(Aylins Sicht)
Freitag: 19.08.2022, 10:19
Müde fahr ich mir mit der Hand übers Gesicht, erneut eine gefühlt schlaflose Nacht. Seit Wochen habe ich nicht richtig durchgeschlafen und Albträume quälen mich nachts. Ich bin frustriert und weiß mittlerweile nicht mehr, was ich mit meinen Gefühlen anfangen soll. Die ganze Zeit wandern meine Gedanken zu Raphael und am liebsten würde ich meine Schuhe anziehen, zu ihm gehen, in seine Wohnung stürzen und mich ihm einfach um den Hals werfen. Seine starken Arme um mich spüren und endlich wieder diesen Duft einatmen. In seine honigbraunen Augen zu schauen und diese vollen Lippen zu küssen. Vor allem, da ich ihn seit einem Monat nicht gesehen habe und mein Herz ihn vermisst. Schnell schüttele ich den Kopf. Hör auf Aylin! Du darfst das nicht sagen, er hat dich verletzt. Er hat dich benutzt und er hat dich belogen und betrogen. Er ist es nicht wert, dass du ihm hinterher heulst. Mit meiner neuen Entschlossenheit springe ich aus dem Bett und greife nach meinem Handy, auf das ich bis vorhin noch wie verrückt gestarrt habe, kurz davor ihn anzurufen. In der Küche angekommen, schalte ich die Kaffeemaschine ein und starre gedankenverloren aus dem Fenster. Hier sind wir wieder, es fühlte sich wie gestern an, als ich noch bei Naomi gewohnt habe, und dabei war ich noch gar nicht so lange weg und schon bin ich wieder hier und Teile mir mit meiner besten Freundin ihre kleine Drei-Zimmer-Wohnung.
Das Klingeln meines Handys lässt mich erschrocken aus meiner starre aufzucken und ich schaue gespannt auf den Bildschirm. Ein kleines bisschen Hoffnung macht sich in mir breit und ein Teil wünscht sich, dass sein Name auf dem Bildschirm steht. Doch leider werde ich enttäuscht, denn der Name meines Bruders erscheint auf dem Bildschirm. "Guten Morgen kleine Schwester! Wie geht's? Wie steht's?" Ich zwinge mir ein Lächeln auf die Lippen und sehe mein Bruder fragend an. "Wie komme ich zu der Ehre, dass du mich heute anrufst?" "Ich wollte wissen, wie es dir geht und ich wollte mal wieder fragen, wann wir uns sehen." Kurz nehme ich tief Luft und sehe meinen Bruder erschöpft an, "Naja, es geht. Ich bin etwas erschöpft und hab mit meiner Motivation zu kämpfen." Wieder wende ich den Blick aus dem Fenster und schlucke meine angestauten Tränen runter. Attila hat bestimmt schon gemerkt, dass etwas nicht stimmt, dabei wollte ich ihm nicht auch noch damit belasten. "Sicher das alles in Ordnung ist?" "Weißt du was, ich komme euch jetzt besuchen." "Wie meinst du das jetzt?" "Ich komme jetzt zu euch. Ich bin diese Woche sowieso krankgeschrieben, daher kann ich jetzt auch einfach nach Stuttgart kommen." "Aber wie willst du das schaffen?" "Ich steige gleich in den Wagen und fahre los. In ein paar Stunden bin ich bei euch." Etwas perplex sieht er mich durch den Bildschirm. "Und warum bist du krankgeschrieben? Fehlt dir was?" Schnell schüttele ich den Kopf. "Nein nein, alles gut. Wir haben es letztes Wochenende nur übertrieben und der Kater hat sich über Tage gezogen. Du hättest uns sehen müssen, John ist förmlich verrückt geworden, weil wir uns bis Sonntag Abend bei ihnen aufs Sofa verkrochen haben. Alleine der Toilettengang hat und dazu gebracht uns aus den Decken zu fädeln." Amüsiert schüttelt er den Kopf. "Naja, aufjedenfall mach ich mich gleich auf den Weg. Sag aber erst mal niemanden was, dass wird eine Überraschung" und mit diesen Worten lege ich auf. Fest entschlossen renne ich wieder in mein Zimmer, greife nach der ersten Handtasche, die ich finde und werfe ein paar Klamotten rein. Im Bad greife ich noch schnell nach meiner Zahnbürste, dem Kamm und ungefähr zehn Minuten später sitze ich bereits mit dem Navi in der Hand in meinem Wagen. Noch eine kurze SMS an die Mädels, dass sich auch keiner Sorgen macht und schon starte ich den Motor, um mich auf den Weg zu meinem Bruder zu machen.
Freitag: 19.08.2022, 16:34
"Hey, wie geht es dir süße?" Begrüßt mich meine Schwägerin und nimmt mich fest in den Arm. Ich zwinge mir zum zweiten Mal an diesem Tag ein Lächeln ins Gesicht und erwidere seufzend ihre Umarmung. "Es geht so weit. Ich hab einiges durchmachen müssen die letzte Woche." "Das sieht man dir an. Du siehst ganz schön fertig aus. Lass mich raten, es gibt einen Grund, warum du plötzlich so stürmisch hier auftauchst?" Eindringlich betrachtet sie mich. "Ich wollte einfach nur Ablenkung und ich wollte weg von daheim." Meine Gedanken haben mich verrückt gemacht, setzte ich noch in Gedanken hinzu. Sie sollen sich nicht noch mehr Sorgen um mich machen. "Attila hat schon erzählt, dass du ganz durch den Wind warst, als er dich angerufen hat über FaceTime. Außerdem hat er gemeint, du willst nicht, dass es jemand erfährt, dass du kommst." "Naja, du weißt doch wie Mama ist. Sobald sie sieht, wie es mir geht, würde sie sofort durchschauen, dass etwas nicht stimmt, und ich bringe es nicht übers Herz ihr zu erzählen, was passiert ist." Neugierig hebt sie ihre Augenbraue und bittet mich mit einer Handbewegung ins Wohnzimmer. Schnell streife ich mir die Schuhe von den Füßen und werfe meine Jacke über die Garderobe. "Möchtest du was trinken? Kaffee Tee? Tequila?" Lachend hält sie die Flasche in die Höhe. "Kommt drauf an. Wann kommt dein Mann wieder?" "Er holt jetzt die Kleine vom Kindergarten ab. Er sollte in einer halben Stunde wieder da sein." Grinsend wackelt sie mit der Flasche in ihrer Hand hin und Her. "Na dann können wir uns ja ein paar Shots gönnen." "Perfekt und du erzählst mir gleich mal, was passiert ist, dass du ausschaust wie ein Häufchen Elend." "Danke ich hab dich auch lieb." Kontere ich grinsend, als sie mit zwei Gläsern das Wohnzimmer betritt und sich mir gegenüber setzt. "Also.." auffordernd sieht sie mich an und hält mir eins der vollen Shotgläsern entgegen. "Was ist passiert?" In einem Zug leere ich mein Glas und die brennende Flüssigkeit läuft meinen Hals herunter, bevor ich tief Luft hole und meiner Schwägerin zu erzählen, wie Rafael mir vor einigen Wochen das Herz gebrochen hat.
Freitag: 19.08.2022, 17:12
"Essen!" ruft Attila, als er durch die Eingangstür kommt. "Wir haben Pizza mitgebracht." "Mama! Mama!" kommt es von Melek gerufen, "wir haben Pizza mitgebracht." Kichernd rennt sie ins Wohnzimmer und wirft sich ihrer Mutter um den Hals. "Papa hat erlaubt, dass wir heute Pizza essen. Er hat gesagt wir bekommen Besuch." "Hallo meine kleine," begrüße ich meine Nichte und lege die Teller, welche ich gerade aus der Küche gebracht habe auf den Tisch ab. Tante Aylin!" ruft sie laut, rennt auf mich zu und springt mir in die Arme. "Ich hab dich vermisst." "Und ich hab dich vermisst meine kleine." Ich nehme meine Nichte fest in den Arm. "Wie lange bleibst du?" mit großen Augen sieht sie mich an. "Übers Wochenende." "Juhuu" jubelnd klatscht sie in die Hände, "können wir dann was zusammen unternehmen?" "Was möchtest du denn machen?" Melek reibt sich die Stirn, während sie kurz überlegt. "Können wir ins Spielparadies?" Ihre Augen fangen an zu leuchten und sie sieht mich fragend an. "Wenn dein Papa das erlaubt." "Papa?" wendet sie sich nun an Attila, "kann Tante Aylin mit mir morgen ins Spielparadies?" "Ihr könnt gerne gehen, aber um vier seid ihr wieder daheim. Wir müssen morgen noch was erledigen. Und diesmal pünktlich! Nicht so wie das letzte Mal." Tadelnd zieht er seine Augenbraue nach oben. "Ist ja in Ordnung Papa Schlumpf." Kichernd hält sich Melek eine Hand vor den Mund und sieht zu mir hoch, "Papa ist immer noch sauer, weil wir ihn damals warten lassen haben." Auch mir entweicht ein Kichern, als ich an das letzte Mal denke. "Aylin, möchtest du auch Pizza?" unterbricht Nuray unser Gespräch. "Sehr gerne" und mit diesen Worten greife ich nach einem Stück und schiebe es genüsslich in den Mund. "Fistik?" kommt es nach einigen Minuten Stille und ich sehe fragend zu meinem Bruder. "Darf ich auch erfahren, wer dir das angetan hat?" Er muss die Verwirrtheit in meinem Blick gesehen haben, denn er spricht direkt weiter, "Glaubst du echt, ich erkenne nicht, wenn schlecht es dir geht? Ich möchte einfach nur wissen, ob jemand dafür bezahlen soll oder nicht." Er ballt seine Hand zu einer Faust. "Nein, nein! Alles gut, es muss keiner dafür bezahlen. Ich denke, ich bekomme das irgendwie selbst hin. Aber danke, dass du dich um mich kümmerst." Vorsichtig nickt er, aber das Misstrauen in seinem Blick schwindet nicht, "du weißt, dass du jederzeit hier willkommen bist." Dankend sehe ich ihn an und nehme wieder ein Stück von der Pizza. Gut, dass ich gekommen bin, auch wenn ich ihm nicht erzählen möchte, was Raphaels mir angetan hat, ist es immer noch besser als wieder alles auf Mary und die anderen abzuwälzen. Ich will sie nicht noch weiter gegen ihn auf sticheln, Mary hat schon angefangen ihn ein bisschen zu hassen für das, was er getan hat. Und es war nicht mein Ziel, die Freundschaft zwischen ihnen zu zerstören, welche schon seit Jahren besteht.
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Zwei Fremde (Raf camora FF)
Fanfiction..."Wir sind nur Freunde, also hat es dich nicht zu interessieren, ob ich die oder eine andere ficke", knurrt er mich wieder an. "Ist das so?" frage ich ihn mit gebrochener Stimme und die Angst vor einer Wiederholung der Vergangenheit ist sichtlich...