(Aylins Sicht)
Donnerstag: 28.07.2022, 5:30
Mein Wecker zieht mich aus meinen Schlaf und ich seufze genervt auf. Ich hasse es, von dem nervigen Piepen meines Handys geweckt zu werden. Du vermisst Raphaels Stimme, welche dich weckt, ertönt meine innere Stimme und ich versuche sie in die tiefsten Ecke meines Kopfes zu verstauen. Seit wann existiert noch jemand da drinnen? Langsam rappele ich mich auf und steige aus dem Bett. An meinem Kleiderschrank angekommen, wenn man Naomis halb gefüllte Kommode so nennen kann, greife ich nach einer blauen Jeans und einer luftigen Bluse. Danach führe ich erstmal einen Kampf mit meinen Haaren und versuche meine Augenringe, welche meine letzten schlaflosen Nächte darstellen, abzudecken, bis ich aussehe, als würde ich noch leben. Müde laufe ich weiter in die Küche und mache mir einen heißen Kaffee, während ich in unserem Kühlschrank etwas Essbares suche. Leise schleicht sich Naomi in die Küche und setzt sich an den Esstisch. "Machst du mir auch ein Kaffee?", fragt sie verzweifelt und streichelt sich durch ihre zerzausten Haare. Erschrocken zucke ich zusammen und sehe sie fragen an. „Schlecht geschlafen?", erkundige ich mich und stelle eine zweite Tasse unter die Kaffeemaschine, als mein Lebensretter bereits befühlt war. "Ich musste Maxwell von einem Club nachhause fahren", beschwert sie sich und ich kichere. Er hat mir gestern erzählt, dass er eine Club Show hat und hat drauf bestanden, dass ich mitgehe, aber leider stand mir die Arbeit im Weg. "Mami Nao", necke ich sie und halte ihr die Tasse mit ihrem Kaffee unter die Nase. "Er ist wie ein kleines Kind, welches man immer im Auge behalten muss", seufzt sie und nimmt einen großen Schluck daraus, ehe sie zufrieden seufzt.
"Wie hast du es bloß mit Raphael ausgehalten?", fragt sie mich und ich atme tief aus. "Er war nie anstrengend, das war eher ich. Vor allem an Lisas Junggesellenabschied", schwelge ich in Erinnerungen und senke mein Blick nach unten. "Wie fühlst du dich ohne ihn?" Sie sieht mich mitfühlend an und ich zwinge mir ein Lächeln ins Gesicht. „Es ist seltsam, ohne ihn aufzuwachen. Ich hoffe heimlich, dass er plötzlich neben mir liegt und mich mit seinen Küssen weckt, aber so wird es wohl nicht mehr sein", gebe ich bedrückt von mir und nehme einen weiteren Schluck aus meiner Tasse. "Glaubst du, dass zwischen dir und Raphael ein 'Nie wieder' möglich ist?", bohrt sie vorsichtig nach und sieht mich fragend an, doch ich zucke nur mit meinen Schultern und rühre weiter in meiner Tasse rum. "Ich weiß nicht, ob ich ihm wieder vertrauen kann. Was ist, wenn er mich wieder verletzt und ich nur sein Sexspielzeug war. Wie es damals John meinte, ich hätte auf ihn hören sollen", schnaufe ich verärgert und sie nickt mir vorsichtig zu. "Ich kenne Raphael zwar nicht so gut wie du, aber ich denke nicht das er sowas macht", gibt sie ihre Meinung ab und stellt ihre Tasse in die Spüle. „Ich hatte wirklich den Eindruck, dass er dich liebt. Ich fasse es nicht, wie sehr man sich im Menschen täuschen kann." sie fährt sich aufgebracht durchs Gesicht und sieht mich eindringlich an. "Aber wenn er immer noch so sehr in deinem Kopf spuckt, dann bedeutet das, wir müssen ihn von dort vertreiben", bestimmt sie und grinst. "Was soll das bedeuten?", lache ich leicht und blicke in ihre Augen. "Du kommst bald auf die nächste Club Show von Maxwell mit", erklärt sie mir und kichert. "Oh Gott, wann ist sie?", frage ich nach und kippe mir den Rest des Kaffees runter. "Am 13.08. Ich hole die anderen Mädels auch noch dazu", erzählt sie mir von ihrer Idee und nimmt ihr Handy in die Hand. Plötzlich erscheint eine Nachricht auf meinen Smartphone 'Naomi hat die Gruppe "Partyy" erstellt'. "Dein Ernst?", lache ich und sie zuckt unschuldig mit ihren Schultern, während sie über beide Ohren grinst. "Das wird der Hammer!"
Donnerstag: 28.07.2022, 13:29
"Das macht einmal 47,39€", antworte ich dem Kunden und öffne die Kasse, als ich ein Haufen von zerknitterten Scheinen zurückbekomme. Das ist bestimmt schon der zehnte LKW-Fahrer heute, was bei uns eigentlich ziemlich ungewöhnlich ist. Unsere Tankstelle liegt mitten in der Stadt, dennoch bringen sie uns den meisten Umsatz. "Dankeschön", bedanke ich mich, während ich ihm das Restgeld gebe und dafür ein warmes Lächeln von dem älteren Mann erhalte. "Auf Wiedersehen", verabschiedet er sich und nimmt sein Brötchen in seine Hand. "Auf Wiedersehen", lächle ich und schließe die Kasse wieder. Nachdem der Mann die Tankstelle wieder verlassen hat, öffnen sich erneut die Türen und ein neuer Kunde betritt den Laden. Ein Kribbeln breitet sich in meinem Nacken auf, fast wie Elektrizität. Dieses Gefühl hatte ich seit Wochen nicht mehr empfunden. Mein Puls beschleunigte sich und langsam hebe ich den Blick. Höher und immer höher und da stand er plötzlich. Keinen Meter von mir entfernt und sieht in seinem schwarzen Hemd und der schwarzen Hose aus wie ein Gott. Eine dunkle Capi bedeckt seine Haare, dennoch kann ich seinen kleinen Zopf darunter erkennen. Wieso ist er hier? Um mein immer noch zerbrechliches Herz wieder zu verwüsten? Ich hätte schwören können, dass es für eine Sekunde aufgehört hat zu schlagen, als seine honigbraunen Augen auf meine Treffen. Ich hatte ihn seit 5 Tagen nicht mehr gesehen und dieser Anblick von ihm war zu viel für mich. Zu schmerzhaft, zu überwältigend und zu schön um wahr zu sein. Diese Augen, dieses Gesicht, die Art, wie er sich instinktiv auf mich zubewegen wollte, sich aber in der nächsten Sekunde davon abhält. Der Sauerstoff um mich herum wird knapp und mein Kopf setzt völlig aus. Was macht er hier?
"Was willst du hier Raphael?", frage ich, als ich meinen Ex-Freund hinter der Verkleidung enttarne. "Tanken", antwortet er mir und läuft auf mich zu. "Und wieso genau hier?", durchbohre ich ihn und blicke nach draußen, um zu sehen an welcher Säule sein Auto steht. "Ich will mit dir reden und hier kannst du nicht abhauen", gesteht er mir und öffnet seinen Geldbeutel. "Ach, hast du das von meinem Ex Verlobten gelernt?", gebe ich ironisch von mir und prüfe den Betrag, welchen er zahlen muss. "Dann hast du wohl das Betrügen auch von ihm?", füge ich noch hinzu und deute auf den Betrag an dem Monitor. "Du weißt ich verabscheue Emir", erklärt er mir und ich lache auf. "Und trotzdem, bist du genauso wie er." "Amore nein, lass es mich endlich erklären", bittet er mich und hält mir einen Fünfziger Schein hin. "Nenn mich nie wieder so!", erhebe ich etwas meine Stimme und lege das Geld in die Kasse. "Du hast fremdgeküsst und es verletzt mich. Nur Gott weiß, wie weit du gegangen wärst, wäre ich nicht rein gestürmt. Ich dachte ehrlich du wärst anders, aber du bist derselbe Wichser wie Emir, deswegen will ich auch nichts mehr von dir..." "AYLIN!", brüllt Raphael gestresst und haut mit seiner Faust auf den Tressen. Ich zucke erschrocken zusammen und sehe ihn mit großen Augen an. Nach einigen Sekunden stille, fängt er erneut zu sprechen an "Kannst du endlich mit diesen Anschuldigungen aufhören und es mich erklären lassen?", seufzt er verzweifelt. "Dich erklären lassen? Was willst du da erklären!", schreie ich ihn fast schon an und atme tief aus. "Verlasse die Tankstelle", fordere ich ihn auf. "Aylin ich will dich nicht verlieren", gesteht er und ich lache ironisch auf. "Dann hättest du sie nicht küssen dürfen", beschuldige ich ihn und versuche mich zu sammeln. "Das war ein Fehler, ich war nicht ich selbst. Bitte vertrau mir, dass wird nie wieder vorkommen." Er versucht nach meinen Händen zu greifen, doch ich weiche ihm aus. "Du hast recht, das wird nie wieder vorkommen. Jetzt wo wir kein Paar mehr sind." Kurz spiegelte sich Hoffnung in seinen Augen wider, bevor er in der nächsten Sekunde gekrängt den Kopf fallen lässt. "Ich werde mich für immer hassen, dass ich das getan habe." "Dann sind wir ja schon mal zu zweit." Einige Sekunden ist es still und er blickt mir nur schweigend in die Augen. "Also ist es für immer vorbei?", fragt er mit zitternder Stimme. "Wir können uns nicht für immer aus dem Weg gehen. Immerhin haben wir dieselben Freunde", erklärt er mir verzweifelt. Ich sehe in seine Honigbraunen Augen, welche mich einst glauben lassen haben, dass er mich geliebt hat und nicke, "dann sind wir ab jetzt nur noch Freunde."
Ich kann die Enttäuschung in seinen Augen sehen und muss schwer schlucken. Den Mist hast du dir selbst eingebrockt, fährt es mir durch den Kopf und erkenne ein leichtest nicken von ihm. "Ich sollte mal gehen", erklärt er und entfernt sich langsam von der Kasse in Richtung Ausgang "Ja das solltest du", entgegne ich und kann sehen, dass Raphaels Blick nur noch auf den Boden gerichtet ist, als würde er sich schämen. "Tschüss Aylin", verabschiedet er sich und verschwindet in derselben Sekunde aus dem Gebäude. Durch das Fenster kann ich sehen, wie er in sein schwarzes Ferrari einsteigt und für ein Moment nichts macht. Es wirkt so, als wäre er in seinen Gedanken gefangen, bis er sich wieder aufrichtet und den Motor zum Aufheulen bringt. Schnell fährt er von der Tankstelle runter und verschwindet aus der Auffahrt. Dann ist es jetzt also vorbei...es ist offiziell vorbei.
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Zwei Fremde (Raf camora FF)
Fanfiction..."Wir sind nur Freunde, also hat es dich nicht zu interessieren, ob ich die oder eine andere ficke", knurrt er mich wieder an. "Ist das so?" frage ich ihn mit gebrochener Stimme und die Angst vor einer Wiederholung der Vergangenheit ist sichtlich...