25. Kapitel

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     Irgendwann hatte die Dunkelheit doch ein Ende. Sanders kletterte erneut nach oben und öffnete eine Luke. Mal wieder. Diesmal führte sie schon wieder in den Wald. Sanders stieg als erster hinaus und half mir dann nach oben. Unsicher und voller Angst sah ich mich um. Nur um festzustellen, dass alles in Ordnung war. Niemand war hier. Ich konnte von hier aus sogar das Haus sehen. Das große Anwesen. Und ich konnte auch das Rudel sehen, dass die Grenze patrollierte. Als sie uns sahen, rannten zwei von ihnen auf uns zu. Sanders schien per Gedanken mit ihnen zu kommunizieren, denn alle drei sahen sich ernst an und nickten sich dann zu. Gut. Das war gut. Sanders drückte erneut meine Hand und dann liefen wir auf das Haus zu.
     Ich sah in den Wald. Niemand zeigte eine Regung oder auch nur ein Anzeichen von Sorge. Was mir sagte, dass alles in Ordnung war. Alles war in Ordnung. Fürs Erste. Bis es bald nicht mehr in Ordnung sein würde.
     Die Stunden vergingen. Doch Kane kam nicht. Sie versicherten mir alle, dass es ihm gutging. Dass alles gut war. Doch ich glaubte ihnen nicht. Nicht, so lange ich ihn nicht selber sehen konnte. Doch das konnte ich nicht. Er war nicht da. Er war einfach nicht da.
     Erst war es eine Stunde. Dann zwei. Dann drei. Und ehe ich mich versah waren es fast vier Stunden. Meine Nerven drohten durchzudrehen. Ich war alles andere als entspannt. Überhaupt nicht entspannt. Alles drehte sich. Und die anderen? Sie schienen entspannt. Weil sie per Gedanken mit Kane kommunizierten. Ich aber nicht. Ich konnte das nicht.

     Und mit jeder weiteren Minute die verstrich, stieg auch die Wut in mir. Die Wut auf Kane, weil er mich einfach so rausgeschubst hatte. Einfach so. Ohne zu zögern. Ich hasste es. Hasste es, dass ich nicht wusste was Sache war. Hasste es, dass Kane einfach nicht da war. Egal, was ich versuchte. Egal, was ich dachte.
     Nervös lief ich auf und ab. Der Boden musste sicher bald schon ein Loch haben. Irgendwo. Doch ich konnte nicht aufhören. Nicht, wenn ich nicht wusste wo Kane war. Wie es ihm ging. Ava warf mir immer wieder einen Blick zu. In ihren Augen lag das, was sie nicht sagte. Sie wollte mir zeigen, dass alles in Ordnung war. Dass mir nichts passieren würde. Doch das war nicht der Fall. Das war einfach nicht der Fall. Denn ich wusste es ja nicht. Wusste nicht, was mit Kane war. Und je länger ich es nicht wusste, desto heißer wurde mir. Ich wollte nur, dass alles in Ordnung war. Dass alles gut werden würde. Das wollte ich.
     Mit jeder Minute wurde die Wut in mir größer. Ich war wütend. So verdammt wütend. Dabei war mir ja klar, dass Kane nicht unbedingt etwas dafür konnte. Er versuchte nur für mich da zu sein. Mir zu helfen. Mir und den anderen. Trotzdem wollte ich nicht, dass er alleine da draußen war. Ich wollte nicht, dass ihm etwas passierte.
     Ava stellte mir einen Teller vor die Nase. Dampfende Nudeln standen vor mir, doch der Hunger blieb aus. Ich hatte keinen Hunger. Allein die Vorstellung jetzt etwas zu essen... nein. Einfach nein. Das wollte ich nicht. Konnte ich nicht.
     Ich konnte nichts essen. Kane war in Gefahr. Ava schob ihn noch näher zu mir, als sie erkannte, dass ich mich nicht rührte, doch es änderte nichts. Ich rührte den Teller nicht an. Nicht bereit etwas zu essen.

     Da lag ein Flehen in Avas Augen, doch ich konnte mich nicht dazu aufbringen die Nudeln anzurühren, egal wie sehr sie diesen Dackelblick aufsetzte. Ich schaffte es nicht. Ich schaffte es einfach nicht. Ich wollte... ich wollte so viel und doch konnte ich es nicht. Schaffte es nicht. Weil der Hunger nicht da war. Mein Magen war gefüllt von dem Kribbeln der Angst.
     Nein... das war kein Kribbeln. Das waren schwere Steine, die mir im Magen lagen und mir das Leben erschwerten. Sie erschwerten mir das Leben und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Wie ich damit weiter verfahren sollte. Ich wusste es nicht. Und würde es auch nie wissen. Alles war so... schwer.
      Atmen war schwer, Denken war schwer. Die Zeit bewegte sich nun nur noch sehr langsam. So langsam, dass ich nicht wusste, was ich davon halten sollte. Die Zeit schien still zu stehen. Die Zeiger bewegten sich nicht. Stattdessen hörte ich nur meinen lauten Herzschlag und das Pulsieren meines Blutes. Mehr nicht. Mehr hörte ich nicht.
     Ich hasste dieses Unwissen. Das Unwissen darüber, wie es Kane ging. Wo er war. Ich musste es wissen. Musste wissen, was in ihm vorging. Musste wissen, was mit ihm los war. Das musste ich wissen. Ich musste es einfach wissen.
      Kane aber kam nicht. Egal wie sehnsüchtig ich auf die Tür blickte. Sanders und Ava waren die einzigen, die mit mir im Haus waren. Die anderen schienen überall verteilt zu sein, um ihm zu helfen. Überall verteilt. Nur wusste ich nicht, was mir das helfen sollte. Ich wusste es einfach nicht. Die Welt schien sich zu drehen.
     Überall. Die ganze Zeit. Auch, wenn ich hier saß und darauf hoffte, dass alles gut werden würde. Es wurde nicht wieder alles gut. Es wurde einfach nicht gut. Egal, wie sehr ich hoffte, dass alles wieder gut werden würde. Es wurde nicht gut. Nichts wurde wieder gut.

Her DestinyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt