Fieberträume

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Eine sanfte Brise kam auf, die die grünen Grashalme zum tanzen brachten. Der beruhigende Gesang der Vögel, war Balsam für ihre Seele. Und der nach Lavendel duftende Garten, machte es perfekt. Haruka atmete einmal tief durch, während sie sich glücklich in den Liegestuhl zurücksinken lässt. Sie war Zuhause gewesen. Eine Frau mittleren Alters kam zu ihr und brachte ihr eine große Portion an Erdbeereis mit richtigen Früchten und ganz viele Sahne. „Danke, Mama", sagte sie und steckte sich genießerisch den Löffel in den Mund. Haruka wurde von ihrer Mutter angelächelt. „Ich bin so froh, dass du wieder hier bist, mein Schatz. Aber wie lange willst du den jungen Mann vor der Tür denn noch warten lassen?" Verwirrt legte die Braunhaarige den Kopf schief. „Was meinst du denn, Mama?" Plötzlich trat ein schwarzhaariger Mann vor sie. Er war edel angezogen, war sehr charismatisch und trug eine Augenbinde. Charmant lächelte er sie an. „Haruka, meine Liebe. Es ist Zeit für dich, nach Hause zu kommen."

In der nächsten Sekunde, gab sie einen lauten Schrei von sich und ist vor Schreck vom Sofa gefallen. Tailin schlug eilig ihre Bettdecke zurück und rannte ins Wohnzimmer, wo sie Haruka auf dem Boden liegen sah. Die Braunhaarige fühlte sich nicht gut. „Hast du dir wehgetan?" Die ältere Dame wollte ihr aufhelfen. „Du meine Güte, du brennst ja vor Fieber! Baihu, hilf mir mal." Ihr Ehemann kam dazu und zusammen hoben sie Haruka auf das Sofa zurück. Sie sah wirklich schlecht aus. Ihre Wangen waren stark gerötet, die Lymphknoten am Hals waren geschwollen und sie schwitzte ziemlich stark, während sie gleichzeitig zitterte wie Espenlaub. Ihr kleiner Ausflug im Fluss, in Kombination mit der Kühle des Herbstes, haben der Braunhaarigen nicht gut getan. Das Resultat des Unterfangens war, dass sie sich eine richtig dicke Grippe eingefangen hat. Haruka hustete, nieste und kippte schließlich auf die Seite. „Ich gehe den Nachtarzt anrufen", sagte Baihu und griff bereits zum Telefon.

Haruka versuchte völlig übermüdet dem Lichtstrahl mit ihren Augen zu folgen. Sie sah den Arzt erschöpft an, der zu seinem eigenen Schutz eine Gesichtsmaske trug. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie sich eine Grippe eingefangen hat. Der gerötete Rachen, die Halsschmerzen und die Abgeschlagenheit sprechen dafür. Sie soll viel trinken und möglichst Bettruhe einhalten. Ich lasse Ihnen ein paar Medikamente hier. In einer Woche, sollte das schlimmste überstanden sein." Tailin wusste nicht einmal den Namen ihres Gastes und hatte daher auch keine Krankenversicherung, weshalb die ältere Dame den Arzt aus eigener Tasche bezahlt hatte. Auch wenn Haruka nicht ein Wort verstanden hatte, so wusste sie, dass Tailin ihr geholfen hatte und war ihr wirklich dankbar gewesen. Verflucht nochmal – warum musste sie ausgerechnet jetzt krank werden? Sie musste raus aus China und zwar so schnell wie möglich. Der Arzt verabschiedete sich von Tailin und Baihu. Nachdenklich ging er aus dem Haus und zu seinem Wagen zurück. „Hmm...", machte er. „Wo habe ich dieses Mädchen nur schon einmal gesehen....?"

Die restliche Nacht, war für Haruka ein wahrer Horrortrip gewesen. Sie konnte nicht mehr schlafen. Selbst wenn sie einmal kurz einnickte, wachte sie wenig später wieder aus einem Fiebertraum auf. Am liebsten wäre sie aufgestanden, hätte ihre sieben Sachen gepackt und wäre weitergezogen. Doch in dem Zustand, schaffte sie es nicht einmal auf die Toilette zu gehen, ohne dabei dem Fieberschwindel zum Opfer zu fallen. Gerade stützte sich Haruka an der Wand ab, um unbeschadet ins Badezimmer zu kommen. Immer wieder musste sie stehenbleiben, ging kurz in die Knie und huschte dann ein paar Schritte weiter. Sie wollte Tailin nicht schon wieder aus dem Bett brüllen. Nach einer gefühlten Ewigkeit, ließ sich die Braunhaarige auf dem Toilettendeckel nieder, drehte das kalte Wasser auf und hielt ihre Handgelenke darunter. „Oh Gott...", stöhnte sie leise. Als sie sich erleichtert hatte, musste sie den ganzen Weg wieder zum Sofa zurück und fiel nur eine Sekunde später ins Kissen, wo sie innerhalb weniger Minuten vor lauter Erschöpfung eingeschlafen war.

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Qin Shi Huang lenkte sein Pferd an den Fluss, damit es dort seinen Durst stillen konnte. Ein majestätisches Friesenpferd, das seinen Herrn voller Stolz und Eifer auf seinem Rücken trägt. Er hatte den braven Wallach damals extra aus Europa nach China bringen lassen. „Wir machen eine kurze Pause, dann ziehen wir weiter", meinte der Kaiser. Sein Gefolge tränkten ihre Pferde und ließen sie ein wenig am Wegesrand grasen. Selbst diese Kraftpakete von einem Tier, brauchten ab und zu ein bisschen Erholung. „Eure Majestät, seid Ihr sicher, dass Ihr wirklich nichts essen wollt?" Qin lehnte ab. „Nein, ich hebe es mir für später auf", sagte er. In der Ferne, tauchte plötzlich ein Fischer mit seinem kleinen Sohn auf. Als man ihn bemerkte, ging die kaiserliche Leibgarde sofort auf Position und scharrte sich um ihren Herrn. Der Fischer nickte nur einmal und wollte gehen, als Qin ihn plötzlich aufhielt. „Halt", befahl er und der Fischer drehte sich um. Sofort riss er seine Augen auf, ließ den Eimer fallen und ging auf die Knie. „E...Eure Hoheit!"

Der Fischer sah zu seinem Sohn. „Verbeug dich gefälligst, du Lausbub! Zeig etwas mehr Respekt", mahnte der Fischer seinen Sohn. Doch dieser war mehr an den Pferden, als am Kaiser interessiert. Er streichelte den großen Tieren über die Nüstern und kraulte sie an den Ohren. Besonders der Friese gefiel dem Jungen gut, weshalb er Qin Shi Huang nichtsahnend an seinem Gewand zog. „Du, Onkel? Ist das dein Pferd?" Der Fischer wurde kreidebleich und sah seinen Kopf schon von den Schultern rollen. Nicht nur weil er den Kaiser anfasste, sondern zu seinem absoluten Entsetzen auch noch duzte. „Junge, w...wirst du das wohl sein lassen? Majestät, ich.... es tut mir Leid..." Qin jedoch lächelte bloß und ging in die Hocke, um mit dem Jungen auf Augenhöhe zu sein. „Ja, das ist mein Pferd. Er heißt Shiyan. Willst du mal auf ihm sitzen?"

„Auja!" Der Junge grinste den Kaiser mit seinen lückenhaften und fehlenden Milchzähnen an. Schließlich nahm er ihn auf dem Arm, um ihn auf Shiyan abzusetzen. „Entspann dich, Hauptmann. Der Junge ist noch ein Kind. Er wird mir schon nicht gleich den Hals aufschlitzen." Sein Vater hingegen schwitzte Blut und Wasser. „So, und nun zu dir, mein Freund." Qin hielt die Hand auf und ließ sich das Fahndungsplakat geben. Er rollte es aus und zeigte es ihm. „Hast du diese Frau gesehen?" Der Fischer hob den Kopf und sah sich das Bild von Haruka an. Er musterte sie ganz genau und plötzlich löste ihr Anblick einen Flashback in ihm aus.

„Aber ja, ich erinnere mich an die Kleine! Es ist kleines Stück weiter flussabwärts passiert, da kam sie mit einem Affenzahn im Flusswasser angerauscht. Ich war wie jeden Tag dabei Fische zu fangen, doch als ich sie bemerkt habe, habe ich meine Angel nach ihr ausgeworfen und an der Kleidung erwischt. Ich wollte das Mädchen raus ziehen, aber die Strömung war so stark, dass ich am Ende nur ihren Ärmel am Haken hängen hatte." Qin Shi Huang hörte sich interessiert diese Geschichte an. „Und wann ist das gewesen?", wollte er wissen. „Lasst mich kurz nachdenken... das dürfte vor etwa zwei oder drei Tagen gewesen sein. Ich bin mir allerdings nicht mehr ganz sicher." Der Kaiser schmunzelte. „Also hat der Alte die Wahrheit gesagt...", nuschelte er. „Hast du auch gesehen, in welche Richtung sie im Fluss abgetrieben wurde?"

„Ja, sie wurde in die Richtung der Provinz von Guangdong gespült. Die Kleine hat noch versucht sich an einem Ast festzuklammern."
„Hâo", sagte der Kaiser zufrieden. „Gut, gut... ich werde dich für deine wertvollen Informationen belohnen." Qin ging an seine Satteltasche und holte ein paar Goldmünzen heraus, die er dem Fischer sogleich aushändigte. „Und für dich wird es Zeit, von Shiyan Abschied zunehmen, kleiner Mann." Der Kaiser nahm den Jungen wieder herunter. „Hier, du kannst ihm noch eine Karotte geben." Der Junge grinste und gab dem Friesen die Möhre. „Wiedersehen, Onkelchen!" Qin grinste, nahm die Zügel in die Hand und gab seinem Rappen die Sporen. „Lauf", befahl er und das Tier preschte davon. „Bring deinem Sohn mehr Respekt und Manieren bei. Seine kaiserliche Majestät wird nicht immer so tolerant sein",mahnte der Hauptmann und ritt seinem Herrn hinterher.

Schließlich sind zwei weitere Tage vergangen...

Der Hauptmann hatte sein Zelt gerade zusammengepackt und bindet es wieder am Sattel seines Pferdes fest. Es war früh am Morgen, als der Kaiser den Befehl zum Aufbruch gab. „Wir werden heute Guangdong erreichen. Dort teilen wir uns auf und suchen nach weiteren Hinweisen." Der Hauptmann hatte nie so ganz verstanden, was sein Herr nur an dieser Frau fand. Er stellte es aber auch nicht infrage, sondern folgte seinem Anführer blind. Wenn es sein musste, sogar in den Tod. Auf der Straße war es aktuell sehr ruhig gewesen. „Eure Majestät, habt Ihr schon einen Plan, wenn wir Lady Haruka finden sollten?"
„Aber natürlich! Ich werde sie mit nach Hause nehmen und ihr eine Lektion erteilen, die sie nie wieder vergessen wird." Er grinste einmal süffisant, bevor er Shiyan in den Galopp antrieb. Kurz vor der Mittagszeit, traf die Gruppe auf eine Schulklasse, die zusammen mit ihrer Lehrerin einen Ausflug machten. „Der Kaiser! Schnell, Kinder, nehmt Haltung an!" Die sieben und acht Jahre alten Kinder bildeten eine Schlange und senkten ihr Haupt, als Qin Shi Huang mit seinem Gefolge an ihnen vorbei ritt. Eigentlich wollte er der Schulklasse keine große Beachtung schenken, änderte seine Meinung jedoch spontan. „Halt!", befahl er.

Die junge Lehrerin schluckte einmal und hatte Angst etwas falsches getan zu haben, als der Kaiser persönlich auf sie zuritt. „Sieh mich an, du Frauenzimmer", sagte er scharf. Sie schluckte erneut und hob den Kopf, um ihren Herrscher anzusehen. Qin Shi Huang rollte das Plakat auseinander und zeigte es ihr. „Hast du sie gesehen?" Die Lehrerin sah sich das Bild von Haruka ganz genau an. Sie überlegte, schüttelte dann jedoch den Kopf. „Nein, Eure Hoheit, ich habe diese Frau nicht gesehen." Der Maler, wo dieses Bild geschaffen hatte, musste wirklich etwas von seinem Beruf verstehen. „Ganz sicher?", harkte er nach. „Ja, ich bin mir sicher, Majestät." Lediglich ein achtjähriges Mädchen hob unerlaubterweise den Kopf und linste kurz auf die Zeichnung. „Aber das ist doch...-"
„Jinjin, wirst du wohl Haltung annehmen?" Sie drückte den Kopf des Mädchens wieder nach unten. Qin Shi Huang ist die kleine Anspielung allerdings nicht entgangen. „Sieh mich an, Mädchen." Jinjin gehorchte. „Kennst du die Frau auf dem Plakat?"

„Ja, mein Herr! Die sieht genauso aus, wie diese seltsame Frau, die im Moment bei meinen Großeltern wohnt." Der Kaiser zog augenblicklich seine Augenbrauen nach oben.. „Erzähl weiter", forderte er Jinjin auf. Dabei behielt die Lehrerin die Achtjährige genau im Auge. Immerhin redete sie nicht mit irgendwem, sondern mit Qin Shi Huang, dem Kaiser von China. „Naja, die ist irgendwie total komisch. Sie redet nicht wirklich mit uns und wenn sie mal was sagt, dann verstehe ich kein Wort. Meine Oma glaubt, dass sie norwegisch spricht, aber mein Opa sagt es ist deutsch. Im Moment ist sie krank, weil Opa sie aus dem Fluss gezogen hat. Und gestern als Oma ihr Eier und Speck zum Frühstück gemacht hat, hat die uns die Bude vollgekotzt."
„Jinjin!"
„Tschuldigung..."

Der Kaiser legte sich interessiert einen Finger ans Kinn. „Höchst interessant", sagte er. „Und die Kleidung? Was hatte sie an?"
„Ich glaube es war ein rotes Kleid oder ein Hanfu. Ach und ein Ärmel war abgerissen." Nun glichen sich die Aussagen des alten Mannes und des Fischers. „Gut!" Qin Shi Huang lächelte das Kind dankbar an.

„Wo wohnen deine Großeltern, Kleine?"
„Direkt im Nachbarort von Guangdong, Sir! In der fünften Straße, das siebte Haus auf der linken Seite."
„Ich danke dir, Mädchen. Wir brechen auf, Männer." Der Kaiser strich dem Kind über den Kopf und ritt sogleich davon. Er grinste einmal ziemlich breit. „Jetzt hab ich dich, Haruka..."
„Du hast vielleicht Nerven, dass du den Kaiser angelogen hast", sagte ein Junge zu Jinjin. „Ich hab nicht gelogen", erwiderte sie nur darauf.


Haruka half Tailin dabei den Tisch zu decken. Sie war noch immer krank gewesen, doch das Fieber und der Schwindel hatten dank der Medikamente nachgelassen. Plötzlich klopfte es an der Tür, was die ältere Frau aufsehen ließ. „Wer mag das sein?" Sie ging an die Tür, um diese sogleich zu öffnen. „Hauptmann Quan! Was machen Sie denn hier?" Bevor er antworten konnte, wurde der Hauptmann schon vom Kaiser zur Seite geschoben. „Eure Hoheit!" Tailin verbeugte sich einmal respektvoll. „Du liebe Güte... du liebe Güte... und ich habe nicht aufgeräumt. Ist das peinlich...", hyperventilierte sie. „Ich glaube, du beherbergst etwas, was mir verloren gegangen ist, gnädige Frau." Tailin kam ins Esszimmer zurück. „Baihu, wir haben sehr hohen Besuch", sagte die ältere Dame und ließ Qin Shi Huang vorbei. Haruka wurde bleich wie eine Wand, starrte ihn an und konnte nicht glauben, dass er sie gefunden hatte. Vor Schreck, ließ sie sogar ihr Glas fallen, welches beim Aufprall zersprang und seinen Inhalt am Boden verteilte. „Haruka, meine Liebe! Es ist Zeit für dich, nach Hause zu kommen."


Die Tränen der KaiserinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt