3. Kapitel

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     Kalter Wind bließ mir entgegen. Kalte Nadeln schienen sich bei jedem Stoß in meine Wangen zu bohren, was daherkam, dass ich schwitzte. Unter dem Mantel, den ich trug schwitzte ich durch meine beiden schweren Taschen, die ich mittlerweile schon mehrmals abgestellt hatte, in der Hoffnung, dass dies helfen könnte.
     Mein Blick glitt über die Autos hinweg. In unserem kleinen Ort gab es zwei Hotels. Das eine war bereits ausgebucht, was ich mir hätte denken können. Morgen startete im nächsten Ort die Ski-WM. Da kamen immer viele Gäste.
      Meine letzte Chance baute sich gerade vor mir auf. Das letzte Hotel, das mich aufnehmen könnte. Ich betete, dass es ein Zimmer geben würde. Ein Zimmer, in dem ich zumindest schlafen könnte, ohne mir Sorgen machen zu müssen.

      Das Herz schlug mir bis zum Hals, während ich hoffte und betete, dass ich noch ein Zimmer finden würde. Denn daraus bestand meine größte und letzte Hoffnung. Ein Auto hatte ich nicht mehr, kein Zuhause mehr.
     Es störte mich nicht. Der Gedanke daran noch einen Tag länger in diesem Haus zu leben... heute Morgen hätte ich nicht gedacht hier zu stehen und mich so frei zu fühlen wie noch nie. Ich hätte nicht daran gedacht überhaupt noch atmen zu können. Doch hier war ich nun. Ich atmete die Luft der Freiheit und durfte gleich mal lernen wie sich wohl viele schon in ihrem Leben gefühlt hatten.
     Denn konnte ich auf Viv zählen? Nein. Das konnte ich nicht. Und das hatte ein Teil in mir wohl auch immer gewusst.

     Viv hatte sich verändert. Im Laufe der Jahre. Manchmal... da hatte ich sie als meine Freundin schon gar nicht mehr erkannt. Stattdessen war sie eine kühle, berechnende Frau geworden, die ich so nicht mehr erkennen konnte.
     Kaum hatte ich Josh als Freund gehabt, hatte sich etwas geändert. Meine Meinung zu ihr bestätigte sich nun, als sie das dritte Mal innerhalb einer halben Stunde anrief und ich nun drangehen wollte.
     Ich hatte gerade mal über den grünen Button geschoben, schon drang ihre laute Stimme an mein Ohr.

      »Sag mal, Jules? Hast du sie noch alle? Du bist so undankbar geworden! Ich dachte es mir schon heute im Brautgeschäft. Josh tut alles für dich, ist immer für dich dagewesen, behäuft dich mit Geschenken und du? Du wirfst ihm den Verlobungsring an den Kopf? Wofür? Für den Typen da heute? Wann bist du bitte so undankbar geworden?«
      Tief holte ich Luft, versuchte das kochende Blut in meinem Inneren zu beruhigen, versuchte mich selbst zu beruhigen. Denn das musste ich. Ich musste es.
     Denn ich war nicht die Person, die schreien würde. Ich war keine Person, die ihr so wehtun würde. So war ich nicht und würde es auch nie sein.

     Doch gerade zerrte mein Gemüt an mir. All die Wut, die sich über so viel Zeit angestaut hatte, wollte mit einem Schlag aus mir heraus, wollte in die Welt geschrien werden. Noch nicht, sagte ich mir. Noch nicht.
     Dieser Plan würde schiefgehen. Also holte ich noch einmal tief Luft, lies sie in meine Lunge strömen und meinen Kopf frei von bösen Gedanken fegen. Die Luft schien die bösen Worte von meiner Zunge zu saugen, denn als ich nun sprach, war ich ruhig und gefasst.

     »Ich bin ganz gesund, Viv. Mir geht es besser denn je und ich bin froh den Weg zu gehen, den ich schon lange hätte einschlagen sollen. Und ich habe ihm den Ring nicht an Kopf geworfen. Ich weiß nicht, was er dir erzählt hat und wieso er dir das überhaupt erzählt hat, aber ich habe den Ring nicht an seinen Kopf geworfen. Er ist nur in seinem Ego verletzt. Mehr nicht. Und das hat auch nichts mit dem Mann heute zu tun. Josh mag das denken, aber so ist es nicht. Ich hatte schon länger das Gefühl, dass ich mir eine Zukunft mit ihm nicht mehr vorstellen kann und nun ist es einfach passiert. Wenn du das nicht verstehst ist das deine Sache. Ich habe das Gefühl, dass auch wir uns auseinandergelebt haben. Irgendwie zumindest. Das tut mir zwar weh, aber ich muss gestehen dass wir nicht mehr die Freundschaft haben, die wir einmal hatten. Früher hättest du Josh für alles die Schuld gegeben, jetzt fauchst du mich an, ohne mich zu fragen was überhaupt los ist. Und das tut verdammt weh. Wie dem auch sei. Es ist mir eigentlich egal, was du von mir denkst. Ich bin glücklich mit meiner Entscheidung und selbst wenn ich den Weg, den ich gerade eingeschlagen habe, alleine gehe, so weiß ich doch, dass ich glücklicher sein werde als jetzt. Ich wünsche dir noch ein schönes Leben, Viv.«

Her DestinyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt