Thorasal

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Leise prasselte der Frühlingsregen draußen auf die Ebene nieder, ein sanftes Rauschen, das sich mit dem Knistern des Kochfeuers vermischte.
Thorasal warf einen Blick zur Tür, die das kühle Wetter draußen hielt. Doran war nun schon relativ lange unterwegs und er fing an, sich Sorgen zu machen. Der alte Alb war zu einem Elfendorf aufgebrochen, dass mehrere Stunden Wegstrecke entfernt lag. Und obwohl der Alte beteuerte, dass er ein gutes Verhältnis zu den Elfen hatte, traute Thorasal der Sache nicht. Es blieben Elfen.
Mit einem leichten Kopfschütteln wandte er sich wieder dem Bärlauch zu, den er vor einigen Tagen gesammelt hatte. Die Pilze, die er in dem Kessel überm Feuer schmorte, verbreiteten bereits einen ganz wunderbaren Geruch und so kippte er den klein geschnittenen Bärlauch dazu. Vorsichtig rührte er um und sein hungriger Magen meldete sich mit einem deutlichen Knurren zu Wort.
Er räumte die Kochutensilien auf dem Tisch beiseite und griff nach zwei einfachen hölzernen Tellern, sowie Löffeln und einem der Brote, die Doran in einem Netz unter der Höhlendecke wie einen Schatz hütete.
Dann setzte er sich wieder ans Feuer und wartete auf die Rückkehr Dorans, während seine Gedanken auf Wanderschaft gingen.
Einige Wochen waren nun vergangen, seit er Doran dabei beobachtete hatte, wie er eine Ente mithilfe des Atemraubs erlegte. Der bloße Gedanke an diesen Anblick und an die Macht, die er in diesem Moment in Doran wahrgenommen hatte, schickte ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Das goldene Schimmern, das aus dem Beutel gedrungen war, den der Alte immer um den Hals trug, ging ihm nicht aus dem Kopf. Selbst in seinen Träumen sah er dieses rätselhafte Licht, das ihn anzog, wie eine Motte von der Flamme angezogen wurde. Er versuchte, danach zu greifen, doch es entfloh ihm, bis er schließlich erwachte.
Zwar war Thorasal erleichtert, dass die Alpträume von seiner Familie weniger geworden waren. Doch die Träume von dem goldenen Licht frustrierten ihn ungemein. Es kostete ihn seine ganze Selbstbeherrschung, Doran nicht weiter zu bedrängen und ihn die Heftigkeit seines Verlangens nach dieser Magie nicht spüren zu lassen.
Doch dieser hatte auf Thorasals Fragen damals unmissverständlich deutlich gemacht, dass er den jungen Mann nicht unterrichten wollte. Anfangs hatte Thorasal dagegen aufbegehrt, fast jeden Tag, hatte er Doran belagert, gebeten, gebettelt und manchmal fast geschrien vor Frust. Doch es hatte nichts gebracht und Doran war nur noch unnachgiebiger geworden. Zum Schein gab Thorasal sich nun damit zufrieden, kannte er doch Doran gut genug, um zu wissen, wann eine Diskussion nichts brachte.
Doch er hatte einen Plan gefasst. Auch nachdem der Winter vergangen war, war er bei Doran geblieben, hatte vorgeschützt, dass er des Reisens nun überdrüssig war. Und der Alte hatte ihn tatsächlich auch weiterhin bei sich aufgenommen, ja er hatte ihm sogar angeboten, dass sie ein zweites Bett für Thorasal bauten, damit dieser nicht mehr auf dem Boden nächtigen musste.
Seitdem Thorasal den Entschluss gefasst hatte, zu bleiben, bemühte er sich, Doran keinen Grund zur Klage zu geben. Vorbildlich beteiligte er sich an allen anfallenden Arbeiten, unterhielt sich mit dem Alten, war höflich und aufmerksam, tat alles, um Doran zu gefallen.
Irgendwie würde er den Alten schon noch davon überzeugen, ihn zu unterrichten. Das hatte er sich geschworen.

Mit einem Knarzen öffnete sich die Tür zu der Höhle und Thorasal erhob sich. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, trat Doran ein.
„Essen ist so gut wie fertig", grüßte Thorasal seinen Gastgeber und ging ihm entgegen. Er nahm Doran den nassen Mantel ab und trug ihn zum Herd, damit dieser am warmen Feuer besser trocknen konnte.
„Wie ist es gelaufen?", fragte er, während er den Kessel vom Feuer hob und auf den Tisch stellte.
„Gut", erwiderte Doran und ließ sich erschöpft auf einen Hocker sinken. Er hob seinen Beutel in die Höhe, der prall gefüllt war. „Ich konnte die Felle vor allem gegen Heilpflanzen und Brot eintauschen. Außerdem ein paar Nägel, damit wir dein Bett endlich fertig bauen können."
Dankbar nickend nahm er einen gefüllten Teller von Thorasal entgegen, brach etwas Brot ab und tunkte es in die Sauce.
„Schmeckt es?", erkundigte Thorasal sich, und brach sich ebenfalls etwas Brot ab.
Doran nickte und lächelte dem jungen Mann kurz zu. „Es ist sehr gut. Tut gut nach diesem Regen."
Schweigend widmeten sie sich ihrem Abendessen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: 4 days ago ⏰

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Die Nachtelfenchroniken - Der sterbende WaldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt