Eine alte Fehde - 1

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In der Nacht, in der Sirion gemeinsam mit den anderen Novizen seiner Kaste zum Arviaheiligtum klettern sollte, erwachte er besonders früh. Den ganzen Tag über hatte er nicht sonderlich ruhig schlafen können. Ohne nach dem Stundenglas zu schauen wusste er, dass es noch deutlich zu früh am Abend war. Da er keine Ruhe mehr finden würde, erhob er sich und schlich leise, um Adano und Arula nicht zu wecken, aus dem Raum.
Mit einem Stück Maronenkuchen aus dem Vorrat trat er vor die Tür. Blinzelnd beschirmte er seine Augen mit der Hand. Es war unangenehm hell, aber dank der langsam einsetzenden Dämmerung nicht so hell, dass er einen Tagseher bräuchte.
Einen Moment stand er da und genoss die Ruhe des frühen Abends. Kühl wehte der Wind und einige Blätter trieben an ihm vorbei. Es roch nach frischem Regen, scheinbar hatte es tagsüber geregnet. Bald würden die Monde aufgehen und dann würde er sich von Adanos Familie verabschieden. Sein Blick wanderte an den Wurzeln empor, wo er bald den gefährlichen Aufstieg zum Arviaheiligtum wagen musste.
Ein wenig unwohl verschränkte er die Arme vor der Brust und kaute auf seiner Lippe herum. Würde er die Aufgabe, die heute von ihm erwartet wurde, schaffen? Eigentlich musste er sich die Frage gar nicht stellen. Es blieb ihm keine andere Wahl. Meister Tarbek wartete dort auf sie. Er schluckte und versuchte, seine Nervosität nieder zu ringen.
Ein plötzliches Geräusch ließ ihn herum fahren und alarmiert blickte er zum Wald, wo es zwischen den Bäumen und Büschen raschelte. Instinktiv wich Sirion an die Hauswand zurück, den Blick unverwandt auf die Quelle des Geräusches gerichtet.
Da teilten sich die Zweige und ein wahrhaft riesenhaftes Tier erschien. Mit angehaltenem Atem starrte Sirion es an. Unvorstellbar groß, das Haar von der Farbe der Baumrinde, auf vier dünnen, stelzenartigen Beinen, näherte es sich ihm. Der Kopf schwenkte herum, eine mächtige Krone tragend. Es war ein Hirsch, oft genug erblickte er sie von hoch oben in der Baumkrone, wenn sie durch den Wald zogen. Doch nie hatte er einen so nahe gesehen.
Fasziniert verfolgte er, wie das Tier auf den Baum zuging und dann den Kopf senkte, um am Boden nach Futter zu suchen. Das Geweih war nun auf der Höhe Sirions, der in Ehrfurcht erstarrt war. Als wäre der Hirsch sich plötzlich gewahr geworden, dass er nicht allein war, hob er den Kopf wieder und seine tief dunklen Augen erfassten den jungen Krieger. Einen kurzen Moment sahen sich Hirsch und Nachtelf unverwandt an, dann erklangen plötzlich Stimmen hinter Sirion im Haus. „Hat jemand Sirion gesehen?"
Das Tier scheute, drehte sich um und galoppierte mit hoch erhobenem Haupt davon.
„Sirion, bist du hier draußen?"
Diara öffnete die Tür und streckte suchend den Kopf heraus. „Da bist du ja! Komm rein, es ist bald soweit und du solltest noch etwas essen."
Ein kurzes aber kräftigendes Frühstück später stand Sirion erneut in der kalten Abendluft. Mittlerweile war die Sonne vollkommen untergegangen. Hoch über ihnen standen bereits die schmale Sichel Synnveas und Arvia als Vollmond. Ruka würde bald aufgehen.
Diara umarmte Sirion herzlich, dann schlang Arula ihre Arme um den Elfen. Synnvor verabschiedete sich mit einem Klopfen auf die Schulter und schließlich zog Adano Sirion kurz an sich.
„Vergiss uns nicht! Und nun einen guten Aufstieg dir! Pass auf dich auf!", sagte er und mit einem letzten Lächeln für sie alle wandte Sirion sich ab. Er verließ die Veranda des Hauses und betrat den schmalen Pfad an der Wurzelwand. Mit kurzem Griff versicherte er sich, dass sein Gepäck sicher auf seinem Rücken verzurrt war und sich nicht lösen würde, dann drehte er sich zu der Steilwand neben sich. Kurz glitt sein Blick an der Wurzelwand entlang und weiter nach rechts oben, wo er sie Treppe zum Arviaheiligtum erkennen konnte, welches selbst hinter der Biegung des Stammes verborgen war.
Der Aufstieg würde viel Zeit in Anspruch nehmen.
Er sandte ein kurzes Stoßgebet an Arvia und auch an Synnvea, dann streckte er die Hände nach dem Holz aus, suchte sich einen Halt mit den Fingern, setzte den Fuß auf einen kleinen Vorsprung und begann, zu klettern.
Diesen Abschnitt kannte er bereits gut und so konnte er einfach der gewohnten Route folgen, die er sonst auch immer mit Adano und seiner Familie genommen hatte. Frohen Mutes kam er gut voran. Seine Hände und Füße fanden fast von selbst die bekannten Griffe und Vorsprünge.
Wieder einmal freute er sich darüber, wie sehr sein Körper sich in den letzten Wochen an die Belastung durch das Klettern gewöhnt hatte. Wochenlange Muskelkater und Plackereien unter Adanos Anleitung hatten sich ausgezahlt.
Recht schnell erreichte er den Wurzelkamm und stemmte sich auf den Vorsprung. Einen Blick zurückwerfend richtete er sich auf. Ein kalter Windstoß fuhr ihm durchs Haar, als er hinab blickte, wo Adanos zuhause einem Schwalbennest ähnlich an der Wurzelwand klebte. In Erinnerungen an die letzten Wochen versunken lächelte er.
Dann drehte er sich um und folgte dem Wurzelkamm in Richtung Stamm.
Eine Weile konnte er laufend der Wurzel folgen, dann stieg der Kamm jedoch so steil an, dass es besser war, die Wurzel an der Seite entlang kletternd zu erklimmen. Also suchte er sich eine Stelle, wo er guten Halt fand und kletterte dann weiter nach oben.
Es dauerte eine Weile, bis er der Wurzelkamm wieder so flach wurde, dass er einen Vorsprung bot, auf dem Sirion sitzend eine kurze Pause einlegen konnte. Nachdenklich wanderte sein Blick an den Wurzeln und dem Stamm entlang, auf der Suche nach einer guten Route. Das Arviaheiligtum lag seitlich von ihm, er würde also am besten einer Querverbindung der Wurzeln folgen und dann erst direkt Kurs auf den Stamm nehmen.
Er erhob sich und wollte eben weiter, als hinter ihm jemand seinen Namen rief. Überrascht wandte er sich um und erkannte freudig die Zwillinge Alvad und Alvia zu ihm empor kletternd. Sie mussten einer Querverbindung zu der Wurzel gefolgt sein, wo er sich nun befand und stiegen diese an der anderen Seite empor. Es wunderte ihn nicht, dass die beiden zusammen unterwegs waren. Sicher hatten sie schnell in Erfahrung gebracht, wo der jeweils andere in den letzten Wochen gelebt hatte und sich an diesem Abend erstmal getroffen und gemeinsam auf den Weg gemacht.
Er grinste ihnen strahlend entgegen. Es tat so gut, sie wieder zu sehen. Selten hatten sie einander getroffen, meist waren es nur kurze Begegnungen gewesen auf, bei denen in der Regel die Zeit für eine richtige Unterhaltung gefehlt hatte.
„Sirion!"
Freudig fiel Alvia ihm um den Hals, Alvad boxte ihm lachend gegen den Oberarm.
„Wie schön, euch zu sehen!", grüßte Sirion die beiden. Sein Blick fiel besorgt au Alvias Arm, der in Bandagen war. „Was ist bei dir passiert?", fragte er.
„Ach", sie winkte ab, „Ich bin vorletzte Woche gestürzt. Aber nicht so schlimm, ich kann ohne Probleme klettern. Hat nur ordentlich geblutet." Sie lachte kurz auf.
„Wir sahen dich hier sitzen und dachten, dann können wir doch zu dir kommen und gemeinsam weiter klettern", erklärte Alvad mit unternehmungslustig funkelnden Augen.
„Super Sache", erwiderte Sirion, „Habt ihr schon eine Idee, wie wir weiter gehen sollen?"
Alvad deutete auf eine hohe Brettwurzel, die von ihrer Wurzel schräg auf den Stamm zulief und dort in eine weitere Wurzel mündete. „Lasst uns da lang gehen. Wir müssen sowieso noch ein Stück um den Stamm herum", schlug er vor.
Die anderen beiden nickten und so machten sie sich auf den Weiterweg. Zu dritt suchten sie sich einen Weg an der Seitenwand dieser Wurzel hinauf, bis sie auch deren Kamm erreicht hatten, dem sie glücklicherweise fußläufig folgen konnten.
Auf diese Weise querten sie noch zwei weitere geradlinig vom Stamm weglaufende Wurzeln und konnten schließlich einen Blick auf das Arviaheiligtum über ihnen werfen.
Ein kurzes Lächeln huschte über Sirions Züge, als er dort hinauf sah. Das Gefühl, bald wieder zuhause zu sein, breitete sich in ihm aus. Noch waren sie nicht genau unter dem Heiligtum, doch es würde nicht mehr lange dauern.
Er drehte sich um, doch das Viertel, in dem Adano lebte, war bereits ihrem Blick entschwunden. Doch stattdessen erblickte er freudig Runam, Ylva, Eyolf und Valmedar, die auf sie zukamen. Eyolf winkte und so warteten sie einen Moment, bis die anderen sie eingeholt hatten. Nach einer kurzen, aber fröhlichen Begrüßung wandten sich ihre Blicke dem Ziel über ihnen zu.
„Es ist so unglaublich hoch...", meinte Ylva etwas eingeschüchtert.
„Fällt es auf, wenn wir ein Stück die Treppen nehmen?", schlug Eyolf halbherzig vor.
„Ich vermute, das wird man sehen", brummte Alvad, der mit gerunzelter Stirn den Stamm empor sah.
Sie tauschten missmutige Blicke, dann gingen sie weiter.
Schließlich standen sie auf einem Vorsprung direkt am Stamm, zwischen zwei hohen Wurzeln, die hier in den Baum mündeten. Direkt über ihnen lag die Plattform mit der Statue Arvias, ihr Ziel.
Ob Meister Tarbek schon wartete?
„Seht mal da hinten!", rief Runam plötzlich und deutete dorthin, wo sie eben noch gemeinsam gestanden hatten. Dort war eben eine andere Gruppe Novizen angekommen, die sich offenbar entschieden, hier schon den Hauptaufstieg zu beginnen.
„Wäre es vielleicht geschickter, dort hochzugehen?", fragte Valmedar in die Runde.
„Also ich geh nicht zurück!", warf Sirion ein.
Er blickte zu der Gruppe hinüber und meinte Sylires Blondschopf zu sehen. Waren das Lelia und Nymo noch bei ihr?
„Na los!", kam es dann ungeduldig von Eyolf, „Warten macht es nicht besser!"
Runam nickte bestätigend und die beiden machten sich gemeinsam an den Aufstieg.
„Wir sehen uns oben!", rief Runam munter ihnen zu. Mit einem Seufzen folgte ihnen Valmedar und auch Ylva.
Sirion, Alvad und Alvia tauschten einen nervösen Blick, warteten aber noch einen Moment, um etwas Sicherheitsabstand zwischen sich und den anderen zu lassen.
„Angst vorm Aufstieg?", erklang eine spöttische kalte Stimme hinter ihnen, eine Stimme, die Sirion in den letzten Wochen wahrlich nicht vermisst hatte.
Instinktiv legte er die Ohren an und drehte sich um, die scharfen Zähne gebleckt. Eynar stand hinter ihnen, die Arme selbstsicher vor der Brust verschränkt und sein übliches, selbstverliebtes Grinsen im Gesicht. Wie zu erwarten war, stand Femkana direkt hinter ihm.
Alvia fauchte leise und setzte schon zu einer Erwiderung an, doch Eynar schob sich grob an ihnen vorbei und setzte seinen Fuß an den Stamm. „Komm Femkana, wir sind spielend vor den dreien oben", meinte er zu seiner Begleiterin und begann zu klettern. Femkana warf den Zwillingen und Sirion nur einen überheblichen Blick zu und folgte ihm.
Sirion stieß gereizt die Luft aus und sah ihnen nach.
„Vielleicht stürzt Eynar ja ab", murmelte Alvia hoffnungsvoll. „Ihn habe ich wirklich nicht vermisst", brummte Sirion.
Eynar und Femkana waren schnell und geschickt, sodass Alvias Hoffnung sich wohl kaum bestätigen würde. Bald waren sie ein gutes Stück über ihnen, sodass Sirion schließlich nach Halt am Stamm suchte und dann die letzte Etappe des Aufstiegs begann.
Schritt für Schritt kletterte er nach oben. Konzentriert stimmte er seinen Atem mit seinen Bewegungen ab, mühte sich ein Tempo zu halten, das ihn nicht zu schnell ermüden würde. Mit pochendem Herzen drückte er sich so eng wie möglich an den Stamm. Ein Sturz wäre fatal.
Unter ihm kletterten die Zwillinge. Er hielt sich davon ab, nach ihnen zu schauen, denn er hatte gelernt, dass ein Blick in den Abgrund den Kletternden zu lähmen vermochte.
Weiter und weiter ging es. Im steten Rhythmus seines Atems suchte er Griffe für seine Hände, kleine Vorsprünge und Kanten für seine Füße, zog und stemmte er sich seinem Ziel entgegen. Doch noch immer war das Arviaheiligtum so weit weg. Unerreichbar erschien es ihm.
Das Zeitgefühl hatte er längst verloren. War es gerade erst Mitternacht oder näherte sich schon der Morgen?
Jeglicher Gedanke war bald ausgelöscht. Seine Gliedmaßen brannten und zitterten vor Erschöpfung. Jeder Schritt wurde zur Qual.
Suchend tasteten seine Finger über ihm nach einer weiteren Möglichkeit, sich zu halten. Doch er fand nichts. Fahrig rutschten sie über die Rinde, mittlerweile schweißnass trotz der Kälte der Nacht.
Keuchend hing er am Stamm, sein Herz raste und Panik drohte in ihm aufzukommen. Er wusste nicht weiter. Und er war so ausgelaugt und geschwächt. Sein Blick irrte über ihm hin und her. Doch er fand keine Möglichkeit, wie er weiter klettern konnte.
„Ich weiß nicht weiter!", rief er ängstlich den Zwillingen zu.
Adano hätte weiter gewusst, da war er sich sicher. Den Weg des Baumes konnte er sehen, wie er es genannt hatte. Und er hatte Sirion versichert, dass er mit der Zeit lernen würde.
Doch noch nie hatte Sirion so sehr an Adanos Worten gezweifelt wie jetzt.
Angst lähmte sein Denken.
„Sirion!", erklang da Alvias Stimme unter ihm, „Komm etwas runter und dann nach rechts! Da geht es!"
Mühsam seinen Atem wieder unter Kontrolle bringend, ließ Sirion sich von den Zwillingen ein Stück wieder nach unten leiten, dann folgte er dem Fingerzeig der Elfe wieder nach oben.
Weiter ging es, die Schmerzen in seinem Körper missachtend, die Gedanken einzig darauf ausgerichtet, um jedes bisschen handbreit an Höhe zu kämpfen. Er hob den Blick und tatsächlich war das Arviaheiligtum ihnen deutlich näher gekommen. Hoch mussten sie nun sein, weit über den Häusern und Feldern der Synnveakaste.
Und nur ein kleines Stück über ihnen, da war eine Kante, ein kleiner Vorsprung, der sicheren Halt, und vielleicht sogar genug Platz für eine kurze, lang ersehnte Rast bot.
Mit frischem Mut kletterte er weiter. Dort würde er kurz ausruhen können, bevor es das letzte Stück zum Heiligtum hinauf ging.
Da tauchte plötzlich Eynars Kopf über der Kante auf. Hinter dem Elfen konnte Sirion Femkana erkennen, die weiter in die Höhe kletterte. Eynar jedoch sah zu ihm und den Zwillingen herab, die schwarzen Augen voll abgrundtiefen Hasses. Kurz zog sich der Elf etwas zurück und schien auf dem Vorsprung etwas zu hantieren, dann warf er einen letzten Blick nach unten und kletterte weiter.
Zu erschöpft, um sich über Eynars Verhalten Gedanken zu machen, stemmte Sirion sich ein Stück höher und streckte seine Hand nach dem Vorsprung aus. Bald geschafft... Seine Muskeln schrien vor Schmerzen, als er sich in die Höhe zog.
Ein Knirschen im Holz...
Und mit einem Mal verlor Sirion den Halt.
Die Kante, an der er sich eben noch hochgezogen hatte, brach ab und er kippte nach hinten. Sein Schreckensschrei blieb ihm im Hals stecken, als seine Füße an Halt verloren und er begann, den Stamm entlang zu schlittern. Panisch suchten seine Hände nach einem Griff, nach irgendetwas, was seinen Sturz verhindern würde. Doch sie rutschten ab, er rutschte nach unten, drohte in Rückenlage zu geraten und unaufhaltsam in die Tiefe zu trudeln.
Er schrie. Sein Herz hörte auf zu schlagen, als er nach hinten kippte...und sein Sturz plötzlich aufgehalten wurde.
Alvad und Alvia hatten es geschafft, jeder einen seiner Ärmel zu greifen und ihn so am Baum zu halten.
„Sirion!", brüllte Alvad.
Die beiden Zwillinge schwankten bedrohlich. Es bedurfte ihrer gesamten Kraft, sich und Sirion am Absturz zu hindern. Schon gerieten ihre Finger gefährlich ins Rutschen.
Sirion reagierte instinktiv. Er presste sich an das Holz und packte die erstbeste Stelle, die ihm immerhin etwas Halt gab, um die Zwillinge zu entlasten.
„Was ist passiert?", rief Alvia, ihre Stimme überschlug sich vor Angst, „Sirion! Geht es dir gut?"
Er konnte nicht antworten. Sein Herz raste. Tränen schossen in seine Augen und er zitterte am ganzen Leib. Von Todesangst erfüllt klammerte er sich an den Baum, sein einziger Halt vor dem Sturz in den Tod.
Er hörte, wie die Zwillinge auf ihn einredeten, doch ihre Stimmen verklangen zu einem undefinierten Rauschen. Ihm wurde schwummrig und mit einem Mal schien es ihm schwarz vor Augen zu werden.
„Sirion!", schrie Alvad ihn da plötzlich an und er spürte, wie er geschüttelt wurde, „Beweg dich, verdammt! Wir können dich nicht halten!"
Wie er es schaffte, Halt zu finden, sodass die Zwillinge ihn loslassen und sie gemeinsam weiter klettern konnten, das vermochte Sirion später nicht mehr zu sagen.
Wie in Trance zog er sich weiter. Sein Kopf war vollkommen leer. Wie von selbst griffen die Hände an die richtige Stelle und suchten seine Füße nach Tritten und Vorsprüngen.
Sein Blick war fest auf den Stamm vor ihm gerichtet, auf das Heiligtum über ihnen. Und mit einem Mal war ihm der Weg dorthin klar, sah er deutlich, als wäre es eingezeichnet die Stellen, an denen er Halt finden würde, wo er lang klettern konnte. Wie Adano es versprochen hatte, konnte er den Weg des Baumes sehen.
Mit der allerletzten Kraft, die er aufbringen konnte, stemmte er sich schließlich auf die Terasse, auf der die Statue der Göttin Arvia in die Höhe ragte. Nach Atem japsend und Tränen der Erleichterung vergießend, kroch er auf allen vieren auf die sichere Plattform und kippte einfach zur Seite, vollkommen entkräftet. Kaum nahm er wahr, wie Alvad und Alvia neben ihm nach Luft rangen.
Bebend drehte er sich auf den Rücken und starrte zu den Monden hinauf, eine einzige Gewissheit klar in seinem Kopf. Eynar hatte versucht, ihn umzubringen.


Die Nachtelfenchroniken - Der sterbende WaldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt