Ankunft

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Neville hatte sich sehr über die Krötenpralinen gefreut und verstand zu Hermines Freude sofort die damit verbundene Anspielung auf ihre erste Zugfahrt.
Sie halfen sich gegenseitig mit dem Gepäck, als sie schließlich angekommen waren, und stiegen auch zusammen in eine Kutsche, die sie sich mit ein paar anderen Schülern teilten, deren Umhangfarbe sie als Ravenclaws auswies.
Das Schloss betrat Hermine schließlich mit gemischten Gefühlen.
Sie war in der Zeit nach dem Krieg häufiger mit Harry und Ron hier gewesen und hatte beim Aufbau geholfen. Minerva, die ihr in diesem Zuge auch das Du angeboten hatte, hatte sie immer wieder nach möglichen Änderungen in der Struktur gefragt. Es war für die Schulleiterin sehr interessant, Hogwarts mal aus Schülersicht beschrieben zu bekommen, auch mit Hinweisen, was Schüler sich vielleicht anders wünschen könnten, und Hermine wusste, dass sie auch auf etliche Ideen und Wünsche eingegangen war.
Das komplett fertig restaurierte Hogwarts nun endlich zu sehen, tat Hermine einerseits unfassbar gut und sie war unglaublich dankbar dafür, dass sie in einer Welt der Magie lebte, denn ohne wäre das Schloss niemals so schnell wieder aufgebaut worden. Andererseits fragte sie sich, ob so nicht zu schnell der Schrecken des Krieges in Vergessenheit geraten konnte.
Sie versuchte, nicht zu viel über solche Dinge nachzudenken und steuerte zusammen mit Neville den Gryffindor-Tisch an, an dem Ginny heftig mit dem Arm fuchtelte, um Hermines Aufmerksamkeit zu bekommen. Da die Rothaarige nur einen Platz für Hermine frei gehalten hatte, mussten sie sich etwas zusammenquetschen, damit auch Neville bei ihnen sitzen konnte.
Hermine ließ ihren Blick schweifen.
Es war unglaublich, wieder hier zu sein.
Dieser Ort hatte einfach etwas so unfassbar Magisches, was sich nicht nur auf die tatsächliche Magie beschränkte, die hier ausgeführt wurde, sondern auch ein tiefgreifendes Gefühl des Verzaubertseins hervorrief.
Das laute Gemurmel um sie herum erstarb, und Hermine sah Minerva am Rednerpult stehen.
Sie begrüßte die Schülerschaft mit ein paar kurzen, aber herzlichen Worten, hieß die Wiederholer insbesondere willkommen und bat dann darum, dass die Erstklässler hereingeführt wurden.
Hermine verfolgte die Zeremonie der Einteilung aufmerksam. Wie aufgeregt sie damals gewesen war! Und den jetzigen Erstklässlern schien es nicht anders zu gehen. Manche wirkten regelrecht verschreckt.
Nach der Einteilung hielt Minerva eine etwas längere Rede, in der sie auch Worte über den vergangenen Krieg und die dadurch entstandenen Opfer verlor, um schließlich damit zu enden, dass sie nun gemeinsam in eine Zukunft voll Veränderung, Akzeptanz und Vorurteilslosigkeit starten sollten.
„Und ehe wir nun endlich unser wohlverdientes Mahl einnehmen“, schloss Minerva. „möchte ich noch kurz darauf hinweisen, dass die Wiederholer nach dem Essen bitte hier in der Halle bleiben. Es gibt einige Dinge, die ich mit Ihnen besprechen möchte.“
Damit hatte Hermine nicht gerechnet, und sie tauschte erst mit Ginny, dann mit Neville einen raschen Blick.
Kaum, dass das Essen auf den Tischen erschien, geschah das, was Hermine noch allzu gut aus der Vergangenheit kannte: Alle stürzten sich auf die Mahlzeit, als hinge ihr Leben davon ab.
Kurz beobachtete Hermine amüsiert die anderen, ehe sie selbst langsam einige Lebensmittel auf ihren Teller lud und ebenfalls begann, zu essen.
Und kurz, ganz kurz, war da wieder der schmerzhafte Stich – es war kein Ron da, den sie dafür tadeln konnte, dass er zu schnell aß und nicht anständig kaute. Und kein Ron, der einen Witz machte... Merlin, sie vermisste ihn. Ob sie diesen Herzschmerz jemals wieder hinter sich lassen können würde?
Nach dem Essen verabschiedete sich Ginny von ihr und Hermine stellte fest, dass sie tatsächlich alleine mit Neville am Tisch zurück blieb.
Es war ihr auch schon vorher klar geworden, dass sie und Neville anscheinend die einzigen Wiederholer aus Gryffindor waren, es aber jetzt noch einmal so deutlich zu sehen, war schon etwas befremdlich.
„Ja... gut“, begann Minerva, als alle anderen Schüler gegangen waren. „Kommen Sie doch bitte hier an den Gryffindor-Tisch.“
Auch an den anderen Häusertischen saßen nur noch verschwindend wenig Schüler.
Die Ravenclaws und Hufflepuffs erhoben sich augenblicklich, während am Slytherin-Tisch deutlich ein kurzes Zögern zu bemerken war.
Und erst jetzt bemerkte Hermine, dass neben Theodore Nott, dem sie bereits im Zug begegnet war, nur zwei weitere Schüler aus Slytherin das Schuljahr wiederholten.
Sie spürte augenblicklich, wie sie sich anspannte.
Neben Nott waren es tatsächlich Draco Malfoy und Blaise Zabini, die sich anscheinend auch dazu entschlossen hatten, ihr siebtes Schuljahr zu wiederholen.
Sie hätte nicht gedacht, dass Malfoys Anblick so viele negative Erinnerungen in ihr wachrufen würde.
Plötzlich spürte sie Nevilles Hand in einer beruhigenden Geste auf ihrer. Kurz drückte er ihre Hand unter dem Tisch, und erst da wurde ihr bewusst, wie angespannt sie war.
Sie warf Neville einen raschen, dankbaren Blick zu und bemühte sich, sich wieder zu beruhigen, woraufhin er seine Hand zurück zog.
„Oh, bitte, meine Herren, setzen Sie sich direkt zu den anderen, ja?“, hörte Hermine Minervas Stimme und erst da nahm sie wahr, dass die drei Slytherins sich mit etwas Abstand an die lange Tafel gesetzt hatten.
Das kurze Zögern der Angesprochenen war nicht zu übersehen, aber dann kamen sie gehorsam näher und setzten sich direkt zu den anderen.
Malfoy setzte sich neben Susan Bones, die sich sichtlich anspannte und ein wenig näher an Hannah Abbott heranrückte. Neben Malfoy nahm Zabini Platz, und als Letzter rutschte Nott auf die Bank.
„Prima, dann können wir ja beginnen“, stellte Minerva fest.
Hermine starrte immer noch die Slytherins an.
Nott hatte die Arme vor der Brust verschränkt und starrte ins Leere, Zabini stützte die Unterarme lässig auf dem Tisch ab und sah Minerva an, Malfoys Hände verschwanden unter dem Tisch und sein Blick war auf die Tischplatte vor sich gesenkt.
„Das Lehrpersonal und ich haben viel nachgedacht“, fuhr Minerva fort, und Hermine löste ihren Blick von den Dreien und sah ihre Hauslehrerin an. „Bisher gab es noch nie die Situation, dass wir so viele Wiederholer in Hogwarts haben, sechzehn, um genau zu sein. Wie Sie wissen, kommt es sowieso äußerst selten vor, dass Schüler eine Klasse wiederholen müssen, und das hier ist, wie Sie alle wissen, eine absolute Ausnahmesituation. Daher haben wir beschlossen, dass ungewöhnliche Situationen auch ungewöhnliche Lösungen erfordern. Sie werden nicht bei ihren Klassenkameraden wohnen. Wir haben einen eigens für Sie vorgesehenen Bereich erstellt, der nach Ihrem Abschluss eventuell zu einer Lehrerwohnung umfunktioniert werden soll. Den Unterricht werden Sie wie gewohnt mit ihren Häuserkameraden besuchen.“
„Sie meinen, wir wohnen zusammen in einem gemeinsamen Bereich? Also alle, die hier am Tisch sitzen?“, fragte Justin Finch-Fletchley.
„Korrekt“, bestätigte Minerva.
Kurzes Gemurmel entstand.
„Häuserübergreifend?“, vergewisserte sich Justin.
„So ist es, Mr Finch-Fletchley“, sagte Minerva. „Wir haben uns viele Gedanken gemacht. Was ich vorhin sagte... Diese ganzen Dinge über Vorurteilslosigkeit und Akzeptanz, das waren keine leeren Worte. Und wir erwarten von Ihnen, dass Sie als Älteste hier in Hogwarts mit gutem Vorbild voraus gehen.“
Wieder entstand kurzes Gemurmel.
„Da die Wiederholer von Ämtern wie Schulsprecher und Vertrauensschüler ausgenommen sind“, verschaffte die Schulleiterin sich wieder Gehör. „würde ich es begrüßen, wenn Sie sich auf einen Ansprechpartner aus Ihrem Kreis einigen würden, der Sie vertritt, falls Fragen oder Unstimmigkeiten aufkommen und der auch zu Rate gezogen werden kann, falls es Komplikationen untereinander geben sollte. Ja, Mr Longbottom?“
Nevilles Hand war in die Höhe geschossen.

What if... (Dramione) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt