Wut und Verzweiflung

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Zwei Jahre sind vergangen. Heute war ein besonderer Tag, denn Chen Lu wurde zwei Jahre alt. Das wehrlose Baby von damals, war zu einem lebhaften und hübschen Kleinkind herangewachsen. Qin Shi Huang hatte seiner Tochter ein schönes, rotes Kleidchen angezogen. Gerade saß er hinter ihr, um ihr dickes Haar zu kämmen. „Papa, wieso hat Mama mich nicht lieb?" Der geduldige Vater zog ihr die Haarbürste über den Schopf, bevor er anfing einen Zopf zu flechten. „Wie kommst du denn darauf, dass Mama dich nicht lieb hat? Zugegeben, sie ist eigensinnig und etwas schwierig. Doch tief in sich drin, hat dich Mama sehr wohl lieb." Chen Lu grinste einmal breit. „Wirklich?", fragte sie. „Ja, natürlich." Die kleine Prinzessin wurde fein gemacht. Kaum war sie fertig gewesen, entschlüpfte sie dem Griff ihres Vaters, um auf den Gang zu rennen. Chen Lu strahlte wie warmer Sonnenschein, denn Haruka kam gerade aus dem kaiserlichen Schlafzimmer die Treppe herunter. Das aufgeweckte Mädchen rannte direkt auf sie zu, um sich an ihrem Bein festzuhalten.

Freudestrahlend sah sie nach oben und grinste sie mit ihren Milchzähnen an. „Ahhh... Mama? Mama!" Sie löste sich von ihrem Bein und streckte ihr die kleinen Ärmchen entgegen. Chen Lu wollte von ihrer Mutter auf den Arm genommen werden. Haruka packte das Kind am Schlafittchen und zog sie zu sich auf Augenhöhe hoch. Die kleine Prinzessin hing wie ein Kitten im Maul seiner Katzenmutter da. Dann ließ die Kaiserin sie wieder herunter und gab ihr einen Klaps auf den Hintern. „Zisch ab, du kleine Kröte! Und hör auf mich Mama zu nennen. Ich bin nicht deine Mama." Danach ging sie einfach weiter und ließ das kleine Mädchen stehen. Chen Lu's zweifarbige Augen füllten sich mit Tränen. Einen Moment später, brach sie in einem lautstarken Heulkrampf aus. Ihr Vater war sofort zur Stelle, um sie zu trösten. „Hey, was ist denn passiert, Süße?" Chen Lu klammerte sich an ihrem Papa fest. Sie heulte und schluchzte, während sie ihn mit ihren abgesonderten Körpersäften beschmutzte. „Mama... Mama... hat... hat.... mich..." Qin Shi Huang musste seine Tochter erst einmal beruhigen, damit sie erzählen konnte, was passiert war.

„Immer diese Haruka...", stöhnte er. „Zhao Fey!" Er rief die Zofe zu sich und befahl ihr sich um die Kleine zu kümmern. Danach ging er seiner launischen Ehefrau hinterher. „Haruka, wir müssen reden." Er ließ ihr keine Zeit, um zu antworten, sondern stellte sich ihr direkt in den Weg. „Haruka, reiß dich gefälligst zusammen! Chen Lu hat heute Geburtstag, du solltest sie wirklich nicht so lieblos behandeln. Nimm sie zumindest einmal in den Arm und sag ihr, dass du sie lieb hast." Die Braunhaarige sah ihren Ehemann unbeeindruckt an. „Ach, das war heute? Komisch, muss mir entfallen sein. Naja, wie auch immer. Euch noch viel Spaß und so." Sie wollte sich an ihm vorbei quetschen, doch ihr Ehemann ließ sie nicht durch. „Treib es nicht auf die Spitze, meine Liebe, sonst werde ich richtig sauer. Du wirst Chen Lu doch zumindest zweimal im Jahr ein bisschen Liebe und Aufmerksamkeit schenken können."

Haruka fing an zu lachen. „Lass mich kurz darüber nachdenken: Nein! Wieso sollte ich auch? Ich liebe diese kleine Göre nicht. Sie ist mir völlig egal und interessiert mich auch nicht. Kann ich jetzt gehen? Ich will dann noch in den Trainingsraum und hinterher ein Bad nehmen." Qin Shi Huang holte aus und wollte sie ohrfeigen. Vorher duckte sie sich jedoch hinweg, um seiner Maulschelle entgehen zu können. „Du bist inzwischen echt berechenbar geworden, Ying Zheng. Lass dir endlich mal was neues einfallen, das ist langweilig." Sie drückte ihm die Nase kurz platt. „Du bist echt alt geworden, mein Schatz. Vielleicht solltest du mal darüber nachdenken und in Rente gehen. Und jetzt entschuldige mich, ich hab noch eine Verabredung mit der Badewanne." Sie tätschelte seine Wange und ging. „Haruka! Wenn ich dich um 15 Uhr nicht im Teezimmer antreffe, werde ich gerne kreativ und denk mir was neues für dich aus." Kaum war ihr Wochenfluss vorbei gewesen, ging sie regelmäßig in den Fitnessraum, um wieder in Form zu kommen. Zwar hatte sie ihren flachen Bauch wieder zurückbekommen, doch ihre Dehnungsstreifen würden für immer bleiben.

Der Kaiser hatte alle Hände voll zu tun, damit er Chen Lu wieder beruhigen konnte. Das kleine Mädchen hatte so dolle geweint, dass ihr Vater sie umziehen und erneut kämmen musste. Am Nachmittag, sah er nervös auf die Uhr. Es war kurz vor Teezeit und seine Frau hatte sich nicht ansatzweise blicken lassen. Qin Shi Huang zerbrach einen Keks, mit dem er vor lauter Anspannung herumgespielt hatte. Gerade deshalb, war der Geburtstag für Chen Lu gleich doppelt etwas Besonderes, denn normalerweise durfte sie keine Süßigkeiten essen. Das erlaubte ihr Vater nur an besonderen Tagen, wie ihrem Geburtstag oder chinesisches Neujahr. Qin Shi Huang erzog seine Tochter mit festen Regeln und duldete kein aufmüpfiges Verhalten. Er achtete sehr auf ihre Ernährung, wo der Verzicht auf zuckerhaltige Genussmittel an oberster Stelle stand. Es wurde in just in diesem Moment genau 15 Uhr und Haruka war noch immer nicht da. Anscheinend war der Kaiser zu nachsichtig mit ihr die letzten Monate, doch diesmal würde er sie wirklich bestrafen. Gegen seine Erwartungen, tauchte Haruka eine halbe Minute später doch noch auf.

Sie setzte sich neben ihren Ehemann auf ihr Sitzkissen und schenkte sich eine Tasse Tee ein. „Na schön, bringen wir diesen Kindergarten hinter uns", sagte sie. Die Braunhaarige griff in ihren Hanfu und holte ein Malbuch heraus, welches sie Chen Lu zuschob. „Hier, du kleine Nervensäge, dann machst du endlich mal etwas sinnvolles." Die 2-Jährige hatte den bissigen Kommentar gekonnt überhört, denn es war das erste mal, dass sie von ihrer Mutter etwas geschenkt bekam. Mit leuchtenden Augen, sah sie sich die Ausmalbilder an, die Blumen, Tiere und Schmuck zeigten. Alle waren sie weiß, sodass man sie nach den eigenen Wünschen bunt ausmalen konnte. Chen Lu fing an breit zu grinsen. „Danke, Mama!" Sie quietschte vergnügt und drückte das Malbuch an sich. „Ich bin nicht deine Mama", sagte sie relativ ruhig und nahm einen Schluck vom Tee. Im großen und ganzen ist es noch ein recht entspannter Nachmittag geworden.

Nach dem Abendessen, wurden Chen Lu die Zähne geputzt und ins Bett gebracht. Qin las ihr noch eine Gute-Nacht Geschichte vor, bevor er sie nochmal küsste und ihr über den Kopf strich. „Gute Nacht, Papa... ich hab dich lieb", sagte sie müde. „Ich hab dich auch lieb, meine kleine Prinzessin. Schlaf gut und träum was schönes." Er deckte sie anständig zu und ließ sie dann alleine. Am späten Abend, hatte sich Qin Shi Huang mit seiner Ehefrau ins kaiserliche Schlafzimmer zurückgezogen. „Haruka, ich habe dich noch nie so viel Herz zeigen sehen." Er legte sich zu ihr und kuschelte sich an sie. „Redest du von dem blöden Malbuch? Das hab ich nur gemacht, damit die kleine Wanze mich in Ruhe lässt." Der Kaiser schmunzelte. „Weißt du, meine Liebe, ich wollte mich mit dir über eine wichtige Sache unterhalten. Hast du vielleicht einen Moment lang Zeit für mich?" Haruka brummte. „Mach es kurz", murrte sie. Qin Shi Huang fing an ihren Arm auf und ab zu streicheln. „Zuerst solltest du wissen, dass ich trotz deiner Biestigkeit sehr stolz auf dich bin. Es geht um eine Sache, die dir höchstwahrscheinlich nicht gefallen wird. So sehr ich Chen Lu auch liebe, doch ich brauche einen männlichen Thronerben. Du weißt also, worauf ich hinaus will?"

Plötzlich ist es im Raum totenstill geworden. Haruka schlug ihm die Hand weg, schob ihn von sich und drehte sich zu ihm um. „Habe ich das gerade richtig verstanden, Shin? Du verlangst allen ernstes von mir, dass ich noch ein Kind bekomme?"
„Wenn du es so direkt ausdrücken willst: Ja! Ich möchte, dass wir noch ein Kind zeugen." Haruka brach in schallendes Gelächter aus. „Das ist wirklich lustig", grunzte sie. „Du glaubst doch nicht wirklich allen ernstes, dass ich mir erneut ein Kind von dir machen lasse und die ganze Scheiße erneut durchmachen muss, oder? Außerdem was machst du, wenn es wieder ein Mädchen wird?" Qin Shi Huang sah sie entspannt an. „Du bist noch jung und kannst noch ein paar Kinder bekommen." Die Kaiserin sah ihn feindselig an. „Oh, aber natürlich! Du musst dich ja nicht monatelang treten lassen und raus pressen musst du es auch nicht." Am liebsten hätte sie ihm eine gescheuert. „Ich sag dir jetzt mal was, Shin. Das hier ist mein verdammter Körper und mein verdammtes Leben. Auch wenn du der Kaiser von China bist, gibt dir das noch lange nicht das Recht über mich und meinen Körper zu bestimmen. Du willst etwas haben, was nur ich dir geben kann. Wenn du es also in Erwägung ziehst und wirklich ein zweites Kind willst, wirst du wohl oder übel mit mir verhandeln müssen."

Qin Shi Huang war ebenso erstaunt wie überrumpelt gewesen, dass sie nicht sofort ablehnte, sondern ihm die Chance dazu gab, ihr ein Angebot zu unterbreiten. „Du bist wirklich ein gerissenes Biest, weißt du das eigentlich? Na schön, was willst du haben?"
Haruka zuckte mit den Schultern. „Mach mir einen Vorschlag", sagte sie. Ihr Ehemann dachte darüber nach, bevor er antwortete. „Ich gebe dir uneingeschränkten Zugang zu allen Räumlichkeiten und du darfst dreimal die Woche anziehen, was du willst", schlug er vor. „Abgelehnt!" Das hätte Qin auch gewundert, wenn sie einfach zugestimmt hätte. „Na schön, ich gestatte dir wieder nachts das Schlafzimmer zu verlassen und darfst in Begleitung von zwei Wachsoldaten jederzeit den Palast verlassen." Sie lehnte wieder ab. „Nein, das ist mir immer noch nicht genug." Langsam bekam ihr Ehemann eine Wutader an seiner Schläfe. „Du machst mich wirklich langsam wütend, Haruka. Du bekommst wieder ein eigenes Zimmer und musst nicht mehr bei mir schlafen. Ist es das, was du willst?" Die Kaiserin gähnte einmal gelangweilt. „Und dieses Angebot, lehne ich ebenfalls ab. Komm schon, Shin. Ist dir dein möglicher Thronfolger wirklich nicht mehr wert?" Sie hatte ihn in der Hand und trieb ihn an seine Grenzen. Natürlich könnte er sie jederzeit einfach vergewaltigen und ihr gewaltsam ein Kind machen. Doch auf dieses Niveau, würde sich der chinesische Kaiser niemals herunterlassen.

„Ich gebe es auf, Haruka. Sag mir einfach, was du willst." Sie grinste ihn einmal triumphal an. „Was ich will?" Sie schmunzelte. „Nun, ich will..." Sie flüsterte es ihm schamlos ins Ohr. Daraufhin erlitt er solch einen Schock, dass er sich einfach seine Augenbinde vom Kopf riss und sie mit seinen rubinroten, sternenförmigen Augen anstarrte. „Was?! Das kann doch nicht dein verdammter Ernst sein! Haruka, das geht nicht. Weißt du eigentlich, was du da von mir verlangst?"
„Natürlich weiß ich das, sonst hätte ich dir das kaum gesagt. Es ist deine verdammte Entscheidung, Shin. Das ist meine Forderung für ein zweites Kind. Akzeptiere sie, oder freunde dich schon mal mit dem Gedanken an, eine Frau auf den eisernen Thron zu setzen. Und jetzt halt die Klappe und lass mich schlafen, ich bin müde." Haruka drehte ihm bockig den Rücken zu und mümmelte sich in die Bettdecke ein. Währenddessen hatte sie ihren Ehemann absolut sprachlos zurückgelassen. Er drehte sich auf den Rücken und starrte die Decke an. „Ich werde darüber nachdenken...", sagte er dann noch leise.

In dieser Nacht, konnte Qin nicht schlafen. Ihm spukten die Worte seiner Ehefrau im Kopf herum, die ihm unentwegt den Schlaf raubten. Gegen halb drei in der Nacht, gab er es auf und verließ das kaiserliche Schlafzimmer. „Majestät, könnt Ihr nicht schlafen?" Er schüttelte den Kopf. „Nein, kein bisschen." Er musste dringend mit jemanden über diese Thematik reden, daher haute er seinen kaiserlichen Berater mitten in der Nacht aus dem Bett raus. Cheng Fu stöhnte einmal, als er sich den Sand aus den Augen rieb. „Eure Hoheit..." Er setzte sich aufrecht hin und gähnte einmal müde. „Bedrückt Euch etwas, Majestät? Es ist selten, dass Ihr mich weckt."
„So könnte man es ausdrücken, alter Freund. Ich brauche dringend deinen Rat, ich weiß nicht, was ich tun soll." Cheng Fu brauchte einen Moment, um wach zu werden. Dann ließ er sich die ganze Geschichte erzählen. „Oh, verstehe, verstehe... Eure Gemahlin ist wirklich eine Hexe, wenn ich das so sagen darf." Der kaiserliche Berater dachte nach, bevor er seinem Herrscher antwortete. „Ihr wisst, dass das in einer absoluten Katastrophe enden wird, oder? Ich rate Euch, der Forderung nicht leichtsinnig nachzukommen. Vielleicht solltet Ihr noch eine weitere Verhandlung oder eine Zusatzvereinbarung mit der Kaiserin aushandeln." Über diese Möglichkeit, hatte der Kaiser gar nicht nachgedacht. Doch es war durchaus ein guter Vorschlag gewesen.

„Du bist eben nicht umsonst mein persönlicher Berater. Mal sehen, ob ich Haruka nicht wieder von ihrem hohen Ross herunterholen kann." Er wünschte Cheng Fu eine gute Nacht und kehrte in sein Schlafgemach zurück. Am nächsten Vormittag, wollte Qin Shi Huang nochmal das Gespräch mit seiner Frau suchen. „Ich habe jetzt eine Nacht darüber geschlafen. Ich bin mit deiner Forderung nicht einverstanden. Allerdings... -" Er ließ sie nicht zu Wort kommen. „Bin ich bereit dem nachzukommen, wenn du deinen Teil des Handels zuerst erfüllst." Haruka sah ihn an. Sie überlegte, ob sie lachen oder weinen sollte. Nach kurzer Überlegung, entschied sie sich für die dritte Option: Sie wurde wütend. „Das kannst du dir abschminken, Freundchen! Diesmal nicht, Shin, diesmal nicht..." Ihr starkes Misstrauen war berechtigt gewesen, denn woher sollte sie wissen, ob er seinen Teil dann auch noch einhalten würde? „Haruka, du weißt ganz genau, dass ich...-"
„Es ist mir scheißegal, was du brauchst und wer du bist. Und wenn du dich auf den Kopf stellst und mit den Beinen wackelst, es bleibt bei Nein!" Die Kaiserin hatte keine Lust mehr, um mit ihrem nervigen Ehemann zu diskutieren, weshalb sie ihn einfach stehen ließ.

Qin Shi Huang schnaufte einmal tief durch. Er war wütend über die Tatsache, dass die Braunhaarige versuchte ihren Dickschädel gegen ihn durchzusetzen. Nur leider saß sie am längeren Hebel und das wusste sie auch. Am Abend des gleichen Tages, versuchte es der Landesherrscher noch einmal. Nur diesmal hatte er einen schriftlichen Vertrag dabei. Er hielt ihr diesen wortlos hin. Haruka nahm das Schriftstück und las es sich aufmerksam durch. Noch im gleichen Atemzug, knüllte sie es zusammen und gab es ihrem Ehemann zurück. Dann drehte sie ihm bockig den Rücken zu und ging ohne ein Wort zu sagen. Wut und Verzweiflung stiegen im Kaiser hoch. Drei Tage dachte er darüber nach. Am vierten Tag, kam er wieder mit einem schriftlichen Vertrag zu ihr. Es waren die gleichen Forderungen von beiden Seiten, nur in umgekehrter Reihenfolge. Haruka grinste einmal zufrieden. Sie las sich auch das Kleingedruckte durch, bevor sie nach einem Stift verlangte und den Vertrag unterschrieb. „Geht doch... geht doch!" Zufrieden und schadenfroh lachend, kehrte sie ins kaiserliche Schlafzimmer zurück. „Ihr habt einen großen Fehler gemacht, Majestät..." Qin seufzte. „Ich weiß, Cheng Fu... ich weiß... Aber sie sitzt nun einmal am längeren Hebel. Ich habe keine Wahl. Komm mit, mein alter Freund. Ich muss eine Besprechung einleiten und die ersten Vorbereitungen treffen."


Die Tränen der KaiserinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt