2. Kapitel

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     Die ganze Fahrt über hatte Viv mich schief von der Seite angesehen, wenn sie nicht gerade wieder mit dem Blumengeschäft gestritten hatte. Mittlerweile hatte sie ein neues Geschäft gefunden, dass diese Lieferung gerade noch rechtzeitig fertig bringen würde.
     Trotzdem erfreute ich mich daran nicht. Sie alle stürzten sich in diese Arbeit während ich... während ich nicht vorhatte vor den Altar zu treten. Viv schien diese Veränderung in mir gespürt zu haben, denn bis jetzt hatte sie schon drei Witze über kalte Füße gerissen. Drei sehr schlechte Witze, die die eisige Stimmung im Wagen nicht hatten heben können.
      Im Gegenteil. Ich hatte... ich war einfach zu tief in Gedanken versunken. Doch ein Gedanke gab sich mir klar. Ich würde nicht heiraten. Nein, das würde ich nicht. Vermutlich musste irgendetwas anderes mit dieser Party passieren.

     Nur was... vollkommen in Gedanken blickte ich aus dem Fenster. In der Ferne leuchteten die Bergspitzen weiß im Sonnenlicht. So nah und doch so fern... von meinem Fenster aus Zuhause konnte ich sie nicht sehen. Josh hatte das Haus so bauen lassen, dass man mitten in die Stadt blicken konnte, anstatt in den Wald und in die Berge. Dorthin, wo es mein Herz zog. Wie von selbst öffnete ich das Fenster.
      Der kalte Wind der von den Bergen kam zog an meinen Haaren und strich eisig über mein Gesicht, doch für mich fühlte es sich wie eine Liebkosung an. Ein Ruf.
     Der Wind schien zu flüstern: Komm. Komm her.

      Doch ich konnte nicht. Gerade bestand mein Gefängnis aus einem teuren Mercedes ML. Später würden es wie vielen Wände der Villa sein, in der ich lebte. Ich war den Bergen so nah und doch so fern.
     Ich starrte die Bergspitzen an und versuchte eine Antwort auf meine Frage zu finden. Versuchte herauszufinden was ich mit der Feier machen konnte, ohne die Arbeit aller anderen wegzuwerfen wie ein undankbares Kind.
     Mir hätte es ja auch früher einfallen können, nicht wahr? Mir hätte auffallen sollen, dass ich gezögert hatte. Ich hatte gezögert. Und wie ich gezögert hatte bei dem Antrag damals. Doch es war mir normal vorgekommen. Normal angesichts der Tatsache, dass es Josh Adams war, der mir einen Antrag machte. Jetzt aber konnte ich die Zeichen besser deuten. Es waren Zweifel gewesen.

      Zweifel, die sich sehr lange angestaut hatten und ich jetzt gerade äußerten. Momentan bestand ich nur aus ihnen. Aus puren Zweifeln, die ich nicht abstellen konnten. Nein. Eigentlich waren es keine Zweifel mehr. Es war Wissen. Ein Wissen, dass mir sagte, dass ich nicht glücklich werden würde.
      Denn das würde ich nicht. Ich war es jetzt schon nicht. Wieso sollte ich also glücklich sein, nur weil wir uns das Ja-Wort gaben? Das würde mich nicht glücklicher machen. Es würde mich nur einsperren. Ich selbst würde mich einsperren und zu allem Ja und Amen sagen, nur weil ich nicht schwierig sein wollte.
      Josh hatte es einmal gesagt. Als ich sehr lange gebraucht hatte um eine Entscheidung bei der Location für unsere Hochzeit zu treffen. Er hatte damals gesagt, dass ich nicht so schwierig sein sollte, schließlich müssten unsere Planer und Planerinnen ihren Job machen. Und dann hatte er einfach über meinen Kopf hinweg entschieden, weil es schnell gehen musste, da er noch ein wichtiges Meeting mit einem Chef aus China gehabt hatte.

      Das war mir damals sauer aufgestoßen, doch ich hatte es runtergeschluckt. Momentan fiel mir auf, wie viele Dinge ich runtergeschluckt hatte. Dinge, die ich bereute nicht gesagt zu haben. Denn das wäre so verdammt wichtig gewesen.
     Als jemand auf meine Schulter tippte, niemand geringer als Viv, erwachte ich aus meiner traceartigen Haltung und sah sie an. Ihre Stirn war gerunzelt, während sie mich betrachtete. Sie deutete nach draußen, ihr rotlackierten Nägel schimmerten im Licht der Innenbeleuchtung des Autos, was mir schon verriet, was sie gleich sagen würde.
     »Wir sind da. Wo bist du denn in Gedanken?«
      Erst jetzt bemerkte ich den kalten Luftzug, der um mein Gesicht wehte und um meine Beine. Mein Leibwächter hielt die Tür auf und schien wohl darauf zu warten, dass ich endlich ausstieg.

Her DestinyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt