4. Kapitel

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     Der nächste Morgen brachte Regen mit sich. Dieser donnerte schon seit Stunden gegen das Fenster und hatte mich aus meinem Schlaf gerissen. Immer wieder hatte ich versucht zu schlafen, ohne viel Erfolg.
     Die Gedanken an Josh und an den Werwolf hatten mich wachgehalten. Es war kein Geheimnis, dass es hier Werwölfe gab. Doch sie zeigten sich selten, eigentlich fast nie in ihrer Wolfsgestalt.
     Die Frage war also, ob es nur reiner Zufall gewesen war, dass ich diesen Werwolf gesehen hatte... aber sie zeigten sich eigentlich nicht am Waldrand. Viele von ihnen lebten hier in der Nähe des Hotels, weit abgeschieden vom Inneren der Kleinstadt. Sie bevorzugten das ruhige Leben in der Nähe des Waldes, was ich ihnen nicht verdenken konnte. Nein, das konnte ich nicht.

     Denn auch mich zog es zum Wald, weg von den Häusern und dem Lärm.
     Was mich wieder zu der Frage brachte, wieso ich diesen Werwolf gesehen hatte. Normalerweise war das nicht üblich. Sie zeigten sich nicht.
     Mit diesen Gedanken bereits aufzuwachen war nicht leicht. Sie verfolgten mich auch beim Frühstück, wo ich von den anderen Gästen genau unter die Lupe genommen wurde. Ein älteres Ehepaar saß nur ein paar Tische weiter rechts von mir und starrte ständig zu mir herüber. So oft, dass ich mich fragte, ob ich etwas im Gesicht hatte.
     Ava aber versicherte mir, dass das nicht der Fall sei und dass sie vermutlich einfach nur einen Tratsch wollten.

     »Beachte die beiden gar nicht. Die beiden tuscheln ständig über die anderen hier anstatt vor ihren eigenen Türen zu kehren«, meinte sie und schenkte mir noch Kaffee nach.
     »Das versuche ich.« Mein Blick glitt umher und ich stellte fest, dass zum Frühstück niemand anderes als Ava arbeitete. Das Hotel war auch nicht wirklich groß. Es war wohl eher mehr ein Hostel. Es hatte ungefähr 20 Zimmer.
     »Arbeitest du hier alleine oder wie?«, hakte ich nach.
     Sie seufzte. »Wie du vielleicht mitbekommen hast ist mein Bruder nicht gerade ein Sonnenschein und eher grummelig. Er hat viele Mitarbeiter vergrault. Erst vor zwei Tagen hat meine letzte Unterstützung das Handtuch geworfen. Er ist... nicht sonderlich nett zu ihnen und zu mir auch nicht.«

     »Hast du ihm das schon mal gesagt?«
     Ava seufzte erneut, diesmal tiefer. Der Laut drückte all das aus, was sie nicht sagte und auch nicht mehr sagen musste. Ich erkannte es in ihrem Gesicht.
     »Das könnte ich alles einer Wand erzählen. Da hätte ich wohl mehr Erfolg.«
     Ihr Rücken versteifte sich, als Schritte ertönten. Sie nickte mir kurz zu, ehe sie zu den nächsten Gästen lief, ehe Max im Speiseraum erschien.
     Mit seinem Auftreten erinnerte er mich fast an den Grinch. Nur dass ich nicht Gefühl hatte, dass man ihm helfen konnte.

     Max' Blick war kalt, scharf und berechnend, während er Ava bei der Arbeit beobachtete. Dabei war sie seine Schwester.
     Sein Blick traf meinen und zum ersten Mal seit gestern fühlte ich mich wieder klein und zerbrechlich. Sein Blick sagte eindeutig was er von mir hier. Trotzdem sah ich ihn weiter an, nicht bereit den Blick abzuwenden, auch wenn es mir kalt den Rücken hinunterlief. Schließlich war er es, der den Blick abwandte.
     Erleichtert atmete ich aus und spürte wie ein Teil sich in mir entspannte. Ein kleiner Moment des Friedens. Dachte ich. Bis ich die Nummer des Büros erkannte, in dem ich momentan arbeitete, die auf meinem Bildschirm erschien.
     Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Es war mein Urlaub. Es war nie ein gutes Zeichen, wenn man angerufen wurde im Urlaub.

     »Guten Morgen«, grüßte ich, als ich abnahm.
     Erst folgte lange Stille, dann hörte ich Miranda, die Sekräterin meines Chefs sagen: »Josh war hier, July. Und er... ich weiß nicht was er erzählt hat aber Mr. Jones will dich entlassen. Deine Kündigung wird noch heute losgeschickt und du wirst gebeten übermorgen hierher zu kommen, um alles aufzuräumen.«
     »W-was?«, stammelte ich. Nein... Josh würde... Josh würde das nie tun. Er wusste, dass ich diesen Job brauchte, wenn ich meinen Traum verwirklichen wollte. Ich hatte nie auf seiner Tasche gelegen und das war der Dank dafür?

Her DestinyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt