Wieder in Hogsmeade

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Hermine war schon etwas spät dran und sie wusste, dass Ron vermutlich schon im Gemeinschaftsraum auf sie wartete, daher hastete sie die Treppe hinab – und stieß prompt mit jemandem zusammen.
Sie verlor das Gleichgewicht, wurde aber von der Person, mit der sie zusammen gestoßen war, blitzschnell festgehalten.
Sie lächelte, als sie sah, dass es Draco war und wollte sich gerade für ihre Unachtsamkeit entschuldigen und sich gleichzeitig dafür bedanken, dass er so geistesgegenwärtig reagiert hatte, aber er kam ihr zuvor.
„Kannst du nicht aufpassen, Granger?“, schnarrte er.
Sie starrte ihn perplex an.
Das ganze Schuljahr über hatte er nicht so unfreundlich mit ihr geredet.
„Entschuldige“, sagte sie und versuchte, so ruhig wie möglich zu bleiben. Vielleicht hatte er nur einen Schreck bekommen und war deshalb so unfreundlich. „Aber anscheinend hattest du es auch ziemlich eilig?“
Er musterte sie aufmerksam.
Für einen Tag im März war heute überraschend schönes Wetter, und sie trug ein schlichtes, knielanges und kurzärmeliges Kleid und bequeme Schuhe, ihre Haare hatte sie zu einem hohen Zopf gebunden.
Sie schauderte, als sie bemerkte, wie eiskalt sein Blick war.
„Ja, ich konnte mir nicht mehr mit anhören, wie Weasley von den anderen beweihräuchert wird“, informierte er sie unfreundlich.
Hermine warf einen raschen Blick in den Gemeinschaftsraum.
Ron stand umringt von einigen Wiederholern da und unterhielt sich lächelnd mit ihnen.
Allerdings fiel sein Blick in diesem Moment auf Hermine, und sein Gesichtsausdruck wurde ernst.
Und erst da fiel ihr auf, dass Draco immer noch ihre Arme fixierte.
Auch er selbst schien dies jetzt erst zu bemerken, und auch er musste Rons Blick gesehen haben.
Er ließ sie so hastig los, dass sie kurz wieder das Gleichgewicht verlor.
„Hermine, ist alles ok?“, fragte Ron besorgt, als er an sie heran getreten war. Er warf Draco einen raschen Blick zu. „Hat er dir weh getan?“
Den letzten Satz hatte er um einiges leiser gesagt, aber Draco musste ihn trotzdem gehört haben, denn gerade, als Hermine den Mund öffnete, um zu antworten, schnarrte er: „Ich krümme ihr ganz gewiss kein Haar, Weasley, da sei mal unbesorgt. Ich denke auch eher, du bist derjenige, der weiß, wie man Frauen verletzt, oder?“
Rons Stirn legte sich in Falten, der Blick wurde ärgerlich.
„Was zur Hölle redest du da, Malfoy?“
Hermine verstand sehr wohl, worauf Draco anspielte: Er wusste, wie weh es Hermine getan hatte, wie schrecklich sie sich gefühlt hatte, weil Ron mit ihr geschlafen und sich kurz danach getrennt hatte. Er hatte es in ihren Gedanken wahrgenommen.
„Ron, lass uns gehen“, sagte sie rasch und griff schnell nach seiner Hand, um ihn wegzuziehen.
„Ich dachte eigentlich, du wärst zu klug, um zweimal den gleichen Fehler zu machen, Granger“, hörte sie hinter sich Dracos Stimme. „Aber ich habe mich wohl getäuscht.“
Ron versuchte, sich umzudrehen, aber sie zog ihn konsequent an der Hand weiter.
„Was meint er mit seinen bescheuerten Andeutungen?“, fragte Ron.
„Nichts. Du kennst doch Malfoy“, sagte sie rasch und war sich nicht sicher, ob Draco sie noch gehört hatte.







„Danke“, sagte sie lächelnd, als Ron die Getränke auf ihren Tisch stellte.
„Gern. Das Essen müsste gleich kommen. Ich hoffe, du hast Hunger?“
„Auf jeden Fall“, sagte Hermine rasch.
Eigentlich war sie so nervös, nach so langer Zeit mal wieder mit Ron alleine zu sein, dass es ihr ein wenig den Appetit verdorben hatte.
Einen Moment lang saßen sie in fast unangenehmen Schweigen beeinander und nippten an ihren Getränken.
Sie beobachtete Ron so unauffällig wie möglich.
Er sah genauso aus, wie sie ihn in Erinnerung hatte: Groß, schlaksig, strubbeliges Haar.
Seine blauen Augen schienen immer noch zu strahlen.
In ihrem Kopf war so ein Chaos, dass sie nicht sagen konnte, was seine Anwesenheit in ihr auslöste.
„Und ansonsten ist alles gut in der Schule?“, fragte Ron etwas später, als sie aßen.
„Ja, alles bestens.“
Hermine erzählte ein wenig von den Unterrichtseinheiten, merkte aber, dass das Thema Ron eher weniger interessierte – natürlich, Schule hatte ihn nie sonderlich interessiert, dachte sie amüsiert – und sie überlegte gerade, zu welchem Thema sie wechseln konnte, als er das Wort ergriff.
„Sicher hast du jetzt mehr Zeit, du musst schließlich keine Einleitungen mehr für mich schreiben.“
Sie konnte nicht anders, sie musste lachen bei der Erinnerung an die vielen Male, die Ron sie gebeten hatte, ihm bei Aufsätzen zu helfen.
Auch er grinste sein typisches, sympathisches und etwas schiefes Grinsen, ehe er wieder ernst wurde.
„Hermine, was ist da eigentlich los mit Malfoy?“
Sie schaffte es gerade noch so, zu verhindern, dass ihre Gesichtszüge entgleisten.
„Was meinst du?“, fragte sie so beiläufig wie möglich und schob sich schnell eine vollgeladene Gabel in den Mund.
„Ich meine, ihr wohnt da alle zusammen, ich kann es immer noch nicht so ganz glauben“, sagte Ron. „Und er wirkt immer noch wie das gleiche, versnobte blöde Arschloch, das er immer gewesen ist. Lässt er dich soweit in Ruhe?“
Hermine nahm sich Zeit, den Bissen zu kauen und zu schlucken.
„Also, er ist nicht unfreundlich, keine Sorge.“
„Wirkte vorhin aber anders“, stellte Ron stirnrunzelnd fest. „Bist du denn gezwungen, viel Kontakt mit ihm zu haben?“
„Also zwingen tut mich sowieso niemand“, lachte Hermine.
„Ok, habt ihr denn viel Kontakt? Ich stelle es mir schwierig vor.“
„Ach, ein wenig Kontakt haben wir schon“, sagte sie ausweichend.
Wir treffen uns nur regelmäßig, lernen zusammen, und wir hatten ein Date, dachte Hermine sarkastisch. Ach und übrigens, Ron, ich habe mit ihm geschlafen. Ich weiß nicht, ob du das als viel Kontakt einstufen würdest.
Beinahe hätte sie über ihre Gedanken hysterisch gelacht.
„Beleidigt er dich noch?“
„Nein. Nein, Ronald, wirklich nicht“, bekräftigte sie, als sie seinen skeptischen Blick sah. „Ich denke, er hat sein rassistisches Gedankengut abgelegt.“
„Meinst du?“, fragte Ron. Er senkte seine Stimme. „Ich meine, was ich gestern Abend gesagt habe, stimmt. Seine Familie steht unter Beobachtung, Hermine. Ich denke nicht, dass Lucius Malfoy sich geändert hat.“
„Wir sprechen hier aber von Draco Malfoy und nicht von Lucius Malfoy“, sagte Hermine, die das Bedürfnis hatte, Draco zu verteidigen.
„Hm, ja, das stimmt natürlich. Aber wir sind da gerade an einer Sache dran, Hermine, also die Aurorenabteilung... Diese Gruppierungen, von denen ich erzählt habe... Der Verdacht steht im Raum, dass Goyle Junior da sehr an der Sache beteiligt ist, und er ist nunmal ein Freund von Malfoy.“
„Ich habe ihn nicht einmal über Gregory Goyle reden hören“, sagte Hermine ruhig. „Genau genommen ist er mit Blaise Zabini und Theodore Nott befreundet.“
„Als wenn das besser ist“, sagte Ron.
Hermine schwieg.
Was sollte sie auch sagen? Ron hatte nicht mehrere Monate mit den dreien zusammen gewohnt, er konnte nicht wissen, dass sie sich verändert hatten.
Zumindest glaubte Hermine, dass sie sich verändert hatten.
Seit gestern kam ihr Draco wieder so sehr wie der alte vor, und seit ein paar Wochen war er wieder so distanziert... Sie verscheuchte den Gedanken.
„Tut mir leid, ich wollte dich nicht mit dem Thema nerven“, sagte Ron.
„Schon ok. Aber lass uns bitte über etwas anderes reden.“
„Ja, ich wollte mich eigentlich sowieso aus einem anderen Grund mit dir treffen.“
Hermine spürte, wie sie sich anspannte.
Sie sah, es fiel Ron schwer, anzusprechen, worum es ging.
„Hermine, ich bin froh, dass du dich mit mir getroffen hast. Ich weiß, dass du mir aus dem Weg gegangen bist. Aber ich möchte, dass du weißt... Es tut mir leid. Es tut mir leid, was passiert ist. Und ich kann es kaum ertragen, dass Funkstille zwischen uns herrscht, nach all den Jahren. Alle vermissen dich, Hermine. Meine Familie liebt dich. Und es ist schlimm für mich, zu wissen, dass du keinen Kontakt zu ihnen hast, nur wegen mir.“
Sie starrte Ron fassungslos an und er begann, sich unwohl unter ihrem Blick zu winden.
„Ich... ich verstehe wirklich, dass du Zeit brauchst. Ich gebe dir alle Zeit der Welt. Aber ich wollte dich einfach fragen... Hermine, kannst du dir vorstellen, unserer Freundschaft irgendwann wieder eine Chance zu geben?“
Es war wie ein schwerer Stein, der ihr vom Herzen fiel.
Und abrupt wurde ihr bewusst:
Sie hatte die ganze Zeit angenommen, sie würde sich von dem Treffen erhoffen, dass Ron wieder Interesse an ihr zeigte.
Und in diesem Moment, als sie die plötzliche Leichtigkeit um ihr Herz spürte, wurde ihr klar, dass sie es nicht erhofft, sondern eher befürchtet hatte.
„Oh, Ron“, murmelte sie, und ihre Hand schoss über den Tisch und legte sich auf seine. „Ron, die Freundschaft zu Harry und dir geht mir einfach über alles. Ich hoffe, das weißt du.“
Auf Rons freundlichem Gesicht breitete sich unfassbare Erleichterung aus.
„Heißt das, du bist nicht mehr sauer auf mich?“
„Ronald“, sagte sie gespielt streng. „Du weißt doch: Ich bin immer-“
„-sauer auf mich, schon klar“, lachte Ron, und es war ein so ehrliches, erleichtertes Lachen, dass ihr warm ums Herz wurde. „Also Freunde?“
„Freunde“, lächelte Hermine. „Für immer Freunde.“






What if... (Dramione) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt