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Versonnen beobachtete Gwen wie ein hellgelber Schmetterling sich auf Kais Scheitel niederließ. Wirklich putzig... Der Riese mit einer sonnenfarbenen Haarschleife... unangebrachtes Gekicher wollte unbedingt aus ihr hervorbrechen und sie musste sich auf die Lippe beißen und den Kopf abwenden, um nicht loszuprusten.
Der Tracker hob leicht einen Mundwinkel, dann wurde er wieder ernst.
„Es gibt soviel, was du über deine eigene Art nicht weißt... das liegt zum Teil natürlich auch daran, dass Epsilons so viel rarer sind als beispielsweise Omegas und daher auch kaum Aufzeichnungen über euch existieren. Meine Großtante mütterlicherseits war die letzte bekannte Ee und genau wie du wurde sie nach einer langen Zeit auf die davor letzte geboren. Das Problem an eurer geringen Geburtenrate ist natürlich auch der Rückgang der Alphapopulation. Wir können zwar mit Deltas Sex haben und so Befriedigung erlangen, aber sie können unseren Knoten nicht nehmen. Und wenn der sich nicht formen kann, produzieren wir kein lebensfähiges Sperma. Also... du siehst den Grund, warum wir dich auf keinen Fall gehen lassen können."
Gwendolyn nahm eine der Blumengirlanden und wickelte sie um Kais Handgelenk. Dann hob sie den Blick und sah in die wunderschönen dunklen Mandelaugen.
„Und was ist, wenn ich das alles nicht will?" fragte sie leise.
„Ich fürchte, Liebling... das ist keine Option. Du kannst natürlich wieder versuchen vor uns wegzulaufen... Aber mach dir bitte eine Sache völlig klar. Dich zu jagen, ist Teil unseres Paarungsrituals. Und glaub mir, mein süßer kleiner Kobold... wir werden dich jagen! Und wir werden dich auch wieder einfangen! Und wenn wir dich sicher in deinem Nest zurückhaben, dann werden wir dich bestrafen für das Weglaufen. So, wie Henry es heute getan hat."
Gwen schmollte bei der Erinnerung an das Spanking und Kai lachte leise.
„Allerdings glaube ich, dass dir das heute ein wenig zu gut gefallen hat. Stimmt's nicht? Tatsächlich ist es so, wenn ein Omega oder ein Epsilon den Hintern versohlt bekommt, hat es immer etwas Erotisches für ihn oder sie. Ihr empfindet hierbei Schmerzen auf eine vollkommen andere Art und Weise als zum Beispiel ein Delta oder ein Beta.
Klapse wie die von Henry triggern einen Lustpunkt tief in eurem Fortpflanzungsorganen. Die sogenannte Gleitfimdrüse. Anders ausgedrückt, wirst du gespankt, beginnt dein Körper mit der Slick-Produktion um dich auf die Intimität mit einem Alpha vorzubereiten und zeitgleich wirst du erregt. Alles, was heute geschehen ist, diente dazu, dass du deine Rolle akzeptierst.. das du sie begehrst. Und es diente auch dazu, dass wir unsere Rolle als deine Alphas annehmen. Dein Clan zu sein bedeutet nämlich nicht nur, dass wir dir die Seele aus dem Leib vögeln, um dich zu schwängern - wir sind auch deine Beschützer, deine Versorger und irgendwann auch deine Liebsten."

Gwen schnaubte ungläubig.
Klar doch!
Als würde sie jemals Gefühle für diese Entführer und Schlägertypen entwickeln... Pah!
Weit gefehlt, Mister!
Sie würde vielmehr bei der nächsten Gelegenheit wieder türmen! Allerdings sollte sie sich damit beeilen... ihre nächste Hitze würde in etwa einem Monat starten und sollte sie sich dann noch in den Händen des Clans befinden, tja... dann war sie so was von geliefert und tatsächlich nur maximal drei Tage nach dem ersten Kontakt mit einem ihrer Dingdongs schwanger! 

Kai erhob sich mit einer anmutigen Bewegung und zog Gwen mit sich in die Senkrechte. Seine warmen Hände strichen langsam über ihre Schultern, dann musterte er versonnen ihren schmalen Nacken. Abwesend streichelten seine schlanken Finger in kleinen Kreisen über eine bestimmte Stelle am Übergang zwischen Hals und Schulter.
„Hier... ja, hier wird unser Beanspruchungsmal hinkommen. Um jedem in dieser Welt zu zeigen, dass du uns gehörst..."
Eine Gänsehaut breitete sich langsam über Gwens Körper aus und sie machte rasch einen Schritt zurück. Kai nickte leicht und ein zartes Lächeln umspielte seinen Mund, dann ergriff er die Hand der jungen Frau und machte sich langsam mit ihr auf den Rückweg.
Jay und Tjorben kamen ihnen bereits entgegen und Gwen versteifte sich unwillkürlich. Ihr Blick wanderte zu dem blonden Vollstrecker. Bis vor einer Stunde wäre sie am liebsten mit einem Messer auf ihn losgegangen, um ihn dafür bluten zu lassen, dass er sie geschlagen und - zwar unbeabsichtigt - Josh's Hitze ausgelöst und ihn somit zum Zentrum einem Alphaclans gemacht hatte. Doch jetzt hallten ihr Kais Worte in den Ohren.
Selbst, als er als Kind abgerichtet wurde, hat er nie geschrien, nie Gefühle zu gelassen, doch dein Tod hat ihn schwerer verletzt als glühende Eisenstangen es jemals konnten.'

‚Monster werden nicht geboren... sie werden gemacht...'

...und zum ersten Mal konnte Gwen durch die dunkle Kälte in Tjorbens Augen hindurchsehen und den Mann hinter dem Monster erkennen. Der blonde Alpha ging vor ihr in die Hocke und sah ihr tief in die Augen. Dann streckte er die Hand aus und schmiegte sie zärtlich an die Wange, die er vor Monaten erst noch so brutal geschlagen hatte. Sanft fuhr sein rauer Daumen unter ihrem Auge entlang und zeichnete die Kontur ihres Wangenknochens nach. Dann sagte er leise: „Es tut mir leid, kleine Wildkatze.... Es tut mir so unendlich leid, dass ich dir weh getan habe! Ich weiß, dass macht es nicht ungeschehen, aber ich schwöre dir bei meinem Blut, dass ich nie wieder meine Hand gegen dich erheben werde."
Wow... das kam überraschend... Gwendolyn wusste aus Erfahrung, dass Alphas sich niemals entschuldigen. Und den härtesten Fiesling, den sie je getroffen hatte so zerknirscht zu sehen... ja, das machte die Epsilon sprachlos.
Verwirrt blinzelte sie und versuchte dem durch seine Worte entfachten Sturm in ihrem Herzen Herr zu werden.
So war das doch nicht geplant gewesen! Er konnte doch nicht einfach so daher kommen und etwas derart Süßes und Perfektes sagen! Das durfte er nicht... sie wollte ihn doch nicht als menschliches Wesen sehen, das zwar furchtbare Fehler gemacht hatte, aber...

...Monster werden nicht geboren... sie werden gemacht.

DOPPELMIST!
Verdammte Alphas!
VERDAMMTE ALPHAS!
Und Gwen brach erneut in Tränen aus. Roh und ungefiltert, voller Wut, voller Frustration... mit einem Schrei stürzte sich die kleine Epsilon auf den blonden Mann und schlug mit ihren Fäusten auf ihn ein, versuchte soviel von ihm zu treffen, wie nur irgendwie möglich. Tjorben schlang die Arme um die tobende, völlig hysterische junge Frau und drückte ihr Gesicht behutsam an seine Schulter. Sie biß so fest zu, wie sie nur konnte und der Vollstrecker des königlichen Clans stöhnte leise vor unterdrücktem Verlangen auf.
„Äh... hat der kleine Kobold gerade unseren Eisklotz markiert?" fragte Jay fassungslos und Kai nickte mit dem gleichen Ausdruck völliger Entgeisterung in den hübschen Gesicht.
Gwen löste ihre Zähne aus dem massiven Kappenmuskel und trat kreischend und schreiend wie wild geworden um sich. Sie hatte sich nun in einem Zustand, der ‚Ragen' genannt wurde und sich speziell auf Os und Ees bezog hineingesteigert.
Ein Zustand, den sie nur erlangten, wenn sie völlig außer emotionaler Kontrolle geraten waren. Sie empfanden dann keinen Schmerz mehr und kämpften in der Regel, bis ihre Herzen versagten.
„Scheiße!" fluchte Jay, drehte sich um und sprintete zu dem kleinen Appartement zurück um den Rest des Clans zu holen.

In einem Feld voller Schmetterlinge Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt