Eine turbulente Nacht

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Haruka stand in ihrem Zimmer am offenen Fenster und sah der untergehenden Sonne dabei zu, wie sie rötlich hinter dem Horizont verschwand. Dabei dachte sie an ihre Eltern, die sie schmerzlich vermisste. Wie es wohl ihrer Mutter ging? Machte sie sich Sorgen um sie? Von einem Tag auf den anderen, wurde Haruka vom Kaiser aus ihrem gewohnten Leben gerissen. Sie saß in China fest und hatte noch immer keinen neuen Plan geschmiedet, wie sie aus diesem fremden und riesigen Land entkommen könnte. Haruka wollte nach Hause zurück. Dabei spielte es keine Rolle, welchen Preis sie dafür zahlen musste. Plötzlich klopfte es an der Tür, woraufhin Haruka aufschreckte und aus ihren Gedanken gerissen wurde. Mei Ying kam zu später Stunde noch einmal zu ihr und verbeugte sich höflich. „Werte Dame, der Kaiser hat nach Euch gerufen." Überrascht hob die Braunhaarige ihre Augenbrauen an. „Jetzt noch? Hat der schon einmal auf die Uhr geschaut?" Die niedere Magd setzte zum sprechen an, doch Haruka fuhr ihr vorher über den Mund.

„Ich weiß, ich weiß... dann kommen die Wachen und zwingen mich dazu. Bringen wir es einfach hinter uns", stöhnte sie genervt. Mei Ying dankte ihr, dass sie keine Gewalt anwenden musste. Haruka folgte ihr einfach und schien im nächsten Moment verwirrt zu sein. „Zum Thronsaal geht es aber in die andere Richtung...", stellte sie wissend fest. „Der Kaiser erwartet Euch nicht im Thronsaal", sprach Mei Ying leise. Stattdessen wurde Haruka in den vierten und letzten Stock des Palastes geführt. Vor einer ziemlich großen und reich geschmückten Tür, blieb Mei Ying schließlich stehen. „Dies ist das Privatgemach des Kaisers. Bitte geht hinein." Haruka riss ihre Augen weit auf. „Hää?! Was ist los?" Sie soll in das Schlafzimmer von Qin Shi Huang gehen? „Für gewöhnlich darf es niemand wagen, das Privatgemach seiner kaiserlichen Hoheit zu betreten. Allerdings hat seine Hoheit darauf bestanden, dass Ihr zu ihm kommt." Haruka läuft es eiskalt den Rücken herunter. Ihre unruhigen Gedanken überschlugen sich und suchten nach einem Weg, dem zu entgehen. Doch dann wurde schon von den beiden Wacheinheiten die Tür geöffnet. „Gute Nacht, werte Dame", sagte Mei Ying und ließ sie allein.

Haruka musste sich dem alleine stellen und wurde von der Wacheinheit zu Qin Shi Huang in sein Schlafzimmer geschoben, bevor die Tür wieder geschlossen wurde. Sie beschleicht ein seltsames Gefühl, als sie sich in dem unbekannten Gebiet umsah. Das Zimmer war ganz in weinrot gehalten. Überraschenderweise war es für das kaiserliche Schlafzimmer erstaunlich minimalistisch eingerichtet. Ein kleiner, runder Teetisch, an dem zwei Personen sitzen konnten stand mitten im Raum. Ein ziemlich großer Kleiderschrank, der die herrlichsten und schönsten Gewänder beherbergt, zog sich die komplette rechte Wand entlang. Auf der linken Seite, entdeckte Haruka einen Schreibtisch und einen Stuhl, doch das Hauptmerkmal des Raumes, war definitiv das riesige Bett, in dem jede Nacht der Kaiser schlief. Es war mit Sicherheit drei auf drei Meter groß, wurde im Stil eines Himmelbettes gehalten und war rundherum von einem schwarzen Moskitonetz umschlossen. „Haruka! Wie schön, dass du meiner Bitte gefolgt bist."

Sie zuckte einmal zusammen, als Qin plötzlich aus dem Schatten auftauchte und sich elegant auf den Rand seines Bettes setzte. Anders als tagsüber, war der Kaiser nur mit einer lockeren Hose bekleidet. Sein Oberkörper war frei, weshalb Haruka einen guten Blick auf seine Muskelgruppen hatte. Das war ihm nicht entgangen. „Gefällt dir, was du siehst?" Sofort wurde wieder das Temperament der jungen Frau geweckt. „Was zur Hölle ist bitte so wichtig, dass es nicht bis morgen früh warten kann?" Qin schmunzelte. „Wie unhöflich von dir, hast einfach meine Frage ignoriert."
„Nun, wenn seine Majestät unbedingt eine Antwort wünscht: Wie könnt Ihr es wagen, meinen Augen solch einem Horror auszusetzen und dazu noch meine wertvolle Zeit zu verschwenden? Also, was wollt Ihr von mir?"
„Ganz schön frech von dir...", sagte er. Dabei verlor der Kaiser sein Lächeln nicht. „Haruka, meine Liebe... entweder schläfst du diese Nacht bei mir...-"
„Ich nehme das oder", schnitt sie ihm das Wort ab. Qin wirkte im ersten Moment überrascht. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie so schnell ablehnen würde.

„Bist du dir da auch wirklich sicher, meine Liebe?"
„Lieber würde ich mit einer Klapperschlange kuscheln, als mit dir das Bett zu teilen", fauchte sie. „...Gut... wie du willst...", sagte er. „Wachen!" Das große Tor wurde geöffnet. „Sie hat mein Angebot abgelehnt, hinfort mit ihr." Haruka wurde links und rechts gepackt und von den Wachen weggebracht. Qin Shi Huang hingegen lächelte nur einmal selbstsicher. „Ich gebe ihr eine Stunde..." Die Braunhaarige wurde in das Kellergewölbe des Palastes gebracht, wo man sie unsanft in eine der Zellen warf. „Unverschämtheit! Euch müsste man noch ein paar Manieren beibringen." Mei Ying wurde über die Entscheidung von Haruka unterrichtet, weshalb die Magd so schnell wie nur möglich nach unten eilte. „Werte Dame, geht es Euch gut?" Genervt tigerte die Braunhaarige in ihrer Zelle auf und ab. „Ja, mir geht es gut." Es ging ihr mehr auf die Nerven, dass ihr alle paar Sekunden ein Wassertropfen auf den Kopf fällt. „Was bildet sich der Kaiser eigentlich ein? Ich werde eine Nacht im Verlies schon ertragen."

„Ertragt Ihr es auch, dass man Euch jede Nacht einen Finger abtrennen wird?" Plötzlich blieb Haruka stehen und sah Mei Ying an. „Das ist ein Scherz, oder?"
„Nein, leider ist das kein Scherz, werte Dame. Ich musste durch ungehorsam ebenfalls einen Finger einbüßen." Haruka's Magen drehte sich um. Sie weigerte sich daran zu glauben. Wahrscheinlich war das wieder eines von Qin Shi Huang's Machtspiele, um seinen Willen durchzusetzen. Er wollte sie mit Sicherheit nur einschüchtern. „Werte Dame, Ihr wisst nicht, mit wem Ihr Euch angelegt habt. Der Kaiser ist kein böser Mensch, doch er kann äußerst grausam sein." Das hatte er mit seiner Hungerstrafe bestens unter Beweis gestellt. Eine halbe Stunde vergeht. Mei Ying wurde aus dem Weg geschoben, da drei Männer zu Haruka in die Zelle kamen. „Fangt sie und haltet sie gut fest", sagte ein finster aussehender Kerl, der zum Entsetzen von Haruka tatsächlich eine Knochensäge dabei hatte. Die anderen beiden zerrten sie aus der hinteren Ecke heraus und zwangen sie nach vorne zu kommen. „Nein, lasst mich los!" Sie wehrte sich gegen die beiden.

Einer der Männer fixierte ihren linken Arm, während der andere ihren kleinen Finger mit einer Zange in eine gestreckte Position brachte. Schließlich wurde die Knochensäge am Finger angesetzt. Die scharfen Zähne zerteilten bereits ihre erste Hautschicht, kratzten die Oberfläche an und würden sich bereits mit dem ersten Schnitt tief in ihr Fleisch schneiden. Haruka fing an laut zu schreien. Mei Ying hielt sich die Ohren zu. Sie wollte das grässliche Geräusch der Knochensäge nicht hören. Spätestens jetzt wurde Haruka bewusst, dass man keinen Scherz mit ihr machte, sondern das der volle Ernst des Kaisers war. Gerade läuft der erste Blutstropfen aus der frischen Wunde, als Haruka die Nerven verliert. „Halt, warte! I... Ich habe es mir anders überlegt..." Der Folterknecht hielt in der Bewegung inne. Er sah zu Mei Ying, die ihre Ohren wieder freigab und ihre Worte übersetzte. Glücklicherweise hatte man ein Einsehen und er ließ von Haruka ab. Auch wenn sich die Braunhaarige stur gegen den Kaiser wehrte, war sie weder scharf auf diese bestialischen Schmerzen, noch wollte sie einen ihrer Finger verlieren.

Haruka ging zu Boden und zitterte am ganzen Leib. Sie gab es nicht gerne zu, doch sie hatte Angst. „Bringt sie weg", befahl der Folterknecht. So wurde sie wieder zum Schlafgemach des Kaiser gebracht, gleich nachdem ihre kleine, aber brennende Wunde desinfiziert und verbunden wurde. Noch immer völlig verstört über dieses traumatische Erlebnis, wurde die Braunhaarige unsanft durch die offene Tür geschubst. „Mhm? Wolltest du nicht lieber mit einer Klapperschlange kuscheln?" Haruka biss die Zähne fest zusammen. Sie musste gerade sämtliche Kraft aufbringen, um nicht zu weinen. Sie gab ihm keine Antwort, sondern schob sich schweigend durch das Moskitonetz und kroch unter die Decke. „Oha? Oha? Ich werde einfach von dir ignoriert?" Haruka verkroch sich noch tiefer unter die Bettdecke. Für heute hatte sie wirklich genug Scheiße durchlebt. Ihr verletzter Finger schmerzte. Er brannte so sehr, als ob man sich mit einer Rasierklinge geschnitten und die Wunde mit Zitronensaft begossen hätte. Es dauerte nicht lange, bis Qin ebenfalls in sein Bett zurückkehrte.

Plötzlich legte er einen Arm um Haruka, was sie erschrocken aufschreien ließ. „Fass mich nicht an, du Scheusal!" Sie schnellte auf und schob ihn von sich. „Wie herzlos von dir! Dabei wollte ich doch nur ein bisschen kuscheln", schmollte er. „Du kannst mit deiner Konkubine kuscheln, und vergiss nicht ihr den Finger absägen zu lassen", fauchte sie. Qin legte den Kopf schief und lächelte sie süffisant an. „Ich wusste, dass du nachgeben würdest. Der gute alte Trick mit der Folter funktioniert eben immer." Er kam ihr ein bisschen näher. „Lass dir das eine Lehre sein, Haruka. Unterschätze mich besser nicht. Du bist hier in meinem Land, wo meine Regeln gelten. Und diese Regeln solltest du besser so schnell wie möglich lernen." Er grinste und tätschelte ihr die Wange. „Wir zwei könnten so ein schönes Leben zusammen haben. Alles was du tun musst, ist meiner Forderung nachzugeben."

Nun sah Haruka rot. Ihr schossen nun doch die Tränen vor lauter Wut in die Augen. Angewidert schnappte sie sich sein Kopfkissen, um es ihm mit voller Wucht ins Gesicht zu werfen. „Du kannst mir mal den Buckel herunterrutschen und an der Biegung mit der Zunge bremsen", knurrte sie. Der Kaiser konnte einen überraschten Laut nicht unterdrücken. Das hatte er wahrlich nicht kommen sehen. „So? Du willst dich also prügeln, ja? Das kannst du gerne haben", sagte er und stürzte sich lachend auf sie. Haruka fand das allerdings nicht so lustig, weshalb sie damit begann sich mit Händen und Füßen gegen ihn zu wehren. „Geh weg von mir, du Ungeheuer! Du bist nicht nur ein Entführer, sondern auch ein grausames und gewissenloses Monster", kreischte sie. „Oha? Oha? Wie bringst du es nur fertig, so viele hässliche Wörter in nur einem Satz zu benutzen?" Es hat nicht allzu lange gedauert, bis der Kaiser sie überwältigt hatte. Er saß auf ihrer Hüfte und hatte sie an den Handgelenken gepackt, die er links und rechts neben ihrem Kopf ins Bett niederdrückte. In dieser Position, hatte der Kaiser sie regelrecht bewegungsunfähig gemacht. „Lass... mich... los...", keuchte sie mit letzter Kraft.

„Mhm? Aber du wolltest doch raufen." Qin Shi Huang schmunzelte einmal. „Ich habe noch nie eine Frau getroffen, die sich so sehr gegen mich gewehrt hat wie du. Das gefällt mir. Und weil ich gute Laune habe und äußerst gnädig bin, biete ich dir ein Tauschgeschäft an. Gib mir einen Kuss und ich gebe dich frei. Das ist doch ein fairer Handel, nicht wahr?" Haruka zog ihre Augen zu feindseligen Schlitzen zusammen. „Hier kommt mein Gegenangebot: Lass mich auf der Stelle los und dafür pinkle ich dir nicht ins Bett." Plötzlich fing Qin an ironisch zu grinsen. „Mach ruhig, ich habe genug Mittel und Wege, um die Sauerei wieder zu beseitigen." Haruka konnte einfach nicht glauben, dass ihn das wirklich kalt lässt. „Also? Wie lautet deine Antwort?" Nun war es Haruka, die ihn ironisch anlächelte. Irgendwann würde selbst ihm das zu dumm werden. „Du kannst mich mal am Arsch lecken", keifte sie spitz. „Was habe ich dir über das Duzen beigebracht, Haruka?"
„Oh, ich bitte vielmals um Verzeihung. Ihr könnt mich mal am Arsch lecken, Eure Majestät."

Da fing der Kaiser an zu lachen. „Du bist wirklich wunderbar, Haruka!" Er lässt ihre Handgelenke los und stützt sich stattdessen mit seinen Ellbogen neben ihr ab und legt seinen Kopf in den Handflächen ab. „Was mache ich nur mit dir?"
„Was hält seine Majestät davon, mich auf die Toilette zu lassen? Das war vorhin kein Scherz gewesen, ich muss wirklich pinkeln..." Qin stöhnte einmal und stand schließlich auf. Es gefiel ihm nicht, dass der Spaß so plötzlich endete. Doch er wäre wahrlich grausam, wenn er ihr das menschliche Bedürfnis nicht nachgehen ließe. „Siehst du die Tür dort drüben? Da ist die Toilette. Und beeil dich ein bisschen", sagte er ungeduldig. „Ja Ja, du mich auch...", brummte sie leise. „Wie bitte?"
„Ja, Eure Hoheit", knurrte sie und verschwand hinter der Tür. Der doch recht große Raum war ganz übersichtlich gewesen. Es gab eine Toilette und ein Waschbecken, eine Dusche und eine Badewanne, sowie zwei Schränke, die mit Handtüchern, Bademänteln und Badekosmetik gefüllt waren. Haruka erleichterte sich und roch an einem Flakon, der nach Rosenholz duftete.

Nachdem sie fertig war, wusch sie sich die Hände und bekam schließlich beim Anblick der vielen Handtücher eine Idee. Inzwischen sind schon mehr als sieben Minuten vergangen. Der Kaiser wurde langsam nervös, weswegen er aufstand und gegen die Tür der Toilette klopfte. „Haruka, ist alles in Ordnung bei dir?" Er bekam keine Antwort. „Haruka?" Vorsichtig öffnete Qin die Tür und fand einen leeren Raum vor. Seine Augen weiteten sich unter seiner Augenbinde, als er die zusammengeknoteten Handtücher aus dem offenen Fenster hängen sah. „Nein!" Sofort rannte er dorthin und blickte nach unten. Das improvisierte Seil reichte bis in den zweiten Stock hinunter. In der nächsten Sekunde, stieß Qin einen wütenden Schrei aus. Das hatte er nicht bedacht. Er war auf den ältesten Trick der Welt hereingefallen. Wütend schlug er seine Fäuste gegen das Fensterbrett. „Sie ist abgehauen!"


Die Tränen der KaiserinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt