Rückschlag

260 9 0
                                    

„Hey Granger, stört es dich, wenn ich mich zu dir setze?“
Hermine, die vollkommen in ihren Aufsatz vertieft gewesen war, sah überrascht auf.
Ihr erster Gedanke, als sie den Schüler neben sich stehen sah, war, dass die Slytherins ihr irgendeine gemeine Falle stellen wollten.
Aber dann rügte sie sich selbst für den Gedanken.
Bei jedem anderen hätte sie solche Gedanken auch nicht, und schließlich sollte sie vorurteilslos sein.
„Ähm... Wenn du magst“, sagte sie daher unsicher.
Überraschend elegant ließ Nott sich ihr gegenüber nieder und breitete ein paar Bücher vor sich aus.
Einen Moment beobachtete sie ihn perplex beim Lernen, ehe sie ihren Blick von ihm losriss und sich wieder ihrem Aufsatz widmete.
Konzentrieren konnte sie sich nur schwer.
Es war einfach zu ungewöhnlich, mit einem Slytherin an einem Tisch zu sitzen und sie verstand auch nicht, warum er sich zu ihr gesetzt hatte.
Kurz sah sie noch einmal zu ihm auf und musterte ihn.
Er schien sehr vertieft in seine Lektüre.
Es war erstaunlich, wie erwachsen und ernsthaft er wirkte.
Sie versuchte, zu ignorieren, dass er bei ihr saß und arbeitete still weiter.
Irgendwann war sie so vertieft in ihr Tun, dass sie ein Zusammenzucken unterdrücken musste, als sie plötzlich angesprochen wurde.
„Entschuldige.“
Hermine sah überrascht auf.
An ihrem Tisch standen drei verlegen wirkende Ravenclaw-Schülerinnen. Hermine schätzte, dass sie in der Sechsten sein mussten.
„Ja bitte?“, fragte Hermine.
„Ähm... wir wollten dich was fragen...“, begann die eine und die beiden anderen kicherten zu ihrer Überraschung leise.
Hermine wartete. Sie verstand nicht so ganz, was die Mädchen von ihr wollten.
Die, die gesprochen hatte, warf einen raschen Blick auf Nott, der aber immer noch in seine Bücher vertieft war.
Dann fuhr sie fort: „Du liest ja so viel. Welche Bücher würdest du uns für Verwandlung empfehlen?“
Hermine starrte sie einen Moment zweifelnd an.
„Ihr möchtet Buchempfehlungen von mir?“, vergewisserte sie sich.
Irgendetwas kam ihr merkwürdig daran vor.
„Äh... ja genau.“
Wieder ein rascher Seitenblick auf Nott.
„Ok, ich schreibe euch ein paar Titel auf, ja? Für den sechsten Jahrgang?“
„Richtig“, bestätigte die Ravenclaw und setzte mit einem Seitenblick auf Nott hinzu: „Ihr lernt zusammen?“
Und in diesem Moment verstand Hermine, was hier gespielt wurde.
Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Feder plötzlich irgendwie ärgerlich übers Pergament huschte. Sie hasste es, vor den Karren gespannt zu werden.
„Nein“, gab sie kurz angebunden zurück.
Zum ersten Mal sprach eine der beiden anderen Mädchen, doch sie wandte sich an Nott.
„Wo sind denn deine beiden Freunde?“, fragte sie.
Nott schien einen Moment zu brauchen, um zu begreifen, dass er angesprochen worden war.
Irritiert sah er auf, dann zog er in einer Art, die Hermine merkwürdig an Malfoy erinnerte, die Augenbrauen hoch.
„Nicht hier“, stellte er kurz angebunden das Offensichtliche fest und senkte seinen Blick wieder in die Bücher.
Hermine drückte den Mädchen ärgerlicher als beabsichtigt das Pergament in die Hand und die drei verschwanden sichtlich enttäuscht.
Nachdenklich musterte sie Nott.
Es war mehr als offensichtlich gewesen, dass die Ravenclaw-Schülerinnen nicht wegen Hermine an den Tisch gekommen waren.
Aber warum wegen Nott?
Vermutlich sahen die Mädchen ihn anders als sie.
Es konnte ihr egal sein. Allerdings fiel ihr plötzlich auf, dass sie so gut wie nichts über Nott wusste.
Er war immer ein Einzelgänger gewesen. Umso mehr wunderte es sie, dass er nun so engen Kontakt zu Zabini und Malfoy hatte. Aber vermutlich blieb es nicht aus, sie teilten sich ein Zimmer. Und sie schienen gut miteinander auszukommen. Er war Halbwaise, das hatte sie mal mitbekommen. Und dass sein Vater Todesser war, noch dazu ein sehr treu ergebener, war schon lange kein Geheimnis mehr. Ansonsten wusste sie nichts. Merkwürdig, eigentlich. Sie gingen schließlich seit Jahren zusammen zur Schule.
„Kann ich dich was fragen?“
Dieses Mal zuckte sie tatsächlich zusammen.
„Klar“, antwortete sie rasch auf Notts Frage.
Er schob ihr ein aufgeschlagenes Buch hin und deutete mit dem Finger auf eine Textpassage.
„Wie verstehst du das?“
Hermine las die Passage.
„Dass der Trank kippen kann, wenn zu viel Belladonna hinzugefügt wird“, sagte sie sofort.
Nott nickte.
„Danke, dann habe ich es richtig verstanden.“
Er zog das Buch zurück und las weiter.
Hermine zögerte, dann fragte sie: „Du interessierst dich besonders für Zaubertränke?“
Nott sah wieder auf.
„Wie man es nimmt. Es ist eins der Fächer, das mich besonders interessiert, ja.“
„Dann wiederholst du tatsächlich, um zu lernen?“, fragte sie überrascht.
Seine Stirn legte sich in Falten.
„Warum sollte ich sonst hier sein? Bist du aus einem anderen Grund hier?“
„Nein“, gab sie verblüfft zu. Sie wollte am liebsten hinzufügen, dass Nott wohl nicht wirklich einen Abschluss nötig hatte, seine Familie war sehr reich, aber sie verkniff es sich. „Ich habe nur den Eindruck, dass deine beiden Freunde kein wirkliches Interesse an Schule haben.“
Nott sah sie nachdenklich an, und einen Moment fragte Hermine sich, ob sie zu weit gegangen war, obwohl an ihrer Aussage ja eigentlich nichts Schlimmes gewesen war.
Doch dann antwortete er.
„Blaise interessiert es tatsächlich nicht wirklich“, gab Nott zu. „Er ist nur wegen Draco hier.“
Hermine fragte sich, was diese Aussage zu bedeuten hatte, aber ihr Gegenüber redete bereits weiter.
„Deshalb habe ich mich heute auch mal zu dir gesetzt. Viel über Schule tausche ich mich mit den beiden nicht aus, aber manchmal ist das gar nicht verkehrt, und bei dir weiß ich, dass deine Antworten Hand und Fuß haben.“
Ehrlich überrascht schwieg sie einen Moment, dann fragte sie: „Wenn Zabini wegen Malfoy hier ist... Warum ist dann Malfoy hier?“
„Er hat seine Gründe“, sagte Nott knapp.
Damit schien das Gespräch beendet, aber aus irgendeinem Grund wusste sie: Nott suchte jemanden, mit dem er sich über den Lernstoff austauschen konnte, und verrückterweise hatte er sich anscheinend Hermine dafür ausgesucht.








What if... (Dramione) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt