Das Haus der Novizen - 2

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Die Schiebetür zum Speisesaal stand weit offen, fröhliches Stimmengewirr und Gelächter schlug ihnen entgegen. Neben der Tür standen mehrere dutzend Stiefel, die als Zeichen des Respektes und der Dankbarkeit vor dem Betreten des Speisesaales ausgezogen werden mussten. Rasch streifte Sirion seine Schuhe ebenfalls ab und stellte sie daneben.

Als die drei schließlich eintraten, stellten sie fest, dass die meisten der Novizen bereits auf ihren Plätzen saßen. Eine Vielzahl niedriger Tische stand auf den dicken und flauschigen Teppichen, welche den Boden bedeckten. Die Novizen hockten auf Kissen oder kleinen Schemeln und blickten wartend zu den Meistern hinüber, die um einen eigenen Tisch in der Mitte des Raumes herum saßen.

Eilig lief Sirion gefolgt von den Zwillingen zu der Essensausgabe an der linken Seite des Saales, wo der Durchgang zur Küche war. Dort reihte er sich in die bereits recht kurze Schlange ein und bekam wenig später eine hölzerne Schüssel mit gerösteten Nüssen und einem Beerenkompott in die Hand gedrückt.

Nach kurzem Suchen hatte er noch einen komplett freien Tisch gefunden. „Dort drüben.", sagte er zu Alvad und Alvia, die nach ihm ihr Essen bekommen hatten. Sie gingen durch den Raum und ließen sich auf den Kissen nieder.

Sie saßen erst wenige Augenblicke, als andere Novizen aus ihrer Gruppe auf sie zugingen.
Sirion erkannte Runam, die die Elfe stützte, die vor ihnen gestürzt war. Auf Runams fragenden Blick hin, deutete er auf die freien Kissen und die beiden setzten sich zu ihnen. Der rothaarige Elf, der Sirion schon mehrmals aufgefallen war, stand neben einer anderen Elfe mit flammend rotem Haar. Als er Sirion am Tisch sitzen sah, zog er seine Begleiterin auf die andere Seite des Raumes, nicht ohne Sirion einen zornigen Blick zu zu werfen.

Verwirrt tauschte Sirion einen Blick mit Alvia, die leicht die Schultern zuckte. Zwei weitere junge Elfen aus ihrer Gruppe setzten sich eben zu ihnen, ein Elf mit dunkelblondem Haar und einer leicht hakenförmigen Nase und ein braunhaariger, recht kleiner Elf, der ihnen verschüchtert zu lächelte.

Als sich eben einer der Meisterinnen von ihrem Tisch erhob, kam noch ein rothaariger Jugendlicher eilig auf sie zu gelaufen und hockte sich zu ihnen, einen besorgten Blick auf die Meister werfend, ob sie sein spätes Ankommen bemerkt hatten. Als er jedoch feststellte, dass niemand ihn deswegen tadeln wollte, warf er der Tischrunde ein breites Grinsen zu.

Alle Blicke richteten sich nun auf die Meisterin, die sich im Saal umsah. Ihr Haar war fast vollständig weiß und hing in mehreren komplizierten Zöpfen über ihren Rücken. Wie auch die anderen Meister war sie in volle Rüstung gekleidet und trug ihre Waffen bei sich.

„Arvia lehrte uns sieben Tugenden, nach denen wir leben sollen: Gerechtigkeit, Demut, Mut, Ehre, Güte, Wahrhaftigkeit und Treue. Lasst diese Nacht, wie auch jede andere eures Lebens, im Zeichen dieser Tugenden stehen.", sagte sie mit klarer und heller Stimme.

Dann ließ sie sich wieder auf ihrem Platz nieder und die Novizen um Sirion herum begannen, zu essen.
Hungrig machte Sirion sich über sein Essen her. Als er nach dem auf dem Tisch bereitstehenden Kastanienbrot, griff entwickelten sich um ihn her die ersten Gespräche unter seinen Mitnovizen.

Der Elf, der beinahe zu spät gekommen war, stellte sich als Torren vor. Er wandte sich zu den Zwillingen und fragte: „Wann denkt ihr, werden wir mit dem Kampfunterricht beginnen?"
Alvad zuckte die Schultern, als sich der blonde Elf einmischte. „Hoffentlich bald.", sagte er, „Allerdings erzählte man mir, dass wir am Anfang nur Formen und Grundbewegungen lernen."
„Wer hat das gesagt?", bohrte Torren nach und sein Gegenüber, Eyolf, gab bereitwillig Auskunft, dass er seinen älteren Bruder, der mittlerweile den Rang eines Meisters trug und im Haus der Krieger lebte, zu der Ausbildung befragt hatte.

Während die beiden sich darüber austauschten, dass sie doch gerne früher schon mit dem eigentlichen Kämpfen beginnen würden, unterhielt sich Alvia mit dem braunhaarigen Elfen, der den Namen Larsol trug.
Sirion wandte sich dem Mädchen zu, das er und Runam beim Trainingslauf gestützt hatten.
„Wie heißt du eigentlich?", fragte er sie.
„Almina.", erwiderte sie mit einem Lächeln, „Danke, dass ihr mir eben geholfen habt."
„Wie geht es deinem Bein?", erkundigte sich Sirion besorgt.
Sie hob die Schultern. „Es geht.", sagte sie, „Runam meinte, ich solle heute noch die Heiler aufsuchen."
Runam neben ihr nickte mit Nachdruck und Sirion warf ihr einen kurzen Blick zu. Dabei fiel ihm der seltsame Elf mit den roten Haaren wieder auf, der einige Tische entfernt saß.

Die Nachtelfenchroniken - Der sterbende WaldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt