Anders als geplant

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„Ich kann einfach nicht fassen, dass sie das getan hat!“
Es war ein ungewöhnliches Bild, an das sie sich aber durchaus gewöhnen konnte: Draco lag auf dem Bett in ihrem Zimmer, die Schuhe hatte er nachlässig von den Füßen gekickt, ehe er sich in dem schicken, teuren Anzug, den er extra für die Anhörung angezogen hatte, auf ihre Bettdecke gelegt hatte.
Sie selbst lief unruhig auf und ab.
Bisher hatte er ihr kaum etwas von der Anhörung erzählt, sondern drehte sich mit seinen Worten im Kreis.
„Ich meine, wie kann sie einfach-“
„Draco“, unterbrach Hermine ihn. „Findest du es tatsächlich so ungewöhnlich, dass sie es getan hat?“
Seit Hermine ihm von der Begegnung mit seiner Mutter erzählt hatte, gab es kein anderes Thema mehr für ihn.
„Was willst du damit sagen?“, fragte er und klang fast ein wenig ärgerlich.
„Naja, ich meine nur...“, begann Hermine vorsichtig. „Deine Mutter machte auf mich bisher den Eindruck, als würde sie... vieles tut, um ihre Ziele zu erreichen.“
Kurz wirkte er angespannt und sie meinte sogar zu sehen, dass seine Augen sich leicht verengten.
„Hm“, machte er dann nachdenklich. „In gewisser Weise hast du Recht. Trotzdem ist es nicht erlaubt, was sie getan hat, und außerdem ist es meine Angelegenheit, es geht sie nichts an. Abgesehen davon verstehe ich nicht, warum sie diese Infos überhaupt haben wollte.“
„Ist das gerade dein einziges Problem?“, fragte Hermine fassungslos und hätte sich am liebsten die Haare gerauft. „Sie hat doch nichts in meinen Gedanken gesehen, was sie nicht sowieso schon wusste! Aber sie weiß jetzt, dass ich da war und sie wird sich denken können, dass es wegen dir war. Sie wird also eins und eins zusammenzählen und begreifen, dass du dich nicht von mir fern gehalten hast!“
„Das hatten wir doch schon“, sagte er ungeduldig. „Es spielt keine Rolle.“
„Es spielt keine Rolle? Draco-“
„Hermine“, unterbrach er sie, plötzlich wieder ruhiger. „Es wird nichts passieren.“
„Aber wenn-“
„Sie wird es nicht erzählen“, wiederholte er, was er ihr bereits gesagt hatte, nachdem Hermine ihm von der Begegnung erzählt hatte.
„Sie wird es nicht erzählen? Woher willst du das wissen?“
„Ich weiß es einfach.“
„Du weißt es einfach?“, echote sie fassungslos.
„Hermine, sie ist meine Mutter.“
„Und?“
„Und? Was und? Sie wird es nicht erzählen, Punkt.“
„Was macht dich so sicher?“
Er zuckte mit den Schultern.
„Es ist ein Gefühl.“
Sie starrte ihn fassungslos an.
Und dann musste sie lachen.
„Es ist ein Gefühl“, wiederholte sie. „Das glaube ich jetzt nicht!“
Seine Augenbrauen rutschten fragend hoch.
Sie musste wieder lachen.
„Entschuldige, aber bisher hatte ich nicht den Eindruck, als wärst du der Typ, der sich einer Sache nur aufgrund eines Gefühls sicher ist.“
Nun musste auch er kurz lachen.
„Ok, Punkt für dich“, sagte er amüsiert. „Aber ich kann nur wiederholen: Sie ist meine Mutter. Ich kenne sie. Ich weiß einfach mit absoluter Sicherheit, dass sie nichts sagen wird.“
Hermine hoffte, dass er Recht behielt.







Draco war angespannt in den nächsten Tagen, redete wenig mit ihr, wirkte sehr in Gedanken versunken. Allerdings schien er noch mehr als sonst die Köpfe mit Blaise und Theodore zusammen zu stecken.
Manchmal fragte sie sich, ob es sie kränken sollte, dass er über die Sache anscheinend mehr mit den beiden redete als mit ihr, aber merkwürdigerweise tat es das nicht, im Gegenteil. Sie war froh, dass es Menschen gab, die offensichtlich so loyal zu ihm hielten.
Sie war erleichtert, dass sie ihre ganze Schulzeit über eine Musterschülerin gewesen war und ihr auch dieses Schuljahr alles so leicht von der Hand ging. Sie war sich sicher, dass die vielen Gedanken, die sie sich um Draco machte, ansonsten erheblich ihre Leistungen beeinträchtigen würden.
Die Anhörung war erst ein paar Tage her. Der Mai stand vor der Tür, die Abschlussprüfungen rückten immer näher. Hermine hatte das Gefühl, ihr Kopf sei vollkommen überfüllt vom Lernen und den vielen Gedanken um Dracos Situation.
Und von Gedanken über ihre Zukunft.
Was würde passieren, wenn Draco den Prozess verlor?
Sie würden eine gemeinsame Lösung finden, sie war sich sicher. Sie wusste, sie würde ihn nicht im Stich lassen.
Und sie war sich sicher, dass auch Blaise und Theodore ihn nicht im Stich lassen würden.
Mittlerweile vermutete sie, dass die beiden so viel Geld besaßen, dass sie ihren Freund problemlos unterstützen konnten, sollte er den Prozess verlieren, aber ebenso sicher war sie sich, dass Draco dies nicht wollte.
Gleichzeitig fragte sie sich, wie es grundsätzlich nach der Schule mit ihnen beiden weitergehen würde.
Mittlerweile war sie sich sicher, dass er eine große Zuneigung ihr gegenüber empfand und sie definitiv auch nach Hogwarts engen Kontakt haben würden. Allerdings hatte sie keine Vorstellung, wie eng.
Auf jeden Fall würde es bedeuten, dass sie das Thema irgendwie bei Harry und Ron anschneiden musste.
Zu gerne hätte sie ihn gefragt, welche Vorstellung er von der nahen Zukunft hatte. Über die fernere Zukunft machte selbst sie sich noch keine Gedanken. Aber über das, was in ein paar Monaten kommen würde, wüsste sie schon gerne bescheid. Allerdings war ihr klar, dass sie keine „Was-ist-das-eigentlich-zwischen-uns-Gespräche“ mit ihm führen konnte. Sie war sich sicher, dass er sich bei so einem Gespräch verschließen würde. Derzeit zumindest.
Es war Freitag, die Posteulen kamen während des Frühstücks an, und Hermine setzte sich sofort aufrechter hin, als sie bemerkte, dass auch Draco Post bekommen hatte.
Er saß einen Moment lang vollkommen versteinert da und starrte das imposante Tier an.
Sein Blick verriet nichts, aber sie sah ihm trotzdem deutlich an: Er hatte nicht mit Post gerechnet und befürchtete etwas Schlechtes.
Ihr Herz hämmerte wie wild in ihrer Brust, als er dem Vogel den Brief abnahm und diesen – zumindest nach außen hin – vollkommen gelassen öffnete.
Es musste ein längerer Brief sein, denn obwohl seine Augen unfassbar schnell über die Zeilen huschten, las er überraschend lang.
Blaise, der direkt neben ihm saß, hatte sich nah herübergebeugt und schien mitzulesen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit lösten sich Dracos Augen von dem Pergament und er gab den Brief an Blaise weiter, der weiterlas. Theodore, der bisher wie gebannt Draco beim Lesen beobachtet hatte, beugte sich nun auch über den Brief.
Und Dracos Blick wanderte gezielt zum Gryffindor-Tisch und bohrte sich in ihre Augen.
Sie hätte es nicht für möglich gehalten, aber ihr Herz schlug noch schneller.
Sein Blick war nicht zu deuten, das Gesicht die übliche Maske, die sie nur allzu gut von ihm kannte.
Trotzdem wusste sie sofort: Es war etwas Bedeutendes passiert.
Ihr wurde übel.
Narzissa Malfoy.
Sie war sich sicher.
Dracos Mutter hatte agiert, in welcher Form auch immer.





What if... (Dramione) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt