Das erste Treffen

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„Theo! Kommst du jetzt endlich?“
Ungeduld schwang in Zabinis Stimme, während Malfoy neben ihm stand und fast amüsiert wirkte.
„Ja doch!“, sagte Nott, der neben Hermine saß, in beinahe maulendem Ton.
„Wir können auch alleine gehen“, kam es von Malfoy.
„Nein nein, wir sind ja schon fertig.“
Nott beugte sich zu Hermine und tippte auf die Buchseite, in der sie gerade gelesen hatten.
„An der Stelle machen wir das nächste Mal weiter“, bestimmte er, ehe er rasch aufstand und sich seinen Freunden anschloss.
„Na endlich“, kam es nun in feixendem Ton von Malfoy. „Du weißt schon, dass es mir langsam Angst macht, dass du sogar am Freitag Abend lernst? Willst du ein wandelndes Lexikon werden oder so? Du kommst zu wenig raus, mein Freund.“
„Du machst dir Sorgen um mich?“, schoss Nott zurück. „Angst, dass ich zu viel hier drin sitze und irgendwann so scheiße blass bin wie du?“
Zabini prustete und Malfoy konterte: „Höre ich da Neid heraus? Wenn du denkst...“
Aber mehr hörte Hermine nicht, denn die drei Slytherins hatten sich bereits zu sehr entfernt und waren dabei, den Gemeinschaftsraum zu verlassen.
Es war das erste Mal, dass sie die drei etwas ausgelassener erlebte.
Sie lernte seit ein paar Tagen intensiv mit Nott, und ab und an hatte Neville ihnen Gesellschaft geleistet, einmal kam außer Neville auch Hannah Abbott dazu. Hermine war sowieso aufgefallen, dass Neville viel Zeit mit Hannah verbrachte. Scheinbar hatte der gemischte Wohnbereich tatsächlich positive Auswirkungen auf das häuserübergreifende Zusammenleben.
Dass sie mit Nott lernte, hatte ihr einige überraschte Blicke eingebracht, aber Hermine hatte schnell festgestellt, dass der Slytherin ein sehr angenehmer Lernpartner war. Er war still, aber klug, hatte eine schnelle Auffassungsgabe und ein breit gefächertes Wissen. Er konnte gut ruhig neben ihr lernen, hielt sich nie mit überflüssigen Worten auf und kam auf den Punkt. Das gefiel Hermine, denn so kamen sie unfassbar gut und schnell vorwärts.
Sie wusste, die drei machten sich nun auf den Weg nach Hogsmeade.
Es war Nott gewesen, der sie gefragt hatte, ob sie bei Minerva ein gutes Wort einlegen konnte, dass sie als Wiederholer auch außerhalb der normalen Hogsmeade-Wochenenden das Dörfchen besuchen durften. Hermine, die ihren Job als Ansprechpartnerin für die Wiederholer sehr ernst nahm, hatte die Bitte umgehend weitergetragen und war sofort auf Zustimmung gestoßen. Da sie volljährig waren, benötigten sie nicht einmal ein Formular, welches die Eltern unterzeichnet hatten.
Und natürlich mussten die drei Slytherins es sofort ausnutzen und sich heute Abend auf ins Dorf machen.
Hermine blieb alleine im Gemeinschaftsraum zurück. Die anderen Mitschüler hatten sich bereits auf ihre Zimmer zurück gezogen. Auch sie legte die Schulsachen nun beiseite und griff nach dem Roman, den sie gerade las.
Es fiel ihr schwer, sich auf den Inhalt zu konzentrieren.
Es hatte sie eben kribbelig gemacht, Malfoy zu sehen.
Sie hatten für morgen den ersten Termin zum gemeinsamen Üben. Hermine hatte dafür die Erlaubnis eingeholt, den Klassenraum für Verteidigung gegen die Dunklen Künste zu nutzen.
Mittlerweile war sie sich schon gar nicht mehr so sicher, ob es tatsächlich klug gewesen war, Malfoy zu fragen, ob er mit ihr Okklumentik übte. Erst, als alles in trockenen Tüchern gewesen war, wurde ihr bewusst, dass das Risiko bestand, dass Malfoy ihre Gedanken, ihre Gefühle, ihre Wünsche und Vorstellungen wahrnehmen könnte. Sie hatte keine Ahnung, ob sie es schaffen würde, ihren Geist zu verschließen, und wenn es ihr nicht gelang... auch nur wenige Sekunden lang nicht... Das würde bedeuten, dass ausgerechnet Draco Malfoy Einblick in ihr intimstes Innenleben haben würde!
Irgendwann rutschte sie auf dem Sofa herunter, legte sich hin und starrte in die Flammen des Kamins.
Sie dachte weiterhin darüber nach, was es für eine Katastrophe wäre, wenn Malfoy in ihren Gedanken wühlte, und über ihre Grübeleien schlief sie ein.
Sie wurde durch ein Rütteln an der Schulter unsanft geweckt.
Der Schreck fuhr ihr durch die Glieder und einen Moment wusste sie nicht, wo sie war.
Ihr Körper reagierte instinktiv und sie riss ihren Zauberstab aus der Hosentasche, richtete sich halb auf und zielte mit der Spitze des Stabes auf die Person, die sie berührt hatte.
Als sie mit schreckgeweiteten Augen ihr Gegenüber ansah, wurde ihr Blick von grauen Augen erwidert.
„Woooooh... Granger, ganz ruhig“, hörte sie Malfoy sagen.
Er hockte neben dem Sofa und hatte beide Hände auf Schulterhöhe angehoben, wie um ihr zu zeigen, dass er nicht vorhatte, sie anzugreifen.
Hermine begriff, dass sie im Gemeinschaftsraum eingeschlafen war.
Das Feuer im Kamin brannte immer noch, war aber nur noch halb so hoch wie vorhin, bevor sie weggedöst war.
„Gute Reaktionen hat sie, das muss man ihr lassen“, hörte sie Zabini amüsiert sagen, ehe dieser lachte.
Irgendetwas an der Art, wie er und Malfoy redeten, machte sie stutzig, aber sie konnte noch nicht ganz greifen, was.
„Was... Wie spät ist es?“
„Hm, keine Ahnung“, kam es von Nott, und da sie in letzter Zeit häufiger mit ihm geredet hatte, begriff sie nun, was ihr komisch vorgekommen war: Die drei waren eindeutig betrunken. „So zwei oder drei?“
„Wie bitte?“, entfuhr es Hermine.
„Ist das jetzt ein Problem, Granger?“
Es war Malfoy, der nun wieder gesprochen hatte, und sie bemerkte, dass er noch immer ziemlich dicht vor ihr auf dem Boden hockte.
„Ob das ein Problem ist?“, entfuhr es ihr. „Es ist schon seit einer Ewigkeit Sperrstunde!“
Malfoy verdrehte die Augen.
„Uh, jetzt hab ich Schiss“, war sein einziger Kommentar.
Hermine schnappte nach Luft.
„Das solltest du auch!“, fuhr sie ihn an, weil ihr nichts Besseres einfiel. „Ihr verschwindet jetzt sofort ins Bett! Euch wird ein Sonderrecht eingeräumt, und was macht ihr? Ihr überzieht die Sperrstunde um Stunden und seid auch noch so dreist, betrunken hier aufzutauchen!“
Malfoy verdrehte ganz offensichtlich die Augen.
„Wir wollten nur nett sein“, sagte er.
„Nett sein?“, fauchte sie. „Wo seid ihr gerade nett, bitteschön?“
„Ich dachte eben, dass du nicht die ganze Nacht auf dem unbequemen Sofa verbringen willst“, erklärte Malfoy. „Daher habe ich dich geweckt. Du musst ja fit für unser Treffen nachher sein.“
„Das lass mal meine Sorge sein“, sagte sie verärgert. „Und jetzt geht endlich auf euer Zimmer! Aber leise! Die anderen machen nämlich, was man um diese Uhrzeit machen sollte: Schlafen!“
Malfoy verdrehte noch einmal die Augen, erhob sich dann aber und ging zu Nott und Zabini.
„Los, wir gehen hoch“, sagte er.
„Aber leise“, sagte Zabini in gespielt tadelndem Ton. „Die anderen schlafen, Draco!“
„Sie war ja schlimmer als eine wildgewordene Banshee“, hörte sie Malfoy schimpfen. „Dabei wollte ich nur nett sein.“
„Vergiss nicht, dass du nachher ein Date mit ihr hast, also vergeig es nicht jetzt schon“, kam es stichelnd von Nott.
„Ach, halt die Fresse, Theo. Kein Date, und das weißt du ganz genau!“
Die Stimmen wurden leiser, als die drei die Treppe hochgingen, und Hermine konnte nur verärgert den Kopf schütteln.






What if... (Dramione) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt