Nachts auf dem Flur

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„Hermine? Kann ich dich was fragen?“
Das Frühstück in der großen Halle war fast beendet, etliche Schüler waren bereits zum Unterricht aufgebrochen, und Mandy war vom Ravenclaw-Tisch zu ihr herüber gekommen.
„Klar“, antwortete sie und stellte ihren Frühstückssaft ab, um Mandy ihre ganze Aufmerksamkeit zu widmen.
„Wir haben uns darüber unterhalten, dass der Flur im Treppenhaus, der vom Gemeinschaftsraum hinaufführt, so kahl ist“, erklärte Mandy. „Und wir sollen mit Anliegen ja zu dir kommen. Wir haben überlegt, dass es schön wäre, wenn das Treppenhaus mit Bildern verschönert wird, aber nicht mit den üblichen Porträts. Wir wollten fragen, ob du allgemein horchen könntest, ob alle damit einverstanden wären, und außerdem McGonagall fragen könntest, ob irgendetwas dagegen spricht, wenn wir dort Bilder aufhängen.“
„Natürlich“, kam es sofort von Hermine. „Habt ihr auch schon an etwas Bestimmtes gedacht?“
Mandy nickte.
„Ja. Lisa und ich finden, dass Sue einfach großartig malt, vielleicht könnte man ihre Bilder verwenden?“
„Warum nicht?“, entgegnete Hermine und Mandy strahlte. „Ich kümmere mich um alles.“
Aber ehe die beiden Mädchen weitersprechen konnten, wurden sie von einem kleinen Aufruhr am Slytherin-Tisch abgelenkt.
Hermine seufzte, als sie sah, dass es mal wieder Cassius und Nathanael waren, die das Chaos verursachten. Offenbar fanden sie es witzig, sich mit butterbeschmierten Frühstücksmessern zu duellieren, als wären es Schwerter, wobei sie ein Glas Kürbissaft umstießen.
Nathanael sprang auf, um dem kleinen Wasserfall, der vom Tisch tropfte, auszuweichen, und als er stand, wanderte sein Blick rasch zu einer Gruppe Gryffindor-Zweitklässlerinnen, die an ihrem Tisch vorbeiging.
Cassius Blick huschte hastig zwischen seinem Freund und den Gryffindors hin und her, ehe er aufsprang und Nathanael einen leichten, aber überraschend kommenden Stoß verpasste, der diesen rückwärts taumeln und fast gegen ein dunkelhaariges Mädchen stolpern ließ.
Er drehte sich zu ihr, und Hermine erkannte, dass es Mave war, die perplex stehen blieb und den Slytherin einen Moment lang einfach anstarrte.
Dieser starrte zurück und gerade, als er den Mund öffnete, wurde Mave von einer Freundin am Arm weitergezogen.
Hermine musste lächeln, als sie bemerkte, wie Nathanael der Gryffindor hinterhersah. Sie war sich mittlerweile sicher, dass an Jakes Sticheleien etwas dran war.
Cassius trat neben ihn und legte ihm in einer halb freundschaftlichen, halb mitleidigen Geste den Arm um die Schultern.
Hermine wollte den Blick abwenden und schaute dabei zufällig zu Malfoy, dessen blonder Haarschopf wie immer aus der Menge herausstach.
Auch er schien das Spektakel verfolgt zu haben und lächelte beinahe nachsichtig.
Und dann, als spürte er ihren Blick, sah er zu ihr herüber.
Und flüchtig, ganz kurz, meinte sie, dass er sie freundlich anlächelte, ehe er sich an Zabini wandte.
Sie hatte sich bereits zwei weitere Male mit ihm getroffen, um Okklumentik zu üben, und sie war ein wenig stolz darauf, wie gut sie bereits vorwärts kam.
Bisher hatte er es immer abgewiegelt, wenn sie vorschlug, den Patronus-Zauber mit ihm zu üben und er meinte, dass dafür noch genug Zeit sei.
Sie hatten sich auch ab und an nachts im Gemeinschaftsraum getroffen und momentan kamen sie eigentlich ganz gut miteinander aus.
Umso mehr fiel ihr allerdings auf, wie müde und abgekämpft er häufig wirkte.
Und sie merkte, dass es sie immer mehr interessierte, warum er keinen Schlaf fand.
Erst, als er wieder zu ihr herüber sah und dieses Mal auch Zabini seinem Blick folgte und Nott, der ihnen gegenüber saß, sich umdrehte, um zu sehen, wohin seine beiden Freunde schauten, bemerkte sie, dass sie ihn immer noch nachdenklich beobachtet hatte und wandte rasch den Blick ab.




Der November hatte Einzug gehalten, es wurde immer kälter, und Hermine zog sich dick an, ehe sie die Bilder von Sue nahm, die sie bereits in ihrem Zimmer an die Wand gelehnt hatte. Mandy hatte nicht zu viel versprochen, sie waren tatsächlich sehr hübsch, wie Hermine feststellte, und niemand hatte etwas dagegen gehabt, dass sie in den Aufgang vom Gemeinschaftsraum zu den Schlafräumen aufgehangen wurden.
Es war schon sehr spät und gespenstisch still auf dem Flur, kein Geräusch drang aus den Schlafräumen, als Hermine, die Bilder vor sich schweben lassend, zur Treppe schlich.
Leise ließ sie sie am Treppenaufgang herunter, ehe sie nachdenklich die Wände des Flurs, der nach unten führte, betrachtete, um einzuschätzen, in welchem Abstand sie die Bilder anbringen würde.
Natürlich hätten sich genauso Sue und ihre Freundinnen darum kümmern können, aber irgendwie schienen sie einfach davon auszugehen, dass Hermine sich auch darum kümmern würde, und da Hermines Tage bereits mit Schule, Nachhilfe und Lernen für die Prüfungen ausgefüllt waren, blieb ihr nichts anderes übrig, als die späten Abende beziehungsweise Nächte für so etwas zu nutzen.
Grundsätzlich machte ihr das nicht wirklich etwas aus, schlief sie doch sowieso nur mäßig gut bis ziemlich schlecht.
Sie ließ gerade das erste Bild schweben, um es mit einem Zauber an der Wand zu fixieren, als sie Stimmen hörte.
Die Stimmen kamen aus dem Gemeinschaftsraum. Hermine konnte die Sprecher nicht sehen, da sie auf den Sofas vorm Kamin sitzen mussten, von wo aus man den Aufgang zur Treppe nicht im Blick hatte, aber sie erkannte die Stimmen bereits nach wenigen Sekunden: Es waren Nott, Zabini und Malfoy.
Es wunderte sie, dass die drei noch im Gemeinschaftsraum waren, aber es war ihr gutes Recht, also machte Hermine sich leise und schweigend daran, die Bilder aufzuhängen.
Kurz überlegte sie, sich bemerkbar zu machen, aber dann sagte sie sich, dass sie sowieso nicht verstand, was die drei redeten, also spielte es auch keine Rolle, dass sie sich in der Nähe aufhielt, ohne, dass die Slytherins es wussten.
Als sie allerdings auf halber Höhe angekommen war, bemerkte sie, dass sie nun so nah war, dass sie doch verstand, was die drei redeten, und bewusst versuchte sie, ihre Ohren auf Durchzug zu stellen, was ihr aber nicht besonders gut gelang.
„ ...sicher, dass du sie über Weihnachten nicht besuchen willst?“, hörte sie Malfoys Stimme.
„Draco, meine Mutter kommt auch alleine klar“, antwortete Zabini. „Und ich habe auch keine Lust, wie ein Schoßhündchen angelaufen zu kommen, wenn sie meint, nach mir pfeifen zu müssen.“
Hermine hörte Nott prusten.
„Das denken sie, nicht wahr?“, fragte er, und sie war erstaunt über die Ernsthaftigkeit seiner Worte, obwohl er eben noch ein Lachen unterdrückt hatte. „Dass sie uns in der Hand haben, oder?“
Fast klang er ein wenig bitter.
„Sie haben uns in der Hand, Theo“, kam es trocken von Zabini.
„Haben sie nicht“, entgegnete Nott, immer noch überraschend ernst. „Ich rede seit dem Krieg kein Wort mehr mit meinem Vater. Keine zehn Hippogreife kriegen mich dazu, ihn in Askaban zu besuchen, auch wenn er das von mir erwartet.“
„Ja, und was bringt es dir?“, gab Zabini fast wütend zurück. „Wenn du Pech hast, wird er dich bald enterben.“
„Wird er nicht“, kam es von Nott, aber Unsicherheit schwang in seiner Stimme mit. „Er wird das Vermögen in Familienbesitz wissen wollen. Sonst würde es womöglich dem Ministerium zugute kommen, und das will er ganz sicher nicht.“
„Klar, deshalb lernst du auch wie ein Irrer“, konterte Zabini. „Weil du dir so sicher bist, dass du keinen guten Schulabschluss brauchst und dich auf dem Vermögen ausruhen kannst, richtig?“
„Ich habe schon immer viel gelernt“, gab Nott beinahe trotzig zurück.

What if... (Dramione) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt