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Kopfschmerzen....

Das war der erste Eindruck, den Gwen hatte, als sie erwachte..

Dann...

Dunkelheit...
Wieso war es dunkel? Cliffmanor war doch groß und sonnengeflutet gewesen...

Dann...

Kälte...
Es war verschissen kalt!!

Dann...

Betonboden....

Okay, jetzt war es offiziell!
Irgendwas stimmte mal so überhaupt nicht! Wieso zum Donnerwetter lag sie auf kaltem, ewww... kaltem und nassen (!) Betonboden in nahezu völliger Dunkelheit? Mühsam richtete sich die junge Frau auf und tastete sich behutsam vorwärts... ihre Finger berührten etwa auf Hüft-Höhe etwas weiches, strähniges...
Am liebsten hätte Gwendolyn losgeschrien und nur mit Mühe zwang sie das hysterische Kreischen wieder ihre Kehle hinunter.. dann erklang ein gequältes Stöhnen und sie machte quietschend einen gewaltigen Satz nach hinten, rutschte auf dem feuchten, schlüpfrigen Untergrund auf und landete ausgesprochen unsanft auf ihrem Allerwertesten.
„Auuu..." jammerte sie leise und eine raue Stimme flüsterte: „Gwenny... bist du das?"
„JOSH!?"
Hastig krabbelte sie auf allen Vieren in die Richtung, aus welcher die Stimme ihres besten Freundes kam. So war es eindeutig sicherer, als auf den schwankenden Füßen - fand sie - zumal ihr Gleichgewichtssinn in der nächtlichen Schwärze um sie herum jetzt nicht unbedingt vorhanden war... an ihre Hand-Augen Koordination wollte Gwen gar nicht erst denken.
Kaum huschte diese Erkenntnis durch ihren Verstand, schloss ihre Stirn auf schon herzlich unsanft Bekanntschaft mit einem Knie, was die beiden Freunde gleichzeitig schmerzhaft aufstöhnen ließ.
„Gweheeen... jetzt komm schon her und hör gefälligst auf, Blödsinn zu machen!!" schnaubte Josh, packte sie an der Schulter und zog sie rasch und bestimmt neben sich.
Die Epsilon schniefte und kuschelte sich in seine Arme, suchte Trost und Geborgenheit bis sie schließlich flüsterte: „Joshi? Wo zum Geier sind wir hier?"
Sie spürte, wie seine Lippen über ihre Stirn strichen, dann murmelte er: „Woran kannst du dich denn noch erinnern?"
Gwen runzelte verwirrt die Stirn... ja, das war mal eine gute Frage... woran KONNTE sie sich erinnern?
„Äääh... also... so wirklich klar ist noch der Flug mit dem Solarsegler... Wie du versucht hast, Xander in diese lächerliche Pilotenuniform zu stopfen... alles danach... sind... eher Splittermomente... ich erinnere mich an große Panoramafenster... Roggennudeln mit Tomatensauce und ... äh... Spinat?
Wie Deke an die Klippen gegangen ist, um die Umgebung zu checken... oder war es David...?"
Josh zog Gwen enger an sich und sagte mit erstickter Stimme: „Es war Deke.. was noch?"
Die Zähne der jungen Frau begannen vor Kälte zu klappern als sie wisperte: „Ich glaub, wir sind dann durchs Haus getobt... haben unser Schlafzimmer ausgesucht und jede Decke, die wir finden konnten eingesammelt... oder?"
Der Omega seufzte leise und rieb Gwendolyns Arme.
„Jepp... das war vielleicht ne Festung, David hat ernsthaft überlegt, ob er eine Leiter suchen sollte um da reinzukommen..."
Beide kicherten kurz bei der Erinnerung, als schwere Schritte vor der Tür laut wurden.
Gwen holte tief Atem um loszubrüllen, doch ihr bester Freund legte ihr rasch eine Hand über den Mund.
„Pst! Still... wir sind NICHT mehr in Cliffmanor! Wir beide haben den blöden unterirdisch gelegenen Bunker erkundet und da haben sie uns erwischt! Die Anlage ist anscheinend nicht mehr sicher und es gab einen Durchbruch. Einen Geheimgang, der vom Palast bis nach Cliffmanor führt... das ist ein wirklich ein echter Witz! Deke und David versuchen die verschissene Umgebung des Hauses sicher zu machen und dabei ist es der angeblich sicherste Teil, der kompromittiert wurde!"
Gwen versteifte sich und starrte mit riesigen Augen in die Dunkelheit.
„Scheiße!!! Willst du mir echt erzählen, dass wir in den Katakomben des verdammten Palastes sind? Bei Henry und Jays durchgeknallten und machtgeilen Vater?"

Sie spürte das Nicken ihres besten Freundes und eine absurde Mischung aus Angst, Verzweiflung und rasender Wut durchzuckte Gwen. Dann glitt ihre Hand zu ihrem Unterleib und ihre Gefühle stumpften wieder ab. Ihre flüsternde Stimme wurde eisig und sie fragte zwischen zusammengebissenen Zähnen: „Wie sind wir betäubt worden?"
„Mit Gas..."
Ooooh... Hoffentlich hatte das Zeug ihrem Baby nicht geschadet! Die junge Frau spürte die kalte Klarheit eines Rage Zustandes am Rand ihres Bewusstseins. Wenn irgendjemand so saudämlich sein würde, ihr Ungeborenes zu bedrohen, würde sie ihnen zeigen, was eine Epsilon für einen entsetzlichen Schaden anrichten konnte! Dann jedoch fiel ihr siedend heiß etwas auf... Josh's erstickte Stimme... sein gepresster Atem... ihr bester Freund befand sich offensichtlich am Rande eines Nervenzusammenbruchs.
„Josh... was ist mit Deke und David passiert?"
Tränen sickerten in das Shirt an Gwens Schulter, als der Omega seinen Kopf dagegen lehnte.
„Ich weiß nicht, wie lange sie noch durchhalten. Ich spüre, dass sie leben, aber sie werden schwächer... kurz bevor ich ohnmächtig wurde, hab ich gesehen, wie beide von Betäubungspfeilen getroffen wurden... sie sind hier auch irgendwo!!!"
Die Epsilon schlang ihre Arme um Josh und presste den weinenden jungen Mann an sich.

Schlüssel klapperten und dann öffnete sich die schwere altmodische Stahltür mit einem leisen Knarren. Die beiden schnellten in die Höhe... für den Moment verdrängte das Adrenalin gekonnt jede Angst und betäubte den Kummer, so dass sie sich auf den Eindringling konzentrieren konnten.
Licht flutete in den winzigen Raum und wurde kurz darauf von der Silhouette eines riesigen Alphas geblockt.
Gwen und Josh wichen seinen zupackenden Händen aus... immer wieder, bis der Hüne sich vor Wut brüllend in die Zelle hineinquetschte.
Eine weitere Aufforderung brauchten die beiden Herzen nicht. Gwen trat dem Kerl mit Schackes in die Kronjuwelen, was ihn mit einem Röcheln zusammenklappen ließ und wetzte dann hinter ihrem Freund zur Tür hinaus. Kaum auf dem Gang, warf Josh das Stahlkoloss mit voller Wucht zu und schloss ab. Den Schlüssel steckte er ein und flüsterte: „Ich muss meine Alphas suchen!"
Gwendolyn nickte verbissen und machte eine auffordernde Kopfbewegung. Der Omega übernahm die Führung und geduckt huschten die beiden leichtfüßig an den Wänden entlang, folgten dem inneren Kompass des jungen Mannes.
„ ...laufen direkt in eine Falle...!"
Gwen packte ihren Besti und zerrte ihn in eine dunkle Nische. Gerade noch rechtzeitig, denn nur Sekunden später kamen drei Betas in Aufpasseruniform an ihrem Versteck vorbei.
„Als würde unser hoch-geschätzter König sich von seinen Söhnen so leicht überlisten lassen. Die Falle ist gesetzt und jetzt wo die Epsilon in unserem Gewahrsam ist, hat der Prinz keine Chance mehr... sein Clan wird vor ihren Augen hingerichtet und dann kann der König endlich einen würdigen Nachfolger mit der kostbaren kleinen Beute zeugen!"
„So eine Epsilon Muschi soll ja legendär sein... Besonders dann, wenn sie nicht willig ist... Fast wünschte ich, da mal ne Kostprobe von nehmen zu können!"
Derbes Gelächter entfernte sich und Josh sah in Gwens entsetztes Gesicht.
„Ich muss sie warnen!! Joshi... ich muss... sie... eine Falle..."
Der Omega packte sie fest an der Schulter und zischte: „GWEN! Komm wieder runter! Wenn du jetzt Kopflos davonrennst und irgendwelche Heldentaten versuchst, gefährdest du nicht nur dich selbst, sondern auch mich, meinen Clan und vor allem DEINEN Clan! Wir müssen erst Deke und David finden. Wir brauchen Alphastärke auf unserer Seite!!! Also los jetzt. Lass uns meine Männer retten, damit wir dir helfen können, DEINE zu retten!"
Gwendolyn schluckte mühsam die aussteigende Hysterie hinunter und zwang sich die Logik in den Worten ihres klugen besten Freundes zu beherzigen. Dann nickte sie hektisch und wischte sich mit einer wütenden Geste die Tränen von den Wangen.
„Du hast recht... Du hast recht! Los... weiter!!"
Sie waren gerade mal zehn Schritte gekommen, als ein wütendes mehrstimmiges Geschrei hinter ihnen laut wurde.
„Scheinbar haben die drei Deppen unseren eingesperrten Alphafreund gefunden... legen wir lieber nen Zahn zu!" knurrte Josh.
Und gesagt, getan... so schnell wie sie es halbwegs ungesehen durch die Gänge zu rennen riskieren konnten, stürmten der Omega und die Epsilon los, folgten dem feinen Sinn des Paarbandes, der Josh in die Richtung der beiden gefangenen Alphas seines Zirkels leitete...

In einem Feld voller Schmetterlinge Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt