Ein Tag voller Überraschungen

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Am Morgen des neunzehnten September wachte sie mit einem grässlichen Gefühl auf.
Sie hatte wieder einmal einen Albtraum gehabt.
Seit dem Krieg war das nichts Ungewöhnliches, sie hatte gelernt, damit zu leben.
Meist waren es Träume von der schrecklichen Schlacht in Hogwarts, von sterbenden Menschen, aber auch sehr häufig Träume von den Greifern und Malfoy Manor, allen voran von Bellatrix Lestrange. Diese grauenhafte Person hatte sie auf vielerlei Weise gezeichnet, innerlich wie äußerlich.
Und immer wieder wachte sie auch auf und erinnerte sich nicht mehr, was sie geträumt hatte, allerdings spürte sie ein dumpfes Grauen in der Brust.
Es ärgerte sie, dass sie mit einem so unwohlen Gefühl in ihren Geburtstag starten musste, aber in der nächsten Sekunde lenkte sie ein Klopfen an der Fensterscheibe ab.
Als sie sich im Bett aufrichtete, sah sie gleich mehrere Eulen auf dem Fenstersims sitzen.
Sie sprang auf, riss ihre Schublade auf, holte ein Paket Eulenkekse hervor und ging rasch zum Fenster, um es zu öffnen.
Die Eulen schuhuten, klapperten mit den Schnäbeln und waren offensichtlich sehr aufgeregt, was Hermine zum Schmunzeln brachte.
Sie flogen ins Zimmer und luden die Pakete ab, einige kleinere Päckchen und Briefe musste sie den Tieren von den Beinen abbinden. Dann nahm sie sich die Zeit, jeder Eule einen Keks zu geben.
Als ihr Zimmer wieder eulenfrei war, lud sie alle Briefe und Geschenke auf ihre Kommode und stellte sie vorsichtig neben die Bilder, die sie dort aufgestellt hatte. Es war ein nichtmagisches Bild von ihr mit ihren Eltern sowie drei magische Bilder: Einmal eins von ihr, Harry und Ron in ihrem sechsten Schuljahr, eins von ihr und Ginny auf einer Party – und eins von ihr und Ron, Arm und Arm, als sie noch ein Paar gewesen waren.
Sie spürte einen schmerzhaften Stich in der Brust und erwischte sich dabei, wie sie Rons Geschenk besonders lange in den Händen hielt, ehe sie es unausgepackt zu den anderen stellte.
Als sie kurz darauf zum Frühstück in die große Halle kam, wurde sie sofort stürmisch von Ginny umarmt, die ihr ebenfalls ein Päckchen in die Hand drückte.
„Mach es schon auf“, sagte sie aufgeregt und klatschte voller Vorfreude in die Hände.
Hermine war klar, dass es sich bei dem Geschenk um ein Buch handeln musste – die Form des Paketes war sehr aufschlussreich – aber das störte sie nicht, im Gegenteil. Wenn man ihr mit etwas Freude machen konnte, dann mit Büchern.
„Oh Ginny!“, rief sie aus, als sie das Buch in den Händen hielt. „Daran hast du gedacht?“
„Grundkurs Okklumentik“ stand in großen, verzierten Lettern auf dem Einband.
„Na klar! Freust du dich?“
„Und wie!“
Hermine strahlte.
Sie hatte Ginny gegenüber mal erwähnt, wie unsicher es sie machte, dass sie keine Ahnung hatte, wie Okklumentik und Legilimentik funktionierten. Natürlich war ihr klar, dass der Krieg dafür der Auslöser war – unbewusst hatte sie die ganze Zeit über Angst davor gehabt, jemand könne in ihren Kopf eindringen und Dinge in Erfahrung bringen. Es war eine Form von Schutzlosigkeit, die ihr Angst machte. Sie hatte Harry gefragt, ob er mit ihr üben würde, aber dieser hatte nur trocken erwidert, dass er ein ziemlicher Versager war, was diese geistigen Fähigkeiten anging, und es von daher wohl kaum Sinn mache. Sie hatte schon länger vorgehabt, sich dieses Buch zu kaufen, umso mehr freute sie sich, es nun geschenkt bekommen zu haben. Sie war absolut gespannt darauf, ob die Lektüre ihr weiterhelfen würde.
„Danke, Ginny“, ergänzte sie noch.
Als sie an diesem Nachmittag in die Bibliothek kam, überraschten sie ihre „Nachhilfekinder“ mit einer riesigen, selbstverzauberten Geburtstagskarte. Sie hatten wohl am Gryffindor-Tisch mitbekommen, dass ihr gratuliert wurde und hatten daraufhin die Hufflepuff-Erstklässler gefragt, ob sie zusammen eine Karte für Hermine herstellen wollten, was sie dann wohl nach dem Mittagessen getan hatten. Hermine war sehr gerührt.
Als sie die Bibliothek später wieder verließ, sah sie unter anderem auch die Slytherin-Zweitklässler in der Nähe einer Gryffindor-Zweitklässlergruppe lernen. Wie immer hob der Kleinste unter dem Tisch die Hand, winkte ihr unauffällig zu und grinste, was Hermine, auch möglichst unauffällig, damit er keinen Streit mit seinen Freunden bekam, erwiderte.



Ansonsten verlief ihr Tag wie gewohnt.
Als sie schließlich abends in den Gemeinschaftsraum kam, erwartete sie allerdings tatsächlich noch eine Überraschung.
„Alles Gute zum Geburtstag!“
Hermine staunte nicht schlecht, als sie sah, dass der Raum geschmückt war und alle Wiederholer auf sie warteten, um mit ihr mit Kürbissaft anzustoßen. Nun, alle bis auf die Slytherins, aber das wunderte sie weder noch störte es sie.
Der Tisch bog sich fast unter der Masse an Süßigkeiten, die alle zusammengetragen hatten.
Hermine bedankte sich etliche Male und freute sich wirklich. Gleichzeitig vermisste sie Harry und Ron schmerzhaft – und wenn sie ganz ehrlich mit sich selbst war, besonders Ron. Ob er heute mehr an sie dachte als sonst? Vermisste er sie? Dachte er vielleicht doch wieder darüber nach, mit ihr eine Beziehung einzugehen?
Sie versuchte, sich abzulenken, indem sie in die glücklichen Gesichter um sich herum schaute.
Terry, Michael und Anthony kringelten sich gerade wegen irgendetwas vor Lachen und Neville unterhielt sich sehr angeregt mit Hannah. Auch alle anderen machten einen sehr zufriedenen Eindruck.
Als sie schon eine Weile beieinander saßen, klopfte es an der Tür.
Justin, der der Tür am nähesten saß, ging öffnen und kam kurz darauf mit überraschtem Gesichtsausdruck zurück.
„Hermine, da ist ein junger Mann, der dich sprechen möchte“, sagte er in merkwürdigem Ton.
„Uh, ein Verehrer?“, scherzte Ernie und Justin lachte komischerweise laut los.
„Eher nicht“, sagte er.
Verwirrt stand Hermine auf und öffnete die Tür.
Da niemand zu sehen war, trat sie durch die Tür und hörte, wie das Porträt hinter ihr wieder zufiel.
„Hi!“
Überrascht drehte sie sich zur Seite.
Hinter der geöffneten Tür hatte der „junge Mann“ gewartet, von dem Justin gesprochen hatte.
„Oh... hey, das ist aber eine Überraschung“, bemerkte Hermine.
Es war der kleine Slytherin-Zweitklässler.
„Du hast heute Geburtstag, richtig?“, fragte er.
„Äh... ja...“, gab Hermine perplex zurück.
Überraschend förmlich streckte er ihr die Hand entgegen.
„Alles Gute“, sagte er.
Zögernd streckte sie die Hand aus und schüttelte die Hand des Jungen kurz.
„Ich bin übrigens Milo“, sagte er.
„Ah, ok. Danke für die Glückwünsche, Milo.“
Sie verstand immer noch nicht, warum ein Zweitklässler, und dann noch dazu einer aus Slytherin, kam, um ihr zum Geburtstag zu gratulieren.
„Gern.“
Er grinste wieder dieses schiefe Grinsen.
„Möchtest du noch etwas?“, fragte Hermine langsam und mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Ehrlich gesagt, ja“, gab Milo zu. „Ich habe gesehen, du gibst Nachhilfe.“
„Ähm... eigentlich nicht direkt, nein. Aber ich helfe den Jüngeren mal, wenn sie Hilfe brauchen.“
Er nickte.

What if... (Dramione) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt