Ängste besiegen

247 10 0
                                    

Malfoy ging ihr in den nächsten Tagen aus dem Weg.
Da sie spürte, dass es ein Fehler wäre, ihn zu bedrängen, ließ sie ihn in Ruhe. Gleichzeitig sagte sie sich, dass sie sich sowieso emotional ein wenig mehr von ihm distanzieren sollte. Ja, sie hatte ihn nun irgendwie von einer anderen Seite kennen gelernt, aber andererseits war es nach wie vor Draco Malfoy, mit dem sie zu tun hatte, und auch, wenn sie verstanden hatte, dass er seine Todesser-Vergangenheit um jeden Preis ablegen wollte, es sogar seine größte Angst war, zu einem überzeugten Todesser zu werden, hieß das nicht, dass er nicht immer noch arrogant war und sie jahrelang schikaniert hatte. Wenn er auf sie zukommen würde und auf den Irrwicht ansprechen würde, würde sie ihm die Hilfe nicht verweigern. Aber sie würde es nicht noch einmal von sich aus ansprechen.
Trotzdem beschäftigte sie die ganze Thematik. Sie konnte einfach nicht anders, ihr Hirn arbeitete ununterbrochen, sie machte sich andauernd über alles mögliche Gedanken, und in diesem Fall auch über Draco Malfoy. Sie stellte fest, dass er mit seinem Irrwicht tatsächlich keine leichte Aufgabe vor sich hatte. Schon alleine der Gedanke, vor sich selbst die meiste Angst zu haben, war ziemlich erschreckend und beunruhigend – aber dann auch noch der Gedanke, dieses Bild irgendwie ins Lächerliche zu ziehen... Auch ihr kam die Aufgabe nahezu unlösbar vor. Er würde viel Kraft und Disziplin benötigen und irgendwie bezweifelte sie, dass er beides zu Genüge hatte.
Dass Weihnachten vor der Tür stand, lenkte sie ein wenig ab. Sie merkte zwar, dass durch den Krieg und die schlimmen Dingen, die sie erlebt hatte, das Fest für sie irgendwie ein wenig den Zauber verloren hatte. Aber ein wundervoll geschmücktes Hogwarts zu sehen, erwärmte trotzdem ihr Herz.
Ihre Mitschüler tauschten sich eifrig darüber aus, wer über Weihnachten in Hogwarts bleiben und wer seine Familien besuchen würde. Besonders überraschte Neville sie. Hermine ging fest davon aus, dass er zu seiner Großmutter fahren würde, und er teilte ihr unfassbarerweise mit, dass er nach dem Krieg ausgezogen war. Er hatte eine kleine eigene Wohnung angemietet. Er erzählte, dass seine Großmutter absolut dagegen gewesen war, dass er auszog, und er einige Schwierigkeiten damit hatte, die Wohnung irgendwie zu finanzieren und daher vor Schuljahresbeginn in einem Laden für magische Floristik gejobbt hatte. Als seine Großmutter schließlich begriffen hatte, wie ernst es ihm mit dem Auszug war, hatte sie schließlich angeboten, ihn finanziell bei der Miete zu unterstützen. Neville würde also über die Ferien in seiner eigenen Wohnung verbringen, was Hermine unglaublich faszinierend fand. Neville hatte sich so sehr verändert. Er wirkte selbstständig und so, als habe er ganz klare Ziele vor Augen. Er sagte, er hätte es einfach nicht mehr unter der Fuchtel seiner Großmutter ausgehalten, und Hermine konnte dies nur allzu gut verstehen. Und er überraschte sie noch ein zweites Mal, als er erzählte, dass er in den Ferien in den Drei Besen arbeiten würde, um so seine Miete noch mehr abzusichern. Hannah Abbott hatte ihm den Job besorgt. Hermine erfuhr von Neville, dass die Hufflepuff wohl schon häufiger dort und auch einmal im Tropfenden Kessel gejobbt hatte.
Für Hermine stand ziemlich schnell fest, dass sie in Hogwarts bleiben würde. Ihre Eltern lebten immer noch in Australien, ohne Erinnerungen an sie, und sie hatte niemanden, den sie besuchen wollte. Natürlich hatte Ginny mehrfach gefragt, ob sie nicht mit in den Fuchsbau kommen wollte und auch Molly hatte ihr eine Einladung geschrieben, aber Hermine hatte schweren Herzens abgelehnt. Sie war innerlich zerissen, wollte sie einerseits Ron unfassbar gerne sehen und wusste andererseits, dass sie sich derzeit nicht in der Lage fühlte, ihn zu sehen. Sie fragte sich, ob es jemals nicht mehr wehtun würde, an ihn zu denken.
Gerade saß sie in der Bibliothek. Sie hatte ihre Nachhilfe beendet – die letzte für dieses Jahr, da sie vor den Ferien nicht mehr mit den Kindern üben würde und sie sie dann erst nach den Ferien wiedersehen würde – und lernte mit Nott.
Und ihr entging nicht, dass der Slytherin ihr immer wieder merkwürdige Seitenblicke zuwarf.
„Ist irgendwas nicht ok, Nott?“, fragte sie schließlich.
„Theodore“, sagte er.
„Was?“
„Wir lernen jetzt schon eine Weile zusammen, wären Vornamen dann nicht irgendwann mal angebracht?“, fragte er schmunzelnd.
„Oh... ok. Ja, warum nicht?“ Hermine war überrascht, dass es sich irgendwie richtig und gut anfühlte, den Slytherin mit Vornamen anzusprechen. Ja, sie mochte ihn tatsächlich, stellte sie fest. „Also, Theodore, ist irgendwas nicht ok?“
Er sah sie nachdenklich an.
„Hm, nein, es ist nur... Ich frage mich die ganze Zeit, was zwischen dir und Draco vorgefallen ist. Er hat kein Sterbenswörtchen darüber verloren. Selbst Blaise hat er es nicht erzählt, und das will schon was heißen.“
„Nun, wenn er es nicht erzählt, sollte ich es nicht sagen, oder was meinst du? Ich meine, es ist seine Sache und er entscheidet, wem er was erzählt.“
Zu ihrer Überraschung lächelte ihr Gegenüber.
„Verdammt anständig von dir.“
Sie sah ihn einen Moment intensiv an. Nein, er wollte sie nicht aufziehen, er meinte es tatsächlich ernst.
Gerade, als sie etwas erwidern wollte, sah sie Malfoy und Zabini auf ihren Tisch zukommen.
Immer wieder fiel ihr auf, dass die beiden kaum alleine zu sehen waren, sie schienen regelrecht aneinander zu kleben.
Sie erwartete, dass die beiden ihren Freund ansprechen würden, außerdem rechnete sie fest damit, dass Malfoy sie wieder gekonnt ignorieren würde, und umso überraschter war sie, als dieser sie direkt ansprach.
„Granger, kann ich kurz mit dir sprechen?“
„Wir sind sowieso gerade fertig“, sagte Nott – Theodore, korrigierte sie sich in Gedanken – und klaubte rasch seine Sachen zusammen, ehe er auftstand. „Blaise, gehen wir in den Gemeinschaftsraum?“
Die beiden verschwanden überraschend schnell und zu Hermines erneuter Überraschung setzte Malfoy sich direkt neben sie.
„Also, kann ich dich kurz sprechen?“
„Klar.“
Sie drehte sich leicht zu ihm, setzte sich gerader hin und strich sich eine Strähne hinters Ohr.
Aus irgendeinem Grund machte es sie nervös, mit ihm zu sprechen.
„Ich habe drüber nachgedacht“, erklärte er schlicht. „Ich möchte es noch mal probieren.“









What if... (Dramione) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt