Chapter Five

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Skylar

Sam packt mich an den Beinen und hievt mich auf den Boden. “Das muss schneller gehen, Abino!”, schnauzt er mich an.

“Ist schon gut Sam, ich habe dich verstanden", brumme ich außer Atem zurück und lehne mich auf meine Ellenbogen hoch. Er hält mir die Hand hin, um mir aufzuhelfen. Ich nehme dankend an, ohne zu ahnen, dass es eine Falle ist. Er zieht mich in einen Schwitzkasten.

Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, als ich damit einverstanden war, dass Sam mich trainiert. Ich habe meinen Vater angefleht mich trainieren zu lassen. Nicht nur von irgendjemandem, sondern von seinem besten Mann. Das scheint Sam zu sein. Von dem Typen, der für Zedd eingesprungen ist, um mich im Auge zu behalten und der total locker war, ist kein Schimmer zu sehen.

"Niemals", sagt er. “Niemals. Darfst. Du. Deinem. Feind. Vertrauen. Vor Allem nicht, wenn du am Boden liegst und am Ende deiner Kräfte bist.”

“Okay, Lektion gelernt”, ächze ich. “Kannst du mich bitte freilassen.”

“Vierzig Liegestütze und zwei Runden um die Halle.”

“Hab ich dir schon gesagt, wie sehr ich dich hasse?” Seitdem ich wieder auf den Beinen bin und mein Zimmer verlassen habe, trainiere ich. Am Anfang war mein Körper noch schwach. Mittlerweile definieren sich meine Arm- und Bauchmuskeln. Meine Beine sind stärker. Das Training bringt mich weiter. Aber noch nicht weit genug. Ich mag mich oft beschweren, aber eigentlich genieße ich den Schmerz und die Herausforderung, denn ich werde nie wieder ein Opfer sein und in die Hände meiner Feinde spielen.

Nie wieder wird mich irgendjemand aus meinem Bett rausreißen und mich hinter Türen einschließen. 

Es gefällt mir, langsam wieder die Macht über mich und mein Leben an mich zu nehmen. Mein Vater hat mich bisher immer in die Obhut anderer gegeben und meine Sicherheit anderen anvertraut. Wir haben gesehen, wohin das führt. Zedd war ein Teil unserer Familie. Bis er mich entführt hat.

Deshalb stehe ich jeden Morgen um fünf Uhr in dieser Halle und lasse mich von Sam durch die Gegend schmeißen und sammle jeden Tag nach zwei Stunden hartem Training meinen mit blauen Flecken übersäten Körper auf und gehe in die Uni. Ich bin wieder in den USA und mache mit meinem Leben weiter. Das heißt, ich drücke wieder die Unibank.

So wie auch heute. Die Vorlesungen sind trocken, aber besser als mein Zimmer, in dem ich für Tage gefangen war. Nach der Uni treffe ich mich mit Damen in unserem Lieblingscafé.

*****

“Irgendwelche Updates?”, begrüße ich Damen nach der Uni in unserem Lieblingscafe, in dem er schon auf mich wartet. Das ist zu einer Gewohnheit geworden.

"Leider nicht.” Er schüttelt den Kopf, während er nach seiner Kaffeetasse greift und einen Schluck davon nimmt. “Entweder haben sie das Ortungsgerät entdeckt oder das Signal wird immer noch unterdrückt.”

“Ich hoffe, es ist das Letztere.” Seit Tagen warten wir auf ein Signal von meiner Kette, die ich Tante Viktoria gegeben habe, als ich aus der Nervenheilanstalt geflüchtet bin. “Ist alles bereit für die Operation?”

“Es gibt nur noch wenige Details, die ich mir genauer anschauen muss, aber der Rest ist vorbereitet. Dein Vater hat alles bis ins kleinste Detail geplant."

“Das sind gute Nachrichten.” Wir gehen davon aus, dass sie im Krankenhaus ist, daher werden wir in zwei Tagen das Gebäude stürmen und sie retten. Dieser Gedanke lässt mich seit meiner Befreiung nicht los. Ich kriege nicht mehr das hagere Gesicht von Tante Viktoria aus meinem Kopf. Jede Nacht höre ich ihren Schrei. Wir müssen sie da raus holen.

“Wie geht es dir?” Damens Frage holt mich aus meinen Gedanken zurück. 

“Wie immer”, antworte ich. Ich weiß, was als nächstes kommt.

“Du musst mehr schlafen und besser essen, Skylar.” Damen ist, wie mein Vater, eine Mutterhenne geworden. Es kotzt mich an, aber es ist auch rührend, wenn er sich um mich sorgt. Obwohl er manchmal ein richtiger Mistkerl sein kann.

“Bitte, Damen, verschone mich. Mein Vater reicht. Ich höre diese Aussagen täglich mehrere Male.” Genau in diesem Moment kriege ich eine Nachricht auf meinem Handy. Sie ist von meinem Vater. Er fragt, ob ich gegessen habe. Ich halte ihm das Handy hin. “Siehst du?”

“Kannst du es uns verübeln, Prinzessin. Als ich dich in diesem Krankenhaus gefunden habe, waren nur noch Knochen und Haut von dir übrig.”

Ich hasse es, mich an diese Tage zu erinnern, weil ich ungewollt an Zedd denken muss. An seine harschen Worte und seine kalten Augen. Als wäre ich der Dreck an seinem Schuh, den er abschrubben muss. Als hätte ich ein unverzeihliches Verbrechen begangen. Und wenn ich an Zedd denke, denke ich ungewollt an die Tatsache, dass er mich hintergangen hat. Mich eiskalt verraten hat. Was mich am meisten stört, ist der Fakt, dass ich ihm ausgeliefert war.

Damens Handy klingelt.

“Ja, Tom.”, antwortet er und schaut mich an, als er zuhört. “Ja, sie ist hier.” Dann macht er eine Pause und ich höre die Stimme meines Vaters. “Ja, ich sehe zu, dass sie etwas isst.” Dann noch eine Pause. “Ja, Tom, ich fahre sie später nach Hause.” Als mein Vater zufrieden mit seinen Antworten ist, legen sie auf.

“Siehst du, Damen. Ich brauche Raum zum Atmen."

“Ich weiß, Prinzessin, aber solange Zedd da draußen frei herumläuft, können wir nichts dem Zufall überlassen.” Er hat recht. Mein Vater hat auch recht. Ich weiß, dass er eine schreckliche Zeit hinter sich hat und dass er den Schock immer noch nicht ganz überwunden hat. Ich hoffe, dass ich wieder normal leben kann, wenn wir Tante Viktoria gefunden haben und Zedd sich nicht mehr wie ein Psychopath verhält. 

“Hey, Sky”, sagt er sanft und ich schaue hoch in seine grünen Augen. So hat mich Zedd immer genannt. Alles, was mich an ihn erinnert, schmerzt so sehr. 

“Nenn mich Prinzessin.”

“Prinzessin? Ich dachte, du hasst den Spitznamen.” Er zieht eine Augenbraue hoch und schaut mich fragend an.

“Er gefällt mir langsam”, ich seufze und schaue auf die belebte Straße hinter der Scheibe.

“Alles wird gut. Wir werden sie finden.”

“Ich hoffe, du hast recht, Damen.”

Ein schelmisches Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. “Gehst du mit mir auf ein Date, wenn ich recht habe?.”

"Damen", ich verdrehe die Augen und schlage ihm spielerisch auf die Hand. In den letzten Wochen kommt dieses Thema fast so oft auf wie meine Essgewohnheiten. 

“Du bist mir ein Date schuldig, Prinzessin.”



My Enemy and MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt