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„Ich versteh nur nicht, wie dieser verdammte Gang eingestürzt sein konnte..."
„Echt jetzt?" Kai verdrehte die Augen und warf ein Kissen nach Jay, der es geschickt auffing, kurz an seine Brust drückte und es dann mit einem zärtlichen Lächeln Gwen hinhielt.
Die Epsilon saß nach wie vor auf Darren Schoß und hatte begonnen, seine fast weiß-blonden langen Haare in elegante Zöpfchen zu flechten. Dabei summte sie zufrieden vor sich hin und genoß die weiche und feine Beschaffenheit seines Schopfes.
Tjorben musterte seinen fünfzehn Minuten älteren Bruder mit einem amüsierten Funkeln in den Augen. Als er die junge Frau auf dem Weg hier ins Wohnzimmer hatte beruhigen wollen, indem er gesagt hatte, Darren sei kein Attentäter... nun, da hatte er nach Strich und Faden gelogen.
Genauer gesagt war Darren der vermutlich gefährlichste Alpha, den es weltweit derzeit gab. Er war an jeder Waffe ausgebildet worden, die existierte - egal ob alt oder neu.. Er war auch in jedem Kampfsport und Nahkampf trainiert, den die Menschheit noch kannte und praktizierte.
Und genau dieser knallharte Killer saß nun vollkommen still da, ließ sich von dem niedlichsten weiblichen Wesen, dass die alle jemals zu Gesicht bekommen hatten, frisieren und alles was Darren dabei zu tun konnte, war den kleinen Kobold verliebt anzustarren. Sein leises glückliches Schnurren untermalte Gwens wilde Flecht-Wut und als die junge Frau endlich fertig war, musterte sie verzückt den silbrigen Schopf des Mannes und strahlte vor Freude. Er sah aus wie einer dieser Eismeerkrieger, die die Menschheit einst Wikinger genannt hatte. Wunderschön und tödlich!
Dann wandte Gwen den Blick, nahm Kai und dessen lange schwarze Mähne ins Visier und ...
„Ah, ah... das ist doch nicht dein Ernst, mein süßes Kleines?" fragte der Tracker pikiert und Gwen lächelte sofort wie die unschuldige Schönheit vom Lande.
Während sie Kai Haarschopf mit einem gierigen Ausdruck fixierte, kuschelte sie sich enger an Darren, der langsam und zögernd die Arme um sie schloss und seine Nase in ihren Feuerlocken vergrub, um ihren Duft zu inhalieren. Gwen genoß seine Berührungen, spielte mit einem der langen hellblonden Zöpfe und stellte sich vergnügt vor, dasselbe mit Kais rabenschwarzen Strähnen auszuprobieren!
Ein Klopfen unterbrach die einträgliche Stille und dann betrat Duncan das Wohnzimmer.
Gwendolyns Augen weiteten sich, dann quietschte sie begeistert: „DUNCAN!!!!"
sprang aus Darrens Armen und stürmte los um den Alpha von Josh's Clan zu begrüßen.
Es blieb bei dem Versuch, denn das gerade halbwegs zusammengewachsene Schienbein versagte ihr den Dienst und die junge Frau fand sich einen halben Herzschlag später auf dem dicken weichen Teppich wieder. Zuerst war sie verdutzt, dann schnaubte sie gereizt und dann - nachdem ihre Hände sich wiederholt in die Teppichfasern gegraben und Gwen die außergewöhnliche Weichheit derselben erspürte, begann sie ernsthaft darüber nachzudenken, ob und vor allem WIE sie den Teppich in ihr Zimmer bekommen würde um ein Nest daraus zu bauen.
Lachend hob Duncan die kleine Epsilon hoch und trug sie zum Sofa zurück. Traurig sah sie sehnsüchtig zu ihrem neuen Objekt der Begierde zurück und schmollte.

„Awww... verdammt, Gwenny... schau doch nicht so goldig drein! Das ist zum Anbeißen niedlich!" jauchzte Jay und der Rest des Clans kicherte leise. Duncan verfrachtete Gwendolyn kurzerhand auf seinen Schoß und der jüngste des Clans begann sofort kleine Küsse auf Gwendolyns Nacken und Hals zu verteilen. Selig rieb er sein Kinn an ihrer Schulter und knabberte an ihrem Ohrläppchen.
„Ach, mein kleiner Kobold... du hast mir so gefehlt!!! Weißt du eigentlich, dass Darren in diesen sechs Wochen fast ununterbrochen an deinem Krankenbett gewacht hat? Wir mussten den Palast auf-, und ausräumen, die Sauerei beseitigen, die mal ein König gewesen war - Kleines, ich sag dir, den mussten wir sogar von der Decke kratzen - und dann diverse Splittergruppen von Vollidioten davon überzeugen, dass Henry die weitaus bessere Wahl als Herrscher ist. Da wir seinem Clan angehören, war es leider echt unumgänglich, dass wir die ganze Zeit mit von der Partie waren... also haben wir den besten und stärksten Freund und Bruder gebeten bei dir zu wachen."

„Wir mussten nicht bitten.. Darren hat es angeboten. Er wusste, dass er von den anderen Wachen als Verräter angesehen werden würde, da er sein Gelübde gegenüber Ludwig gebrochen hat. Er wäre dabei keine Hilfe, sondern eine Bürde gewesen..." warf Tjorben ein. Jay nickte ohne Zögern und jetzt war es an Darren, unsicher mit einem der Zöpfe zu spielen.
Er wollte auf gar keinen Fall, dass die kleine Epsilon dachte, er wäre ein perverser Spanner...
Diese sechs Wochen waren die schönsten und zugleich schlimmsten seines Lebens gewesen. Jeden Abend war der Clan nach erledigter Tagesaufgabe in Gwens Zimmer gekommen, dann hatten sie alle an ihrem Bett gesessen, sie berührt und gestreichelt. Mit einem Schwamm gewaschen, ihre Gliedmaßen bewegt, damit die Muskeln nicht verkümmerten und sie hatten ihm alles erzählt, was sie mit diesem zarten und doch so unfassbar starken Mädchen erlebt hatten...
und so hatte Darren sich in den kleinen Hitzkopf verliebt... und jeder Tag, an dem sie weiterschlief und nicht erwachte, brachte eine Angst in seine Seele zurück, von der er nicht gedacht hätte, dass er sie noch fühlen konnte.
Und als Gwendolyn dann erwachte und angefangen hatte zu schreien und zu weinen.. Darren hatte sofort seinen Bruder geholt, damit die Kleine die Stärke und Liebe eines gewählten und markierten Alphas erhalten konnte.
Aber, oh... was hatte er sich gewünscht an Tjorbens Stelle sein zu dürfen. Diese wunderschöne, mutige und starke Frau trösten zu können von entsetzlichen Verlust, den sie erlebt hatte.
Darren wusste, dass der Königsclan ihn aufnehmen wollte... aber diese Entscheidung lag nicht bei den Alphas... es war immer das Herz, das wählte...
Aber das bedeutete ja nicht, dass eine winzige Manipulation in diese Richtung nicht möglich war... daher auch das Lob von Jay und Tjorben...
Um der Kleinen zu gefallen, würde er alles mit sich machen lassen... wenn sie seine Haare pink färben und ihn selbst in einen Paillettenanzug stecken wollte... nur zu!
Wenn es bedeutete, dass sie ihn als einen der ihren akzeptierte und in ihrem Zirkel aufnahm... ihn liebte...
Duncan schmunzelte und zwinkerte Darren aufmunternd zu. Dann wandte er sich der jungen Frau zu und sah auf die kleine Wölbung ihres einst so flachen Bauches.
„Sag mal, kleine werdende Mutter... möchtest du vielleicht mit zu Josh kommen?"
Gwens Kopf flog so schnell zu ihm herum, dass ihre Wirbel hörbar knackten. 
„Gehts ihm gut? Hat er Deke und David gefunden? Sind sie heile rausgekommen? Wo ist er? Jetzt mach's doch nicht so spannend, Duncan!!!"
Die Alphas lachten und Jay massierte sanft ihre Hals. Josh's Clanführer hob abwehrend die Hände und sagte: „Langsam, Mäuschen! Es ist alles gut ausgegangen. Kommst du jetzt mit, dann kannst du deinen Besti ja selbst löchern!"
Gwen nickte hastig und wollte wieder auf die Beine springen, doch Henry schüttelte mahnend den Kopf.
„Nicht so hastig, Kleines! Einer von uns wird dich tragen... ah, ah, ah... keine Widerrede! Sonst setzt es ein paar Klapse auf deinen Hintern! Du bist gerade erst aus einem sechs wöchigen Koma aufgewacht, dein Bein ist noch nicht wieder fit und du bist eine emotionale Achterbahn! Also.. such dir einen aus, dann darfst du mit Duncan zu Josh..."
Während seiner mit sanfter Strenge hervorgebrachten Rede rutschte Gwen unbehaglich hin und her...
Jaaahaaaa... er hatte schon recht... trotzdem kam ihr Sturkopf langsam wieder in Schwung und leider verkrampfte sich jetzt auch noch ihr Geschlecht gierig bei der Vorstellung ein Spanking zu bekommen.
Hmmmm.... Wenn sie nur an die ganzen harten Schwän...
Stopp!
Genug mit den lüsternen Gedanken!
Joshi wartete!!!
Gwens Blick wanderte über die versammelten Alphas und blieben schließlich an Darren hängen. Plötzlich wieder schüchtern lächelte sie ihn zaghaft an und streckte langsam die Arme nach ihm aus.
Seine grünen Augen funkelten überglücklich, als ein warmes Lächeln sein strenges Gesicht aufhellte, er aufstand und ihrer Aufforderung nachkam. Behutsam hob er sie hoch und folgte den braunhaarigen Alpha aus dem Raum.
Der zurückbleibende Zirkel sah sich grinsend an und Henry klatschte mit Tjorben ein high five ab.
„Na, dass ist doch äußerst vielversprechend gelaufen..." sagte Maximilian zufrieden und steckte die Beine aus.

In einem Feld voller Schmetterlinge Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt