Vorsichtige Annäherung

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Malfoys Verhalten, insbesondere seine Worte bei der Prügelei der Zweitklässler ließ sie nicht mehr los.
Nicht nur, dass er eingeschritten war, er wirkte tatsächlich unpartaiisch und so, als wollte er Cassius für sein Verhalten rügen, obwohl dieser aus seinem Haus war und anscheinend auch der Gryffindor-Junge den Beginn des Streits angezettelt hatte. Nein, das was er am Ende gesagt hatte, hatte sie regelrecht aus der Bahn geworfen. Es waren Worte, die ihr aus irgendeinem Grund durch und durch gegangen waren und sie auch irgendwie beeindruckt hatten, insbesondere, weil sie aus seinem Mund gekommen waren.
Hatte sie sich getäuscht? Hatte sich seine Einstellung doch verändert?
Fang endlich an, selbst zu denken, hatte er dem Jüngeren entgegengeschleudert.
Es war sein Ratschlag als Ex-Todesser, hatte er gesagt.
Bedeutete das, dass er damit sagen wollte, dass er lange Zeit nicht selbst gedacht hatte und nun mit dem eigenständigen Denken angefangen hatte? Oder interpretierte sie zu viel in die Worte hinein?
Es ließ sie nicht los.
Und es veränderte ihren Blick auf Malfoy.
Noch mehr bemerkte sie nun, wie müde er wirkte. Müde und irgendwie... resigniert?
Auch sein Blick, der ihr stets finster vorgekommen war, wenn er sie zufällig ansah, kam ihr nicht mehr zwingend so vor. Sein Blick, wenn er flüchtig auf ihr ruhte, wirkte eher... Ihr fiel das passende Wort nicht ein. Beunruhigt? Das beschrieb es nicht wirklich, aber vielleicht noch am ehesten.
Nach wie vor wirkte er arrogant, wie er durch die Gänge ging oder zwischen Nott und Zabini in der hintersten Reihe im Unterricht saß. Aber gleichzeitig war sie sich mittlerweile nicht sicher, ob er nicht auch ein wenig unsicher wirkte.
Hermine hatte sich früh aus dem Gemeinschaftsraum zurück gezogen, hatte sich in ihr Bett eingekuschelt und las „Grundkurs Okklumentik“. Sie hatte das Buch bereits durch, kehrte aber immer wieder zu prägnanten Stellen zurück, um sie zu verinnerlichen. Außerdem suchte sie nach einer Möglichkeit, wie sie sich Okklumentik aneignen konnte. Eine richtige Lösung hatte sie noch nicht gefunden.
Und immer wieder hob sich ihr Blick aus dem Buch, sie starrte die Wand an und ihre Gedanken schweiften zu Malfoy.
Sie würde zu gerne wissen, wie er die Worte beim Streit der Zweitklässler gemeint hatte. Und sie würde gerne wissen, was ihn nachts wachhielt.
Saß er womöglich jede Nacht im kalten Gemeinschaftsraum und starrte aus dem Fenster?
Und wenn ja, warum?
Wie gerne würde sie einmal wissen, was er dachte. Ob er wirklich der arrogante, muggelfeindliche, großkotzige Schnösel war, als den sie ihn immer wahrgenommen hatte, oder ob ihn mittlerweile andere Dinge beschäftigten?
Aber selbst wenn sie Gedanken lesen könnte – ganz davon abgesehen, dass sie niemals einfach so in die Gedanken anderer Menschen eindringen würde, wäre das bei Malfoy gar nicht möglich. Sie hatte nach dem Krieg mitbekommen, dass er gelernt hatte, seine Gedanken zu verschließen und-
Sie unterbrach ihren eigenen Gedankengang.
Malfoy war Okklumentiker.
Es kribbelte merkwürdig aufgeregt in ihr, als sie den Gedanken zu fassen bekam.
Von dem, was sie mitbekommen hatte, war recht klar hervorgegangen:
Er musste ziemlich gut darin sein.
Sie wusste, er war ausgebildet worden, um seine Gedanken vor Dumbledore zu verschließen, aber er hatte im Prozess erwähnt, dass er sie auch erfolgreich vor den anderen Todessern, wohl irgendwann sogar vor seiner Tante, verschlossen hatte. Warum, hatte sie nicht weiter verfolgt, es war ihr nicht wichtig erschienen. Viel zu sehr hatte sie damals schon der Gedanke gefesselt, dass er diese Kunst anscheinend so gut beherrschte. Fast hatte sie einen leichten Stich verspürt, der an Neid grenzte.
Und kurz, ganz kurz, war da die Überlegung, ob sie ihn fragen sollte... Vielleicht würde er es ihr beibringen?
Schon in der nächsten Sekunde verwarf sie den Gedanken schon wieder und er kam ihr regelrecht lächerlich vor.
Niemals würde er dem zustimmen.
Und gleichzeitig ließ es ihr keine Ruhe.
Sie biss sich nachdenklich auf die Unterlippe.
Sie würde heute Nacht absichtlich wachbleiben, nach unten gehen und schauen, ob er da war.
Und nein, sie würde ihn garantiert nicht fragen, ob er ihr Okklumentik beibringen konnte – aber vielleicht konnte sie ihn vorsichtig aushorchen und ein paar Tipps bekommen.
Ihr Wissensdrang hatte sie fest im Griff.
Er musste doch einen Ratschlag wissen, wie sie es lernen konnte!





What if... (Dramione) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt