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(Aylins Sicht)

Montag: 29.11.2021, 08:16 Uhr

Verschlafen stehe ich am Bahngleis und warte auf meinen Zug. Heute fahre ich wieder nachhause zu meinen Eltern nach Stuttgart und am Samstag bin ich auf die Hochzeit von Emirs Schwester eingeladen. Ich werde nicht nur meine Familie wieder sehen, nein ich werde auch ihn wieder sehen, fährt es mir durch den Kopf und ein Schauer läuft mir über den Rücken, aber ich kann es Esma nicht antun, ihre eigene Hochzeit zu verpassen, nur weil Emir seinen Schwanz nicht still halten konnte. Mit großer Freude, aber einem etwas mulmigen Gefühl im Magen steige ich in den Zug ein, welcher vor einigen Sekunden eingefahren ist. Ich laufe auf meinen Platz zu, verstaue mein Gepäck und setzte mich hin. In meinen Sitz eingekuschelt, stecke ich mir meine AirPods in die Ohren und spiele Mit den Jungs ab, während die fahrt beginnt. John hat mir befohlen mehr Musik von ihnen zu hören. Naja seine genauen Wörter waren eigentlich eher, "Aylo, dass was du hier verpasst ist Geschichte. Du kannst mir doch nicht erzählen das du keines unserer Lieder kennst." Amüsiert schüttele ich den Kopf. Jetzt wurde ich erstmal dazu verdonnert alles aufzuholen. Ein kichern entweicht mir, als hätte ich es nicht eh schon vor gehabt. Aber ich wollte ihm die Genugtuung lassen. Müde lehne ich meinen Kopf an die Scheibe und lasse meinen Blick über die Landschaft schweifen welche an mir vorbei zieht. 

Erschrocken zucke ich auf, als Raphaels Stimme in meinen Ohren ertönt. Gänsehaut breitet sich auf meinem Körper aus. Etwas perplex, aber auch völlig verzaubert von seiner rauen und tiefen Stimme blicke ich auf mein Handy. Nie ohne mein Team, steht es auf meinem Bildschirm geschrieben und neugierig studiere ich die Artisten, wo unter anderen, neben John und Maxwell auch Raf Camora geschrieben steht. Stimmt, Mary hatte mir mal was erzählt, als ich ihr Fragen zu deren Musik gestellt habe. Während weiterhin seine Stimme durch meine Kopfhörer ertönt schweifen meine Gedanken an den letzten Samstag zurück. Hätte er mich geküsst, wenn Adriana nicht gekommen wäre? Und warum macht er sich überhaupt an mich ran, wenn er doch eine Freundin hat. Ich hatte schon einmal einen Fremdgeher, noch einen kann ich nicht ertragen und egal wie sehr ich Adriana verachte, sie hätte es auch nicht verdient. Leicht genervt aber auch etwas enttäuscht, schaffe ich es endlich mich zu überwinden und das Lied zu wechseln. Doch kaum verstummt es für einen kurzen Moment, fange ich auch schon an es zu bereuen, denn etwas in mir drinnen möchte ihm stundenlang lauschen. Ich seufze. Bin ich ihm den schon so verfallen?

Montag: 29.11.2021, 14:09 Uhr

Das stehen bleiben des Zuges, zeigte mir das ich angekommen bin, also stieg ich aus und suche nach meinem älteren Bruder Attila und seiner kleinen Tochter Melek. Der fast zwei Meter große Südländer läuft, nach dem er mich in der Menge erblickt, mit seiner Tochter auf dem Arm, auf mich zu. Ein großes Grinsen verziert mein Gesicht und auch bei ihm schleicht sich eins auf die Lippen, "Hey kleine Hexe, lange nicht mehr gesehen". "Hey Papa Schlumpf" begrüße ich ihn lachend und schenke ihm ein liebevolle Umarmung. Nachdem wir uns von einander lösen, nehme ich ihm meine Nichte aus dem Arm und beginne diese zu knuddeln. "Tante Aylin" quietscht Melek rum und mir entweicht ein kichern. "Hey meine kleine" durch das Wort "kleine" tauchten automatisch Bilder von den Treffen mit Raphael auf, als er das damals auch zu mir sagte. Oh Gott was hat dieser Mann nur mit mir angestellt? "Aylin, Wie geht's dir?" fragt mich mein Bruder, während wir auf sein Auto zulaufen. "Es geht, die Sache mit Emir tut noch etwas weh" Das war zum Teil gelogen, ich bin eher völlig verwirrt wegen eines bestimmten Italieners, denn ich noch nicht einmal richtig kenne. "Es wird schon jemand anders kommen. Du hast was besseres verdient", versucht er mich zu trösten und ich nicke ihm nur zu. 

"Anne hat alle wegen dir zum essen eingeladen", erzählt Attila während der fahrt und ich atme nur angestrengt aus. "Musste sie dass genau am ersten Tag machen?" frage ich ihn und er zuckt mit den Schultern. Ich liebte es schon immer das mein Bruder im selben Haus wie meine Mutter lebt, somit war er auch immer da, nachdem er ausgezogen ist. An dem Haus meiner Kindheit angekommen, schaltet Atilla den Motor aus und nimmt seine Tochter aus dem Kindersitzt. Tausende Erinnerungen springen sofort in mein Kopf, wie Atilla und ich früher Prinzessin und Superman gespielt haben. Ich erinnere mich an meine erste Hausparty oder wie wir alle immer gemeinsam am letzten Sommerferientag an einem Lagerfeuer im Garten saßen und Marshmallows grillten. Mein Bruder öffnet die Tür und unser kleiner Rottweiler springt mir schon entgegen. Ich trete ein und begrüße den kleinen Vierbeiner mit einer Streicheleinheit. "Er hat dich genauso vermisst wie wir", lacht meine Mutter, welche am Türrahmen steht und der Rottweiler Sammy stimmt ihr mit einem bellen zu. "Ich hab euch auch vermisst Anne", lächle ich sie an und stehe auf um sie in meine Arme zunehmen. "Du siehst so kaputt aus", gesteht sie und nimmt mein Gesicht in ihre Hände um mich genauer zu betrachten. "Die Fahrt war anstrengend und..." "Nicht diese Art von Kaputt, Ich meine diese Art", unterbricht sie mich und tippt mit ihrem Finger auf meine Brust, um somit auf mein Herz zu deuten. "Es ist alles gut, Anne", versichere ich ihr doch sie sieht mich unsicher an, aber lässt es zum Schluss dabei beruhen. 

"Hey da ist ja meine Yenge", ruft Nuray, die Frau meines Bruders aus dem Wohnzimmer. Lachend falle ich auch ihr in die Arme. Ich bin so unfassbar dankbar für diese Familie, jeder von ihnen ist ein Herzens Mensch und passt perfekt dazu. Außer einer und zwar mein Vater, aber dieser ist schon weg, seit dem ich meine Augen das erste Mal geöffnet hatte. "Ich habe gehört, dass die nächsten Tage die krassesten werden", lacht Nuray und setzt sich aufs Sofa. "Ablenkung klingt gut", grinse ich und spiele währenddessen mit Sammy. "Aylin, die anderen kommen um 18 Uhr, damit du bescheid weißt", gibt meine Mutter von sich und ich hebe als Antwort den Daumen nach oben. "Und hast jemand neuen kennengelernt?", fragt Attila und kassiert ein Schlag von seiner Frau. "Oh ist es zu früh?",  prüft er mich und sieht mich endschuldigend an. "Nein Alles gut, Ich habe ein Haufen neue Leute kennengelernt und ein paar von ihnen sind mir jetzt schon ans Herz gewachsen, aber mit keinem von denen kann ich mir aktuell was vorstellen." 

Nur einer der in meinem Kopf mal langsam Miete zahlen muss. "Wärst du den dafür bereit?", fragt Nuray mich und ich zucke mit den Schultern. Ich vermisse ihn die meiste Zeit schon, aber ich habe bemerkt das ich ihn nicht brauche und die Mädels waren dabei die beste Therapie. "Wir kriegen dein Herz schon repariert Schatz", sprach nun meine Mutter und drückt mir ein Kuss auf meinen Haaransatz. "Danke", lächle ich die drei an und gehe kurz hoch in mein altes Kinderzimmer. Es sah noch gleich aus, die Tapete war immer noch Lila und es hing ein großes Justin Bieber Poster über mein Bett. Der einziger Unterschied ist, damals war es hier niemals so Ordentlich wie jetzt. Ich steckte mein Handy zum laden ein und befördere mich unter die Dusche um mich etwas frisch zu machen und von der Reise zu erholen. Geduscht habe ich nicht lange, denn wir hatten schon 17 Uhr, also kämme ich meine Haare, ziehe mir eine Jeans und ein schönes Top an und benutze etwas Make-up von Nuray um meine Augenringe zu verdecken. Ich laufe anschließend wieder runter, wo man schon das klingeln an der Haustüre wahrnehmen konnte. Somit kann die Katastrophe beginnen. 

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Zwei Fremde (Raf camora FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt