Alekto war besonders vorsichtig, als sie sich dick in ihrem Morgenmantel eingepackt, durch das schlafende Schloss schlich. Darunter trug sie normale Kleidung, aber sie wollte nicht den Eindruck erwecken, etwas geplant zu haben, falls jemand sie sehen würde. In der Nacht außerhalb des Bettes ertappt zu werden war etwas, die Dinge, die sie in ihren Taschen mitführte, würden ihr noch ganz andere Probleme einbringen.
Ihre Hände zitterten, als sie das schwarze Gitter öffnete und in die verbotene Abteilung trat. Der Knoten im Magen hatte sich so stark zusammengezogen, dass es schon fast schmerzhaft war und sie hatte das Gefühl, sie müsse sich bald übergeben.
Das Gefühl wurde auch nicht besser, als sie das Grimoire der Cyhyraeth von seinem Platz hervorgeholt hatte und es vorsichtig vor sich auf den Boden platzierte, während sie ihre Taschen leerte. Die vier Kerzen, ein Stück Kreide, die Tentakelsamen, die Affodillwurzel, ein toter Skarabäus-Käfer, ein Auge eines Draugars und eine Schuppe eines Tatzelwurms. Als Letztes zog sie die silberne Schlangen-Broché heraus und breitete alles vor sich aus. Dann setzte sie sich im Schneidersitz auf den Boden und zog das Buch auf ihre Beine. Es war in schwarzem Leder gebunden, mit silbernen Lettern auf dem Buchrücken, die zu den silbernen Beschlägen passten, die das Buch geschlossen hielten.
Ihre Finger fühlten sich eiskalt an, als sie den Verschluss löste. Ihr Herz pochte wie wild und der Drang sich zu übergeben wurde noch stärker. Sie kniff die Augen zusammen und zwang sich tief einzuatmen, dann öffnete sie das Buch.
Ein lauter, spitzer Schrei erklang und Alekto hätte beinahe das Buch wieder zugeschlagen, als zusammenzuckte und herumfuhr. Es klang, als wäre es direkt von hinter ihr gekommen. Ihr Herz hämmerte im Brustkorb, als sie in den dunklen, leeren Gang zwischen den Regalen starrte. Sie erwartete, dass jeden Moment jemand um die Ecke kam, angelockt von dem Schrei, doch bis auf das leise Ticken ihrer Uhr war nichts zu hören. Das Schloss lag nach wie vor in einem friedlichen Schlummer.
Alekto versuchte sich selber wieder zu beruhigen und änderte ihre Sitzposition, dass sie den Rücken zur Wand hatte. Sie getraute sich kaum, den Blick vom dunklen Gang zu nehmen, um ihre Aufmerksamkeit dem Grimoire zuzuwenden.
Nach zehn Sekunden, in denen nichts passierte, wartete sie noch weitere zehn Sekunden, die sie in ihrem Kopf zählte, bevor sie ihre Augen niederschlug und auf das aufgeschlagene Buch sah.
Bedächtig blätterte sie durch die Seiten, wobei sich das Rascheln des Papiers wie ein leises Flüstern anhörte und ihr einen Schauer den Rücker hinunterjagte. Ihr ganzer Körper sträubte sich davor, hier zu sein, aber sie dachte an die Blicke der Lehrer, die Worte ihrer Familie und noch immer klang Blacks Gelächter in ihren Ohren. Sie wollte das alles nicht mehr, sie wollte ein anderes Leben und sie wollte eines mit Macht.Sie kam bei der gewollten Seite an und strich das Pergament glatt. Niemand wird mehr über sie lachen oder sie bemitleiden.
Die Schrift war nicht einfach zu entziffern, aber nach ein paar Zeilen hatte sie sich daran gewöhnt. Bei diesem Zauber würde sie Magie von ihren Vorfahren beziehen, stand da. Alekto wusste nicht, ob das der Wahrheit entsprach und ob es überhaupt möglich war, aber mit Merlin als direkter Vorfahr umso besser. Aber um das zu tun, musste man mit den Toten in Verbindung treten.
Sie nahm die Kreide in die tauben Finger und begann den Beschwörungskreis von der Abbildung auf den Boden der Bibliothek zu zeichnen. Er bestand aus einem Kreis, der an vier Stellen durch kleinere Kreise für die Kerzen unterbrochen wurde. In diesem Kreis war ein Pentagramm, eine geschützte Stelle, wo ihr Platz sein würde. Um den Kreis kam ein Sechseck, sie brauchte ein paar Versuche, bis sie es endlich regelmäßig hinkriegte. Von jedem Ecken führte eine Linie mit Zeichen - die Alekto nicht kannte - zum Kreis hin.
Als sie fertig war, stand Alekto auf und betrachtete die weißen Markierungen auf dem dunklen Holzboden der verbotenen Abteilung. Sie stellte die Kerzen in die kleinen Kreise, bevor sie sich ins Pentagramm setzte. Vor ihr der einzige Punkt, wo die Spitze des Sternes und die Linie aus Zeichen auf den Kreis für die Kerze traf. Sie warf nochmals einen Blick auf die Abbildung und nahm dann die Kerze vor sich wieder aus dem Kreis. Stattdessen stellte sie eine flache Schale dahin, die sie aus der Küche gestohlen hatte. Darin legte sie das graue Draugar Auge und die Affodillwurzel. Draugar waren Wiedergänger, die auch noch im Tod ihre volle Lebenskraft hatten und Affodillwurzel wurde verbunden mit dem Totenreich, so viel wusste Alekto. Das Grimoire beschrieb, wie durch die Wurzel eine Verbindung zum Totenreich gewährt werden soll und durch das Draugar Auge kam die Kraft der Verstorbenen, das hinzugefügte Blut war, um die Vorfahren zu erreichen und das Opfer als eine Art Tausch.
Sie holte das Messer heraus und überflog mit den Augen die nächsten Schritte. Sie war immer noch skeptisch, was diese 'Magie der toten Vorfahren' anbelangte, aber so lange es funktionierte. . . Während der ganzen Beschwörung musste sie einen Tentakelsamen unter der Zunge haben. Netterweise wies das Buch ausdrücklich darauf hin, dass man den Samen nicht hinunterschlucken sollte, da diese hochgiftig war.
Alekto holte ihren Zauberstab hervor und entzündete die drei Kerzen um sie herum. In ihrem Magen befand sich ein Eisklumpen, als sie die Schlangen-Broché zu dem Auge und der Wurzel in die Schale legte. Das orange Licht der Kerzen flackerte über die schrumpelige Oberfläche des schwarzen Samens, den Alekto zwischen ihren zitternden Fingern hielt. Solange sie weder darauf biss noch ihn schluckte, sollte alles gut sein. . . hoffte sie.
Er fühlte sich seltsam hart an unter ihrer Zunge, aber sie schob ihn in eine geeignete Position, bevor sie die Zähne zusammenpresste und die Klinge über ihr Daumengelenk zog. Ein brennender Schmerz loderte auf, als die rote Flüssigkeit in die Schale tropfte. Als sie das Gefühl hatte, dass es genug war, ließ sie die Blutung magisch stoppen.
Sie schob den Tentakelsamen mit der Zunge wieder an den richtigen Ort. In ihrem Mund hatte sich ein sehr seltsamer Geschmack ausgebreitet, erdig, aber mit einer gewissen Schärfe, das Positive: Es überdeckte den sauren Geschmack, der zuvor da war.
Sie tippte die Schale mit ihrem Zauberstab an und der Inhalt fing Feuer. Ihr Blick richtete sich wieder auf das Buch außerhalb des Beschwörungskreises. Obwohl sie zitterte, fühlte sie plötzlich Wärme um sich herum. Die verschiedenen Flammen ließen Schatten über das gelbliche Pergament tanzen und ließen sie wie in eine Trance gleiten, als sie den Zauberstab niederlegte.Sie konnte ihren Blick nicht mehr von der schwarzen Schrift nehmen, während sie im Pentagramm saß. Ihre Lippen formten die ein Wort nach dem Anderen. Die Worte schienen wie von weit her zu ihr durchzudringen und sie wusste, dass sie sie richtig aussprach, obwohl sie sie noch nie gehört hatte. Im Unterbewusstsein stellte sie fest, dass sie keine Kontrolle mehr über ihren Körper hatte. Sie war gelähmt, bis auf ihren Mund, der unbeirrt die Formel sprach, während ihre Augen über die Zeilen glitten. Sie konnte nicht mehr aufhören, sie war voll im Bann des Spruches. Ihre Augen brannten, während sie weiter die Schrift lasen, ohne dass die Worte bis in ihren Kopf kamen und sie war von einem warmen Gefühl umgeben, das gerade an der Grenze zu heiß war.
Das letzte Wort rollte ihr über die Zunge und alle Flammen erloschen und ließen sie im Dunklen zurück.Ihr Herz setzte von dem plötzlichen Wechsel einen Schlag aus, dann holte Alekto zitternd Luft, auf einmal war ihr eiskalt. Sie atmete stoßweise, während ihr Hirn versuchte zu verarbeiten, was gerade passiert war. Sie spuckte den Tentakelsamen auf den Boden und versuchte diesen ekelhaften Geschmack hinunterzuschlucken.
Sie wusste nicht, wie lange sie da saß und auf die dunklen Umrisse des Buches starrte. Könnten ein paar Sekunden gewesen sein, oder ein paar Minuten. Aber es dauerte viel zu lange, bevor sie selbst in der Dunkelheit erkennen konnte, dass das Buch nicht mehr aufgeschlagen war.
Sie tastete nach ihrem Zauberstab und ein blaues Licht erhellte ihre Umgebung. Das Buch war tatsächlich wieder zu und in der Schale war nichts mehr außer einem silberglänzenden Fleck in grober Umriss der Schlange.
Es war ein seltsames Gefühl, während sie die Kerzen zusammenräumte und alles wieder in ihren Taschen verschwinden ließ. Während sie die Formel gesagt hatte, hatte sie weder Kälte noch Furcht noch andere Dinge gespürt, jede Faser in ihrem Körper war auf etwas fokussiert gewesen und hatte keinen Platz für andere Dinge gelassen. Doch jetzt war es, als wäre sie auf den Boden der Tatsachen geknallt. Sie hatte kalt, war hungrig und das mulmige Gefühl in ihrem Magen war wieder da. Hatte es überhaupt gewirkt? Sie fühlte sich nicht mächtiger.Ich schreibe momentan an Kapitel 52 und das Finale rückt immer näher.
Kennt ihr das, wenn eure Geschichte langsam zum Höhepunkt kommt und ihr plötzlich realisiert, dass ihr den auch schreiben müsst (und er nicht einfach magisch erscheint) und, dass ihr mal anfangen solltet alle losen Enden zu verknüpfen?
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Merlins Secret
FanfictionAlekto Myrddin: Reinblüterin, Slytherin, Nachfahrin des Merlins und Familienenttäuschung. Vor den Toren Hogwarts tobt der Krieg, noch gilt die Schule unter Albus Dumbledore als ein sicherer Hafen, doch dann wird das Schloss angegriffen. Neben der Fr...