt, Miss Granger?“
Hermine stockte.
„Ich... ähm, nun... ja.“
„Es fühlt sich so schön und so schrecklich zugleich an, oder, Miss? Irgendwie tut einem alles weh, und man möchte die ganze Zeit weinen... Aber dann ist man glücklich, wenn sie glücklich ist. Wenn sie lacht, wird Totos Herz ganz leicht.“
„Ach Toto...“
Plötzlich war Hermine gar nicht mehr zum Lachen zumute und ihr wurde das Herz ganz warm vor Zuneigung zu diesem kleinen Kerlchen.
„Toto kann fast nur noch an Sasa denken. Irgendwie ist für nichts anderes mehr Platz in seinem Kopf. Wäre Sasa damals nicht mitgekommen, hätte Toto Master Draco gebeten, ihn auch im Manor zu lassen. Toto weiß nicht, wie Vinnie das aushält.“
„Was?“, fragte Hermine überrascht. „Ihr habt im Manor gelebt?“
„Nicht alle“, erklärte der Hauself. „Toto und Sasa und Vinnie und Irmel natürlich. Irmel hat am längsten dort gelebt. Tiny Peanut und Twinky Mini kamen von woanders her.“
„Und warum seid ihr jetzt hier?“
„Toto hat das damals nicht alles mitbekommen. Es ging sehr schnell. Master Draco hat mit unserem alten Master gehandelt. Wenn Sie mehr wissen wollen, Miss Granger, fragen Sie Irmel. Irmel hat meist mehr mitbekommen, Master Draco hat mehr mit ihr gesprochen als mit anderen Elfen, aber sie kennt den Master auch seit seiner Geburt.“
„Und was meintest du mit Vinnie? Was ist mit ihm?“
Toto wollte gerade antworten, als er plötzlich den Kopf leicht schräg legte, als würde er lauschen.
Unerwartet nahm er Hermines Hand.
„Toto wurde gerufen, der Master ist zurück. Danke, Miss Granger, dass Sie zugehört haben. Toto würde sich freuen, wenn wir später weitersprechen könnten.“
Und ehe Hermine noch etwas sagen konnte, war der Elf verschwunden.
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Happiness does not wait (Dramione Story)
FanfictionKurzbeschreibung:Obwohl Hermine sich völlig auf ihren Abschluss konzentriert, den sie nach dem Krieg nachholt, entgeht ihr nicht, dass merkwürdige Dinge rund um einen gewissen Slytherin passieren. Ziemlich schnell ist sie sich sicher, dass er Hilfe...