4. Kapitel

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Ab sofort waren Hogsmeade Wochenenden untersagt, bis es mehr Klarheit über die Situation gab. Der Zettel, der ihnen das mitteilte, wurde gerade am schwarzen Brett im Gemeinschaftsraum aufgehängt, als sie vom Frühstück kamen.

"Denkt ihr, sie kommen nach Hogwarts?", fragte Helen. Sie waren im Klassenzimmer für Verteidigung gegen die dunklen Künste und die Stunde würde in nicht mal zehn Minuten beginnen. Vor sich auf dem Tisch hatte Alekto den Tagespropheten ausgebreitet. Auf der Titelseite prangerte groß und unheilvoll ein Bild der letzten Nacht. Es zeigte das dunkle Mal grün glühend über einer zerstörten Ladenfront in Hogsmeade. Noch gab es keine genauen Details, was passiert war oder was dahintersteckte. Bekannt war, dass fünf Personen verletzt wurden, aber Todesmeldungen gab es (noch) nicht.

"Vielleicht merzen sie dann endlich mal die ganzen Schlammblute in der Schule aus?", meinte Evan abfällig und warf einen Blick auf ein Mädchen nicht weit von ihnen.
"Ich glaube nicht, dass sie sich getrauen, solange Dumbledore noch hier ist", erwiderte Lea.
"Ist vielleicht besser so", murmelte Severus und runzelte besorgt die Stirn, während er das Foto studierte.
Evan lachte auf. "Hast du Angst um deine Schlammblut-Freundin?", fragte er an Severus gerichtet.
Der Kopf der anderen Slytherin schoss in die Höhe. "Ich. . .", begann es, doch er kam nicht weiter. Ihr Lehrer war in der Tür erschienen und marschierte durch das Klassenzimmer.

"Fünfzig Punkte abzug von Slytherin, solche Worte will ich nicht in meinem Klassenzimmer hören, Mr Rosier!" Seine Stimme donnerte durch den Raum, während der Holzboden unter seinen schweren Schritten knarzte.
"Fünzig Punkte!", rief Helen aus und die stahlblauen Augen richteten sich auf sie. Professor Frasers trat vor den Tisch, an dem sie saß, und sah auf sie hinunter.
"Aye, fünfzig Punkte, Miss Rosson. Wollen Sie es noch mehr machen?" Sein schottischer Akzent war deutlich zu hören. Helen schüttelte den Kopf und rutschte etwas in ihrem Sitz runter. Alekto straffte die Schultern und wendete ihren Blick nicht von ab, sie würde sich nicht einfach von so jemandem einschüchtern lassen. Professor Fraser ließ seinen Blick noch kurz auf sie gleiten, bevor er sich umdrehte und zurück zum Lehrerpult ging. "Ich dulde keine Beleidigungen dieser Art", teilte er ihnen laut mit. "Mr Filch darf keine Schüler mehr an den Daumen aufhängen, aber ich werde etwas ebenbürtiges finden, wenn nochmals jemand so spricht und jetzt schlagt das zweite Kapitel auf!", rief er und langsam hatte Alekto den Verdacht, er konnte nicht in einer normalen Lautstärke sprechen.

"Der Inflatus ", sagte er und eine Kreide fing an, etwas auf die Tafel zu kritzeln. "Er ist ein komplizierter Zauber und wird daher gerne an der UTZ abgefragt. Ich finde ihn absolut nutzlos! Ihr werdet keinen Kampf gegen einen Feind, einen Werwolf oder eine Banshee gewinnen, in dem Ihr sie aufbläst und das hier sollte nicht der Unterricht sein, wo Ihr Eure magischen Fähigkeiten auszuprobieren. Draußen tobt ein Krieg, Ihr solltet lernen, wie Ihr Euch richtig verteidigt." Mehrere Schüler tauschten Blicke mit ihren Banknachbarn, bevor Professor Fraser weitersprach. "Aber Albus scheint optimistisch genug zu sein, zu glauben, Ihr überlebt es zu den UTZ, daher werden wir den jetzt üben."

Im Klassenzimmer herrschte bedrückte Stille. Sie waren bereits in Hogsmeade, wie lange noch, bevor der Krieg auch sie erreichte.



"Der hat sie doch nicht mehr alle", sagte Helen, als sie sich auf den Weg zum Mittagessen machten.
"Irgendwo durch hat er recht", widersprach Lea. "Ich verstehe Dumbledores Vorgehen, zu versuchen, einen möglichst normalen Alltag beizubehalten, aber wir können es nicht einfach ignorieren."
Helen lachte auch und strich sich durch ihre blonden Locken. "Ich weiß nicht, was du vorhast, aber ich werde weder auf der Seite des dunklen Lords noch auf der von Dumbledore kämpfen."
"Du kannst das sagen, weil du nicht betroffen sein wirst, egal wer der Sieger sein wird."
"Fang nicht damit an, oder ich schließe mich ihm extra an", sagte Helen leise, da immer mehr Schüler auf ihrem Weg in die Große Halle dazukamen.
"Ich glaube, er hat nur Verwendung für Leute, die auch etwas können", gab Lea garstig zurück und Helen schnappte empört nach Luft, doch bevor sie antworten konnte, hatte sich die Slytherin schon an die dritte im Bunde gewandt. "Nicht war Alekto?"

Alektos Kopf schoss in die Höhe und sie funkelte ihre Freundin böse an. Sie wusste genau, vorauf Lea anspielte, aber ihr Bruder war kein Mörder. Sie konnte wieder die Galle in ihrer Kehle schmecken, als sich die Erinnerung an seine kalte Haut in ihr Bewusstsein drängte. Sie spürte wieder das makellose weiße Hemd unter ihren Fingern und die Perlmuttknöpfe an den Ärmeln, die sich kaum hatten öffnen lassen.

Sie versuchte die Erinnerungen zurückzudrängen und sich auf Leas haselnussbraune Augen zu konzentrieren. Ihre Sicht drohte zu verschwimmen.

"Hey, Wurm", konnten sie laut hören und die drei Slytherins drehten sich zu dem Mädchen um, das gerade aus der Großen Halle auf sie zukam. "Ich soll dir ausrichten, nicht nach Hogsmeade zu gehen", sprach die Ravenclaw an Helen gerichtet weiter.

Helen verdrehte die Augen, was schon fast ein Reflex war, wenn sie auf ihre ältere Stiefschwester traf.
"Auch wir können Ankündigungen am schwarzen Brett lesen", erwiderte Lea. Jetzt, da sie einen gemeinsamen Feind hatten, war der kurze Disput zwischen ihr und Alekto wieder vergessen.
Irinas Blick glitt zu ihnen und sie sah sie wohl mit demselben Blick an, mit dem sie Blattläuse mustern würde.
"Man weiß nie."
Helen schnaubte wütend. "Wieso hältst du dich eigentlich immer für etwas Besseres."
"Weil ich es bin!" Auch wenn sie es nicht zugeben wollten, irgendwie hatte sie nicht ganz unrecht. Irina war mit ihren hüftlangen braunen Locken und grünen Augen eines der schönsten Mädchen in Hogwarts, dazu noch Vertrauensschülern und beliebt. Damit konnte keine von ihnen mithalten.

Alekto verschränkte die Arme. "Du hättest hören sollen, was die Leute zu sagen hatten, dass Helens Mutter jemand wie deinen Vater heiratete. Außerdem, warst offensichtlich du nicht gut genug für meinen Bruder, sonst hätte er dich nicht zurückgewiesen."

Man konnte eine Andeutung einer Zornfalte auf Irinas Stirn sehen. "Ich habe Taliesin abgelehnt, nicht umgekehrt", zischte sie. Alekto schenkte ihr nur ein ungläubiges Lächeln, was sie noch etwas wütender machte. Dann reckte sie das Kinn und warf einen Blick um sich herum. Die meisten Schüler waren zu beschäftigt, in die Große Halle zu kommen oder sie zu verlassen, um die Vierergruppe am Kopf der Großen Treppe zu beachten. "Wenn wir schon bei deinem Bruder sind, sag deiner Familie mein Beileid." Ihre Augen funkelten böse. "Es muss schwer sein, dass jetzt das ganze Erbe einer solch bedeutenden Familie auf eine Person fällt, die nur knapp nicht als Squib qualifiziert."

Am liebsten hätte Alekto die Ravenclaw mit ihren eigenen Haaren erwürgt, aber Lea legte eine Hand auf ihren Arm. Zufrieden mit sich selbst schenkte Irina ihnen noch ein kaltes Lächeln, bevor sie zu ihrem Zwillingsbruder ging, der bereits auf sie wartete.

"Jemand scheint den Inflatus auf ihr Ego angewendet zu haben", sagte Lea noch, bevor sie die beiden anderen am Arm packte und sie die Treppe herunterzog.

Aus den Augenwinkeln konnte Alekto sehen, wie eine Frau auf einem der Portraits hinter ihren Spielkarten den Kopf schüttelte. Großartig, jetzt waren schon Portraits enttäuscht von ihr. Musste wirklich noch eine Doppelstunde Alte Runen aushalten, bis dieser schreckliche Tag zu Ende war?

Sie hasste das Fach. Alekto hatte Alte Runen belegt, nicht weil es sie interessierte, sondern weil es für sie die einzige Option für die Wahlfächer ab dem 3. Jahr war. Für Arithmantik war sie vermutlich nicht klug genug, eine divinatorische Gabe für Wahrsagen hatte sie auch nicht und lieber würde sie sterben, als sich mit irgendwelchen magischen Geschöpfen im Dreck zu wälzen. Als sie Muggelkunde gelesen hatte, hatte sie nur gelacht. Überall auf der Welt beteten Muggels Personen wegen 'Wundern' an, die ein Zauberer mit einem Schwung seines Zauberstabes geschafft hätte. Für Muggels waren sie göttergleich, wieso sollten da die Zauberer etwas über die primitiven Dinge der Muggels lernen? Es war kein Wunder, dass es so viele Muggelstämmige gab, ist die Welt der Magie ihnen offenbart, versuchen sich die Muggels einzuschleichen, ganz egal, ob sie dabei die magische Welt durch ihr Blut zerstören. Sie konnte es ihnen nicht verdenken.

Alekto spielte mit dem Gedanken, die Doppelstunde ausfallen zu lassen und sich den Nachmittag freizunehmen. Vielleicht konnte sie dann im Gewächshaus vorbeischauen, ob das Kiemenkraut über die Ferien gut gewachsen war, dafür hatte sie seit dem Schulanfang noch keine Zeit gehabt.





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