Merkwürdige Post

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Sie lag allein im Bett, als sie erwachte.
Im ersten Moment irritierte es sie, dass er sein Versprechen gebrochen hatte, aber schon in der nächsten Sekunde hörte sie, wie ihre Badezimmertür geöffnet wurde.
Sie richtete sich etwas auf und hielt dabei die Decke fest, um ihre Blöße zu bedecken.
Er musste heiß geduscht haben, denn der Blick an ihm vorbei ins Bad zeigte ihr, dass kleine Dampfwölkchen dabei waren, durchs gekippte Fenster zu entweichen.
Er war vollkommen nackt, hatte sich lediglich eins der Schulhandtücher um die Hüfte gewickelt.
„Bekomme ich noch eine Reaktion?“
Sie sah in sein Gesicht, er schmunzelte.
„Was?“, fragte sie perplex.
„Ich sagte guten Morgen“, spezifizierte er. „Aber du hast es wohl nicht wahrgenommen, bist scheinbar zu sehr in die Aussicht versunken gewesen.“
Sie spürte deutlich Wärme in ihren Wangen.
„Äh... Guten Morgen“, versuchte sie rasch, sich zu retten.
Er lachte.
Und wieder einmal dachte sie, wie gut es ihm stand, wenn er so lachte – nicht arrogant, nicht überheblich, nicht gehässig, sondern ehrlich und schon fast warmherzig.
„Willst du nicht aufstehen?“, fragte er, der Ton fast neckisch.
„Doch, klar. Könntest du mir vielleicht meinen Bademantel aus dem Bad geben?“
Seine Augenbrauen rutschten spöttisch hoch.
„Oder wenigstens ein Handtuch?“, fragte sie kleinlaut.
Er erwartete doch nicht etwa, dass sie einfach so auftstand, nackt, wie sie war, und so hier durch die Gegend lief?
„Versteh einer deine Logik“, sagte er und schüttelte lachend den Kopf.
Den Gefallen, ihr den Bademantel oder ein Handtuch zu bringen, tat er ihr allerdings nicht.
Statt dessen sammelte er seelenruhig seine Wäsche vom Boden auf.
„Ich gehe mir was Frisches anziehen“, erklärte er. „Wir sehen uns beim Frühstück?“
„Klar“, murmelte sie.
Mit seiner Wäsche unter dem Arm und dem Zauberstab in der Hand ging er Richtung Tür.
Draußen waren eindeutig Geräusche von ihren Mitschülern zu hören, die sich wohl ebenfalls zum Frühstück aufmachten.
„Willst du so zu deinem Zimmer gehen?“, fragte sie fassungslos.
Er drehte sich um, sah sie fragend an und blickte dann stirnrunzelnd an sich herab.
„Ja, warum nicht?“
„Na, weil... Du bist nackt!“, entfuhr es ihr.
„Ich bin nicht nackt“, korrigierte er. „Das ist doch wohl eindeutig.“
„Aber so gut wie!“
„Und?“ Er zuckte mit den Schultern. „Meinst du, mir kann jemand was weggucken?“
„Nein, aber... Ich weiß nicht, dann weiß vermutlich jeder, dass wir gestern...“
Sie brach ab, biss sich auf die Unterlippe.
Er grinste.
„Das weiß sowieso schon jeder“, sagte er und klang ehrlich amüsiert. „Die, die uns gestern gehört haben, werden es garantiert schon weiter erzählt haben.“
Und mit diesen Worten öffnete er die Zimmertür und ließ sie sprachlos zurück.




Dadurch, dass es Samstag Morgen war, kam Hermine glücklicherweise nicht in die Verlegenheit, sofort mit allen Wiederholern beim Frühstück konfrontiert zu werden.
Es war verhältnismäßig früh, und Ginny war nicht da, vermutlich schlief sie noch.
Zögerlich setzte sie sich zu Neville, der etwas abseits saß und ein aufgeschlagenes Buch in der Hand hielt, während er frühstückte.
„Guten Morgen“, sagte sie.
„Guten Morgen“, kam es von Neville zurück, und sie war sich nicht sicher, ob sie sich den merkwürdigen Unterton nur einbildete.
Sie lud Essen auf ihren Teller und wagte es, einen raschen Blick zum Slytherin-Tisch zu riskieren.
Er war bereits da, saß wie immer zwischen Blaise und Theodore, und er schien sie beobachtet zu haben, denn sein Blick ruhte auf ihr.
Sie lächelte, weil er sie anlächelte – und im nächsten Moment zwinkerte er ihr tatsächlich zu!
Es ging so schnell, dass sie fast nicht sicher war, ob sie es sich nicht nur eingebildet hatte.
Er konzentrierte sich nun wieder auf sein Frühstück und schien Blaise zuzuhören, der ihm irgendetwas erzählte.
„Es geht mich zwar nichts an“, sagte Neville neben ihr leise. „Aber sag bloß, die Gerüchte stimmen?“
Sie drehte sich in seine Richtung, wich seinem Blick aber aus.
„Ähm... möglich?“
„Wie, du und Malfoy?“, entfuhr es Neville, immer noch im Flüsterton.
„Nun...“
„Merlin! Ich habe bisher allen gesagt, dass es Blödsinn sein muss, was erzählt wird...“
Neville brach ab, eindeutig sprachlos.
„Neville-“, begann sie.
„Schon gut, es ist deine Sache, Hermine“, sagte Neville rasch.
Hermine hatte gerade die erste Hälfte ihres Brötchens verspeist, als Bewegung in Draco und seine beiden Freunde kam.
Sie schienen fertig gegessen zu haben, und Hermine ging davon aus, dass sie nun die Große Halle verlassen würden. Allerdings blieben Theodore und Blaise in der Nähe des Ausgangs stehen – und Draco ging um den Gryffindor-Tisch herum, um direkt auf sie zuzusteuern!
Sie legte ihr Brötchen ab und sah ihm angespannt entgegen, war sich außerdem allzu deutlich der Blicke bewusst, die sein Verhalten auf sich zog.
Er stellte sich hinter sie, und im nächsten Moment spürte sie seine Hände auf ihren Schultern.
Er beugte sich herab, direkt an ihr Ohr.
„Wir sind so in einer Stunde auf dem Quidditchfeld“, sagte er leise. „Heute vormittag ist offenes Training für alle Häuser und alle Jahrgänge ab Jahrgang zwei.“
Kurz schwieg er, und sie war nicht sicher, ob er auf eine Reaktion wartete. Sie war jedenfalls nicht fähig, zu reagieren, ihre ganze Konzentration war dafür gefordert, ruhig zu atmen.
„Willst du auch vorbeischauen?“
„Ich weiß nicht...“, murmelte sie.
„Ach komm schon“, sagte er und sie hörte das Lächeln heraus. „Die Bibliothek hat nächste Woche auch noch geöffnet. Und deine Weasley-Freundin ist garantiert auch da, dann kannst du auch Zeit mit ihr verbringen.“
„Ginny“, entfuhr es ihr automatisch in korrigierendem Ton.
„Ginny“, bestätigte er versöhnlich. „Also?“
„Ok.“ Sie merkte selbst, sie klang atemlos, so sehr warf er sie mit seinem Verhalten aus der Bahn.
„Prima, bis dann.“
Sie vermisste die Wärme seiner Hände auf ihren Schultern augenblicklich, kaum, dass er sich abgewandt hatte.




What if... (Dramione) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt