Die Abmachung

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Hermine war frustriert.
„Geschichte der Legilimentik und Okklumentik“ stand auf dem Buch, das sie gerade las – zumindest eigentlich las.
Allerdings hatte sie bereits nach Beenden des Buchs, welches Ginny ihr zum Thema geschenkt hatte, feststellen müssen, dass sie die Thematik problemlos verstand – die Umsetzung aber keine einfache war.
Zauber musste man praktisch üben, und wie sie bereits festgestellt hatte, war das bei Okklumentik nicht einfach so möglich. Sie benötigte jemanden, der Legilimentik beherrschte, damit sie überhaupt Okklumentik üben konnte. Und im besten Fall beherrschte die Person beides, um genau erklären zu können, wie sie ihren Geist verschließen konnte.
Und an diesem Punkt scheiterte die ganze Geschichte, weswegen sie verärgert vom Buch aufgesehen hatte.
Und fast war es so, als hätten ihre Gedanken ihn herbei gerufen.
Malfoy war ebenfalls in der Bibliothek, stellte sie fest, und er beherrschte zumindest die Technik der Okklumentik, wie sie wusste.
Gerade stöberte er in einer Reihe, die von ihrem Sitzplatz aus problemlos einzusehen war.
Er trug keine Schuluniform, genau wie Hermine selbst. Wie immer war er komplett schwarz gekleidet. Schwarze Schuhe, schwarze Hose, schwarzer Rollkragenpullover.
Nachdenklich ging er die Buchreihe auf und ab, den Kopf leicht schräg gelegt, um die Titel besser lesen zu können. Er wirkte vollkommen vertieft in sein Tun.
Er sieht müde aus, schoss es ihr durch den Kopf. Er sieht einfach immer müde aus.
Mittlerweile war sie sich fast sicher, dass er keine Nacht gut Schlaf fand.
Was ihn wohl wach hielt?
Wie gebannt beobachtete sie, wie er sich streckte, um ein Buch aus einer etwas höheren Reihe – eine, die Hermine nicht erreicht hätte – zu ziehen, kurz den Klappentext las und das Buch dann umsichtig in seinen Arm legte.
Früher war es ihr nie aufgefallen. Wie umsichtig er mit Büchern umging.
Sie konnte es nicht leiden, wie manche Schüler die Bücher auf die Tische knallten, wie unvorsichtig sie mit ihnen umgingen, wie zerknickt manche Seiten der Bücher in der Bibliothek waren.
Malfoy war da anders. Sie hatte dieses Schuljahr häufiger beobachten können, wie selbstverständlich vorsichtig er die Seiten eines Buches umblätterte. Sie musste sich eingestehen, dass sie es mochte. Sie mochte es auch, wie er Bücher in den Armen mit sich trug, als seien sie wertvolle Schätze. Sie fragte sich, ob er Bücher einfach liebte oder dieses Verhalten antrainiert war, weil sich in seinem Elternhaus sicher sehr wertvolle Bücher befanden. Vielleicht war es eine Mischung aus beidem?
Ihr war auch aufgefallen, dass er, wenn er las und angesprochen wurde, stets ein paar Sekunden benötigte, ehe er langsam eine Hand hob, wie in Zeitlupe einen Finger unter die Zeile legte, die er gerade gelesen hatte, und dann seine Augen regelrecht von der Seite riss, als sei sein Blick auf dem Pergament festgehext.
Niemals hätte sie gedacht, dass es eine Eigenschaft an Draco Malfoy gab, die sie mochte.
Aber ja, sie mochte seinen Umgang mit Büchern.
Auch jetzt konnte sie beobachten, wie er langsam eine Hand hob und seine Fingerspitzen geradezu bedächtig über die Buchrücken gleiten ließ, ehe er an einem Buch stoppte und auch dieses herauszog, um es auf das andere Buch in seinen Arm zu legen.
Er fühlte sich unbeobachtet, sie war sich sicher.
Sein Gesichtsausdruck war anders als sonst. Ruhiger. Irgendwie weicher. Nicht ganz so verschlossen.
Sie fragte sich, ob dies sein wahres Gesicht war.
Eigentlich, schoss es ihr durch den Kopf, war er gutaussehend.
Nur schade, dass er einen so hässlichen Charakter hatte.
Und dann fragte sie sich: Hatte er sich nicht doch irgendwie, in gewisser Art und Weise, verändert? Es herrschte sozusagen Waffenruhe zwischen ihnen und sie war auch erstaunt darüber, wie geduldig und freundlich er Milo gegenüber war, wenn der Junge, der irgendwie einen Narren an Malfoy gefressen hatte, ihn mal wieder von der Seite ansprach.
Aber ehe sie den Gedanken weiter verfolgen konnte, schoss ihr plötzlich ein anderer durch den Kopf: War es möglich, dass sie ihn vielleicht doch bezüglich Okklumentik um Rat fragen konnte?
Konnte er es ihr vielleicht sogar beibringen?
Der Gedanke erschien ihr absolut abwegig, aber so richtig wollte er sie nicht loslassen.
Als Malfoy sich umdrehte, um die Buchreihe zu wechseln, senkte sie rasch ihren Blick wieder auf die Seiten vor sich, ehe er bemerken konnte, dass sie ihn beobachtet hatte.
Nein, dachte sie mit klopfendem Herzen, es wäre vollkommen verrückt, ihn um Hilfe zu bitten.





What if... (Dramione) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt