Slytherin und Gryffindor

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Der Oktober schritt rasch voran, es wurde ungemütlicher und kälter, und die Kamine liefen ununterbrochen auf Hochtouren.
Umso unangenehmer war es, durch die kalten Gänge zu gehen, daher beeilte Hermine sich auf ihrem Weg zu Minervas Büro. Die Schulleiterin hatte sie nach einer Unterrichtsstunde gebeten, nach dem Mittagessen kurz bei ihr vorbei zu schauen, und Hermine war gespannt, was ihre Hauslehrerin von ihr wollte.
„Komm herein, meine Liebe“, sagte Minerva, nachdem Hermine geklopft und den Kopf vorsichtig zur Tür hinein gesteckt hatte.
Hermine lächelte – sie mochte es, so von Minerva genannt zu werden – und ging zum großen Schreibtisch hinüber, um sich nach einer auffordernden Geste von Minerva zu setzen.
„Wie kann ich helfen, Minerva?“
Das faltige Gesicht der Professorin verzog sich zu einem freundlichen Lächeln.
„Ich wollte eigentlich nur hören, wie es dir geht, Hermine.“
Hermine schwieg einen Moment verdutzt.
„Was genau meinst du?“, fragte sie dann.
„Ich habe gelegentlich den Eindruck, dass du etwas müde bist. An manchen Tagen fällt es massiv auf.“
Hermine senkte den Blick.
„Ich... schlafe manchmal schlecht, ja“, gestand sie.
Als sie wieder aufsah, sah sie Minerva wissend nicken.
„Albträume?“
Hermine nickte stumm.
Die Schulleiterin seufzte mitfühlend.
„Liebes, es gibt Schlaftränke, das weißt du sicher...“
„Ja“, sagte Hermine rasch. „Ich weiß. Aber... Nun, ich habe das Gefühl, dass...“
Sie brach ab, suchte nach Worten.
„Ich habe das Gefühl, dass sich das Problem nur veschieben würde, wenn ich Tränke nehme.“
Wieder dachte sie einen Moment nach und Minerva sah sie aufmerksam und schweigend an.
„Ich denke, die Träume wollen mir etwas sagen, und ich will herausfinden, was.“
Erneut lächelte die Professorin.
„Du bist sehr weise, Hermine“, sagte sie. „Versprich mir aber, dich bei mir zu melden, wenn es zu schlimm wird oder du doch Tränke benötigst. Ich spreche dann mit Horace, er wird dir etwas brauen.“
„Natürlich.“
„Und du hilfst jüngeren Schülern, habe ich gehört?“
Hermine nickte.
„Auch Slytherins“, sagte Minerva und als Hermine den Mund öffnete, fuhr sie rasch fort: „Ich finde das einfach großartig.“
Hermine lächelte.
„Danke, ich-“
Sie brach ab, denn in diesem Moment klopfte es an der Tür.
„Bitte?“, sagte die Schulleiterin mit leicht erhobener Stimme.
Automatisch drehte Hermine sich um, und sie erstarrte, als die Tür sich öffnete und Malfoy, in Schuluniform und mit Tasche, eintrat.
Einen schrecklichen Moment lang befürchtete sie, dass Minerva mit ihm und ihr ein Gespräch führen wollte, und Malfoy schien etwas ähnliches durch den Kopf zu gehen, denn kurz entgleisten seine Gesichtszüge, als er sie sah. Doch schon in der nächsten Sekunde hatte er wieder eine undurchdringliche Maske aufgesetzt.
„Ich kann auch später wiederkommen, Professor“, sagte er kühl.
„Ich denke, das ist nicht nötig“, sagte Minerva, ehe sie Hermine wieder ansah. „Oder hast du noch Redebedarf?“
„Nein! Nein, ich gehe, alles gut“, sagte Hermine und stand regelrecht überhastet auf.
Malfoy kam ihr entgegen, und als sie auf einer Höhe waren, sah sie ihn automatisch an.
Sein Blick war stur auf den Schreibtisch gerichtet, er würdigte sie keines Blickes.
Er sieht auch müde aus, schoss es ihr durch den Kopf.
War er etwa jede Nacht wach?
Sie sagte sich, dass es ihr egal sein konnte, was mit ihm war.
Nachdem sie das Büro der Schulleiterin verlassen hatte, wollte sie sich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum machen, denn sie hatte noch ein wenig Zeit bis zum Nachmittagsunterricht.
Plötzlich hörte sie hinter sich jemanden angerannt kommen, und als sie sich gerade umdrehte, hörte sie eine aufgeregte, hohe Stimme:
„Oh, Merlin sei Dank! Hermine!“
Hinter ihr war Milo erschienen.
Er japste kurz, als er bei ihr ankam.
„Hermine“, brach es aus ihm heraus, kaum, dass er wieder etwas Luft bekam. „Finde... keinen Lehrer. Bitte, du musst mitkommen!“
„Was ist denn passiert?“
„Keine Zeit! Komm! Schnell!“
Milo packte sie tatsächlich am Ärmel und zog an ihr.
Er sah wirklich beunruhigt aus und daher folgte Hermine ihm.
Er rannte so schnell, dass sie kaum Schritt halten konnte.
„Milo, was-“, begann sie, aber dann hatte er sie bereits in den Innenhof gezogen und sie überblickte das Desaster.
Auf den ersten Blick sah sie, dass es sich bei den anwesenden Schülern um Gryffindors und Slytherins handelte, man erkannte es schnell an den Schuluniformen. Es mussten Zweitklässler sein, und die Gruppe Gryffindors stand auf der einen Seite, die Slytherins auf der anderen.
In der Mitte rangelten zwei Jungs miteinander, natürlich einer mit rot-goldener, einer mit grün-silberner Krawatte.
Ein Slytherin versuchte immer wieder, seinen Hauskameraden wegzuziehen, aber er bekam ihn nicht richtig zu fassen, und erst, als sie erkannte, dass es Nathanael war, begriff sie, dass der prügelnde Slytherin Cassius sein musste. Cassius, der, ebenso wie der Gryffindor, bereits Blut im Gesicht hatte.
„Hey, sofort aufhören!“
Natürlich hörten die beiden Jungs nicht auf sie, sie war sich nicht einmal sicher, ob sie sie überhaupt wahrnahmen.
„Aufhören, habe ich gesagt!“, sagte sie verärgert, schob mutig ihre Arme zwischen die beiden und schaffte es tatsächlich, sie auseinander zu drücken.
Der Gryffindor erkannte sie und wich beinahe erschrocken zurück. Cassius wollte sich sofort wieder auf ihn stürzen, aber Nathanael hatte die Gunst des Moments genutzt und fixierte seinen Freund, so gut es eben ging.
„Könnt ihr mir verraten, was das soll?“, fragte Hermine wütend.
„Der hat angefangen“, entfuhr es dem Gryffindor, der stark aus einer Platzwunde an der Lippe blutete. „Er hat sich einfach auf mich gestürzt!“
Hermine drehte sich zu Cassius, der immer noch gegen Nathanaels Arm drückte, als wollte er sich jeden Moment wieder auf sein Gegenüber stürzen. Ihm lief Blut aus der Nase, und nicht gerade wenig. Er starrte den anderen Jungen an und würdigte Hermine keines Blickes.
„Stimmt das?“, fragte sie ihn.
Keine Antwort.
„Cassius, stimmt das?“
Der Junge fuhr sich kurz mit dem Ärmel über die blutende Nase.
„Nein“, knurrte er.
„Stimmt wohl!“, brüllte der Gryffindor-Junge.
„Stimmt nicht! Scheiß Gryffindor!“
„Dämliche, hinterhältige Schlange!“, schoss der Angesprochene zurück.
Wieder wollte Cassius vorspringen, aber Nathanael hielt ihn fest und auch Hermine hob warnend eine Hand.
„Es reicht jetzt, alle beide!“, sagte sie bestimmt.
Sie sah sich kurz um, konnte aber weder einen Lehrer, noch einen Schulsprecher oder Vertrauensschüler sehen.
„Also, was ist passiert?“, wandte sie sich an den Gryffindor-Zweitklässler.
„Cassius hat sich einfach auf mich gestürzt und mich geschlagen“, behauptete der Junge.
Hermine zog skeptisch eine Augenbraue hoch.
„Einfach so?“, hakte sie nach.
Plötzlich druckste der Zweitklässler herum.
„Naja, ich hab nur gesagt...“
Er zögerte.
„Ja? Du hast was gesagt?“
Der Junge presste die Lippen zusammen.
„Er hat meinen Freund beleidigt“, kam es wütend von Cassius.
„Deinen Freund?“, wiederholte Hermine und setzte vermutend hinzu: „Nathanael?“
„Ja“, bestätigte Cassius.
„Was hat er gesagt?“
„Er hat sich über ihn lustig gemacht“, behauptete der Slytherin.
„Stimmt nicht!“, kam es von dem anderen Jungen.
„Stimmt wohl, du-“
„Stopp!“, unterbrach Hermine rasch. „Wie heißt du?“
„Jake“, antwortete der angesprochene Gryffindor.

What if... (Dramione) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt