Eine Strafe mit Folgen

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Es war still gewesen. Haruka wachte mitten in der Nacht auf und stöhnte einmal schwer vor Schmerzen. Ihr geschändeter Rücken fühlte sich an wie gepökelter Schweinekamm. Zumindest fiel ihr kein anderer Vergleich dazu ein. Er schmerzte, brannte und pochte zugleich. Sie wollte nicht wissen, wie viele Hämatome sich darauf bilden würden. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie auf einem warmen und lebendigen Leib lag. Der Kaiser musste sie auf sich gezogen haben, sodass sie bequemer auf dem Bauch liegen konnte. Er steckte seine Verletzungen – von denen Haruka nichts wusste – leichter weg als sie. „Oh Gott...", flüsterte sie leise. Die traumatischen Erinnerungen von gestern kamen wieder zurück. Haruka wollte aufstehen, doch sie schaffte es einfach nicht. Ihr fehlte schlichtweg die Kraft dazu. Sie stöhnte einmal leise, nahm ihre Kraft zusammen und rollte vom Kaiser herunter. Dabei landete sie auf dem Rücken und hätte laut aufgeschrien, wenn sie sich nicht selbst auf die Zunge gebissen hätte.

Qin Shi Huang bewegte sich einmal, nachdem seine externe Wärmequelle verschwunden war. Haruka sah ihn noch einen kurzen Moment lang an, dann drehte sie sich auf die Seite, um Stück für Stück aus dem Bett zu krabbeln. Die Braunhaarige konnte sich kaum auf den Beinen halten. Ihr war nach vor schwindelig und trat den nun für sie lang gewordenen Weg ins Badezimmer an. Dort angekommen, ging sie in die Knie und konnte sich gerade noch rechtzeitig am Rand der Badewanne festhalten. „Es tut so weh...", stöhnte sie leise. Dafür, dass der Kaiser sie heiraten will, sammelte er nicht gerade viele Pluspunkte bei ihr. Nach ein paar Minuten hatte sie sich wieder hochgerafft. Sie torkelte zum Fenster hinüber, entriegelte es und riss es energisch auf. Sofort wehte ihr die kalte Nachtluft ins Gesicht. Haruka atmete ein paarmal tief durch. Sie füllte ihre Lungen mit frischen Sauerstoff und fühlte sich dadurch ein kleines bisschen besser.

Melancholisch blickte die Braunhaarige nun zum Fenster hinaus und sah vereinzelt ein paar Lichter, die von den Laternen der Palastwachen stammten. Wie wunderschön dieser Anblick doch war. Und dennoch war das hier nicht ihre Welt gewesen. Sie gehörte einfach nicht hierher, geschweige denn, wie lange sie diesen Alptraum noch ertragen würde. Haruka dachte für einen kleinen Augenblick darüber nach, ob sie nicht einfach springen soll. Der vierte Stock des kaiserlichen Palastes war hoch genug. So könnte sie ihrem Leid und ihrem Leben ein Ende bereiten. Doch eine kleine Stimme in ihrem Kopf flüsterte ihr zu, dass das nicht die richtige Lösung war. Sie stöhnte erneut und riss nun den Schrank auf, in dem die Handtücher aufbewahrt wurden.

Qin Shi Huang wurde langsam unruhig. „Haruka...?" Er wachte benommen auf und suchte blind mit der Hand nach ihr. „Haruka!" Sofort schoss er nach oben und bemerkte, dass sie nicht mehr da war. „Verdammt nochmal... Haruka!" Qin sprang aus seinem Bett heraus und eilte zur Badezimmertür, um diese mit ein bisschen zu viel Schwung aufzureißen. Haruka hing gerade über dem Waschbecken und trocknete sich mit dem Handtuch ihr Gesicht ab, welches sie gewaschen hatte. Der Kaiser atmete einmal erleichtert aus. „Du wirst dich noch erkälten, wenn du am offenen Fenster stehst", sagte er und schloss es wieder. „Irgendwie klingen Eure Worte sarkastisch, wenn ich sie so höre. Gestern habt Ihr Euch auch einen Dreck um mich geschert." Qin Shi Huang schmunzelte einmal und legte nun seinen Kopf auf ihrer Schulter ab. „Du weißt ganz genau, dass du selbst Schuld daran trägst, versuche also bloß nicht, mir die Schuld in die Schuhe zu schieben." Haruka sagte nichts darauf, sondern schlang ihm nur ihre Arme um den Hals. „Bringt mich einfach ins Bett zurück und spart Euch eure Kommentare." Qin lachte und nahm sie schließlich hoch, um sie wie gewünscht ins Bett zurück zu bringen.

Haruka drehte sich auf die Seite und stöhnte wieder auf vor Schmerz. Vielleicht schaffte sie es nochmal einzuschlafen. Dann würde sie diese brennenden Schmerzen zumindest für ein paar Stunden vergessen können. Wenige Minuten vergehen. Haruka war schon dabei, erneut ins Land der Träume abzudriften, als sie plötzlich den warmen Atem des Kaisers und seine Nasenspitze auf ihrer eigenen bemerkte. „Boop", sagte er dabei. Sanft strich er ihr mit seiner Hand über ihre Wange. „...Der Schmerz wird bald vergehen...", sagte er überraschend sanft. Danach kam er näher und wollte sie küssen. Erstaunlicherweise ließ es Haruka sogar zu, was Qin doch sehr verwunderte. Doch als er sich wieder von ihr löste, schnellte sie nach vorne, um ihm unsanft in die Unterlippe zu beißen. „Aua", quiekte er erschrocken auf. „Was sollte das?", fragte er und konnte Eisen im Mund schmecken. „Das habt Ihr verdient. Hoffentlich tut es so richtig weh", murrte sie und drehte ihm nun den Rücken zu. Der Kaiser grinste einmal und kam ihr nun wieder näher. „Ach, meine kleine, liebe Haruka... du bist einfach unverbesserlich."

Schweigend ließ sich Haruka am nächsten Morgen von Mei Ying ihren Rücken neu eincremen und verbinden. „Werte Dame, ich...-"
„Halt den Mund, du falsche Schlange! Du bist für mich gestorben", knurrte sie. Mei Ying schluckte einmal. Sie konnte verstehen, dass Haruka sauer war. Immerhin hat sie die Braunhaarige in ihr Verderben laufen lassen. „Es tut mir Leid, werte Dame. Ich hätte Euch warnen sollen."
„Deine Entschuldigung kannst du dir sparen. Und jetzt nimm deine dreckigen Flossen von mir und hau ab. Den Weg in den Speisesaal finde ich alleine." Haruka war von Mei Ying mehr als nur enttäuscht gewesen. Sie dachte wirklich, dass sie ihre Freundin sei. Aber stattdessen folgte sie dem Kaiser blind wie ein zu gut erzogenes Hündchen. „Lasst mich bitte nur Euren Hanfu...-"
„Ich hab gesagt, du sollst deine dreckigen Flossen von mir lassen. Raus aus meinem Zimmer, oder ich werde ungemütlich."

Verärgert über die Untreue ihrer persönlichen Magd, bindet sich Haruka den Hanfu selbst zu. Das sah man direkt auch, denn er war unförmig und schlampig gebunden worden. „Du brauchst dich hier gar nicht mehr sehen zu lassen", sagte Haruka noch, bevor sie sich auf wackeligen Beinen in den Speisesaal begab. Qin Shi Huang wirkte unzufrieden. „Hat Mei Ying zu tief ins Glas geschaut, oder hast du deinen Hanfu selbst gebunden?" Er schnippte einmal und gab einer Zofe zu verstehen, dass sie diese Katastrophe schleunigst beseitigen soll. „Ich habe Mei Ying gefeuert, also könnt Ihr Eure Frage selbst beantworten."
„Du kannst Mei Ying nicht feuern, meine Liebe. Sie ist meine Untergebene und nicht deine. So funktioniert das leider nicht." Der Kaiser lächelte sie wie immer sanft an und ließ dann das Frühstück bringen. „Ich habe heute etwas Besonderes machen lassen. Sozusagen, um dich ein bisschen aufzumuntern." Das Frühstück wurde aufgetischt und die Servierglocke angehoben.

Sofort zog Haruka der Geruch von Eier und Speck durch die Nase. Dazu eine dampfende Tasse voll Kaffee und ein süßes Honigbrötchen, starrte sie ihr Frühstück an. „Eine kleine Maus hat mir zugeflüstert, dass man so etwas in Deutschland gerne zum Frühstück isst. Na? Freust du dich?" Haruka starrte den gebratenen Speck einfach nur an. Eigentlich aß sie ihn wirklich gerne, doch sein Anblick und sein Geruch, jagten ihr zwei Wörter durch den Kopf. Gepökelter Schweinekamm. Plötzlich drangen die frisch verdrängten Erinnerungen wieder nach oben. „Haruka? Stimmt etwas nicht?" In einem Déjà-vu gefangen, durchlebte sie diesen Alptraum zum zweiten mal. Sie konnte erneut ihre lauten Schreie hören und die Schläge der Peitsche auf ihrem Rücken spüren. „Haruka, was ist los?" Qin's Stimme klang für sie so unendlich weit entfernt. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass ihr die Tränen aus den Augen liefen. „Dreizehn... Vierzehn... Fünfzehn... Sechzehn... Siebzehn...", murmelte sie vor sich her. Sie zählte die Peitschenhiebe, so wie man es von ihr verlangt hatte.

Der Kaiser stand auf und wollte zu ihr gehen. Zwei Sekunden später, schnellte Haruka zur Seite und erwischte gerade noch die bronzefarbene Blumenvase, um darin laut würgend ihren nicht vorhandenen Mageninhalt zu entleeren. „Ming Ming, geh den Arzt holen", befahl Qin und die Zofe setzte sich sofort in Bewegung. Haruka hob den Kopf, doch als sie den Speck sah, verkrampfte sich ihr Magen erneut. Von diesem Tage an, konnte sie kein Schweinefleisch mehr essen.

Der kaiserliche Arzt hatte Haruka eine Infusion gelegt und strenge Bettruhe verordnet. Das schmerzstillende Medikament hatte sie müde gemacht, weshalb die junge Frau eingeschlafen ist. „Wie sieht es aus?", wollte der Kaiser wissen. „Sie braucht dringend Bettruhe und sollte keinem Stress ausgesetzt werden. Gebt ihr viel frisches Obst und Gemüse zu essen, dann werden auch ihre Wunden besser verheilen." Qin nickte und schickte den Arzt dann wieder weg.


„Uhh...", stöhnte Haruka leise. Sie blinzelte verschlafen und kam langsam zu sich. „Was...wo...?" Leichte Verwirrung machte sich breit. Das lag an den Medikamenten, die man ihr gegeben hatte. Benommen setzte sie sich auf, und entdeckte neben ihrem Bett einen Servierwagen. Darauf stand ein Tablett mit einem abgedeckten Essen. Haruka zog die Speiseglocke nach oben. Darunter verbarg sich ein asiatisches Mischgemüse mit Kokosmilch. Daneben stand eine kleine Schüssel mit einem Obstsalat und auf der anderen Seite sah sie einen dampfenden Kräutertee, der auf einem Stövchen stand. Leicht verschwommene Erinnerungen kehrten zurück. Haruka fiel ein, dass sie heute noch nichts gegessen hat. Für einen langen Moment, starrte sie das Gemüse einfach nur an. Dann setzte sie die Speiseglocke wieder über den Teller ab. Haruka ging es nicht gut. Sie fühlte sich wie ein Kunstwerk von Picasso auf Drogen.

Plötzlich klopfte es an der Tür, weshalb sie einmal stark zusammenzuckte. Mei Ying kam herein. „Werte Dame, Ihr seid aufgewacht." Die niedere Dienerin hat die Zurückweisung von Haruka nicht vergessen, weshalb sie sich nur langsam näherte. „Kann ich etwas für Euch tun?" Sie reagierte gar nicht auf Mei Ying, sondern starrte nur benommen vor sich her. „Hast du nach Henry gesehen?", fragte Haruka auf einmal. „Verzeihung, werte Dame...?"
„Das liegt an den Medikamenten. Der Arzt hat mir schon gesagt, dass sie vorübergehende Verwirrung oder Benommenheit verursachen können." Mei Ying ging einen Schritt zur Seite und verneigte sich vor ihrem Herrscher. „Haruka, meine Liebe. Wie geht es dir?" Sie sah Qin Shi Huang einfach nur an. „Hast du nach Henry gesehen?", fragte sie erneut. „Ja, habe ich. Es geht ihm gut." Er lächelte sie an. Da ließ er es ihr sogar einmal durchgehen, dass sie ihn duzt. „Ich hab noch ein Brot im Ofen...", murmelte sie. „Das habe ich schon herausgeholt, keine Sorge." Er hob nun die Speiseglocke an. „Haruka, du hast ja noch gar nichts gegessen."
„Kein Hunger...", sagte sie bloß.

Qin nahm die Gabel und spießte eine Bambussprosse damit auf. „Iss", sagte er und hielt es ihr an den Mund. Haruka konnte den exotischen Geruch wahrnehmen, der von den Sprossen und der Kokosmilch ausging. Da sendete ihr Gehirn eine Meldung an den Magen, dass es doch einmal Zeit für eine neue Nahrungsaufnahme wurde. Daher öffnete sie den Mund und ließ sich die Sprosse in diesen hineinstecken. Es schmeckte fremd und leicht fruchtig. „Du darfst gehen, Mei Ying", befahl er. „Jawohl, Eure Majestät." Sie verneigte sich noch einmal und ging dann das Zimmer verlassen. Trotzdem schwirrte der einfachen Magd eine ganz bestimmte Frage im Kopf herum. Wer... ist Henry...?


Die Tränen der KaiserinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt