Vorbereitungen

124 4 8
                                    

Qin Shi Huang bot Haruka seine Hand an. Sie umfasste diese und machte ziemlich große Augen, als sie aus der Kutsche stieg. „Whoa...", entfleuchte es ihr. Der jungen Frau klappte der Kiefer staunend nach unten. „Beeindruckt?" Vor ihr erstreckte sich ein riesiges Palastgebäude. Es war mit Sicherheit doppelt so groß wie der Palast in Handan. „Das ist mein eigentlicher Hauptsitz in China, ich bevorzuge es aber, mich im Nebensitz aufzuhalten." Kein Wunder, dass das Gebäude so groß war. Haruka drückte Shixin an sich, während sie dem Kaiser zu der Treppe des Grauens folgte. Eingeschüchtert sah sie nach oben. „Du liebe Güte, Ihr verlangt aber nicht von mir, dass ich die alle hoch steige, oder?", fragte sie. „Doch", sagte er. „Das schaffst du schon. Es sind doch bloß knapp zweihundert Stufen, also komm schon." Haruka stöhnte einmal laut, als Qin Shi Huang sie tatsächlich diese Treppe hinauf scheuchte. Nach etwa einem Viertel, ging sie in die Knie und hechelte wie ein verdursteter Hund. Ihr stand trotz der Kälte der Schweiß auf der Stirn.

„Haruka... Haruka... an deiner Kondition müssen wir noch arbeiten", piesackte er sie. Qin nahm sie auf den Arm, um seine zukünftige Frau romantisch nach oben zu tragen. Sie sagte nichts dazu, sondern streichelte wortlos ihr Kätzchen weiter. Am oberen Ende der Treppe, ließ er sie wieder herunter. Haruka grinste. „Ihr seid aber ganz schön ins Schwitzen gekommen, Majestät", kicherte sie. „Nun, für gewöhnlich muss ich nur mein eigenes Gewicht tragen. Dein neues Hauskätzchen war zu schwer, wir sollten es loswerden." Sofort wich sie einen Schritt zurück und drückte Shixin an sich. „Entspann dich, ich habe nur Spaß gemacht. Komm jetzt, wir haben noch viel zu tun." Dieser riesige Palast war dem Aufbau von dem in Handan nicht unähnlich. Es gab ein Teezimmer, einen Speisesaal. Viele Badezimmer, sowie einen Fitnessraum und andere Räume, die Haruka bereits aus Handan kannte. Das Schwimmbecken und die Sauna waren allerdings neu.

Während Qin Shi Huang bereits wieder mit Befehle bellen beschäftigt war, schaute sich Haruka lieber die Räumlichkeiten an. Sie wanderte von Tür zu Tür, sah in die dazugehörigen Zimmer hinein und spürte die brennenden Blicke der Soldaten, die sie unentwegt beobachteten. So viele neue Gesichter, so viele neue Räume. Die Braunhaarige war extrem verunsichert. Sie fühlte sich komplett allein gelassen und wusste nicht, wohin sie sich zurückziehen konnte. „Werte Dame, hier seid Ihr also." Haruka wirbelte herum. „Mei Ying! Wo kommst du denn auf einmal her?"
„Ich war im Versorgungstrupp untergebracht. Es überrascht mich mehr, dass Ihr mich nicht bemerkt habt. Seine kaiserliche Majestät bat mich darum, mich um Euch zu kümmern. Bitte folgt mir." Die niedere Dienerin brachte Haruka in den siebten Stock, wo gerade ein Zimmer für sie hergerichtet wurde. „Das ist Euer Rückzugsort für die nächsten Tage. Für die ehrenwerte Katze wird ebenfalls gesorgt." Haruka ließ Shixin herunter, die sofort damit begann ihre neue Umgebung zu erkunden.

„Ihr solltet Euch ein wenig ausruhen, werte Dame. Ich hole Euch ab, wenn es Zeit für das Abendessen wird." Mei Ying verbeugte sich einmal und ließ sie dann alleine. Haruka seufzte. Dieses fremde Zimmer wirkte kahl und leer. Wie lange sie inzwischen schon in China war, wusste sie nicht. Zwar mag sich die junge Frau inzwischen an die Situation gewöhnt haben, doch glücklich war sie nach wie vor nicht. Shixin fing an, sich in das gefährlichste Kätzchen der Welt zu verwandeln. Die kleine Kätzin sträubte ihr Nackenfell, während sie todesmutig mit einem Hausschuh kämpfte. Haruka lächelte. Es erinnerte sie daran, wie müde sie eigentlich war. Daher legte sie sich in das frisch bezogene Bett hinein, um ein kleines Nickerchen zu machen. „Werte Dame, wacht auf!" Haruka schnellte nach oben. „Ich war das nicht, ich hab das nicht getan", sagte sie verstört. Mei Ying blickte die Braunhaarige irritiert an. „Werte Dame, Ihr habt geträumt. Alles ist okay." Die Magd lächelte sie an. „Ich soll Euch zum Abendessen abholen. Folgt mir bitte."

Haruka brauchte noch einen Moment, um wieder klar denken zu können. „Der Kaiser wird sicher wütend werden, wenn ich nicht erscheine, oder?" Mei Ying nickte. „Das ist korrekt", sagte sie. Mit wirren Gedanken, folgte sie ihrer Magd in den Speisesaal. „Haruka, meine Liebe, du bist spät dran. Setz dich." Sie gehorchte ohne Widerworte und machte es sich auf dem Sitzkissen bequem. Die Speiseglocke wurde angehoben. Darunter kam Jiaozi zum Vorschein. Die kleinen, gefüllten Teigtaschen, gaben einen fremd vertrauten Geruch von sich. „Iss", forderte er sie auf. Qin Shi Huang hoffte für seinen Koch, dass da kein Schweinefleisch drin war, sonst würde er ihn köpfen lassen. Haruka nahm ihre Essstäbchen, nahm eine Teigtasche auf und steckte sie sich in den Mund. Vorsichtig kaute sie darauf herum und machte keine Anstalten, um würgen zu müssen. „Es schmeckt anders als sonst", sagte sie. Der Kaiser wirkte erleichtert. „Das überrascht mich nicht, immerhin kocht Maodeyan anders als Ning Chao."

Haruka hatte ihre Teigtaschen restlos aufgegessen. Bevor Qin Shi Huang sie gehen ließ, wurde ihr noch ein Glückskeks aufgetischt. Sie zerbrach ihn in der Mitte und zog die Botschaft auf dem kleinen Zettel heraus. „Lies mir vor, was darauf steht." Die junge Frau presste ihre Lippen fest zusammen. Sie sah sich die komplizierten Schriftzeichen an, versuchte sich an den Unterricht mit Chao Dan zu erinnern. „Ich warte", sagte Qin ungeduldig. Haruka schluckte einmal. „Da steht... der Kaiser stinkt...", sagte sie. Sein anfängliches Lächeln, schlug augenblicklich in eine gereizte Miene um. „Du wirst mir schon wieder viel zu vorlaut, meine Liebe. Auch in diesem Palast habe ich ein schalldichtes Zimmer. Du musst nur bescheid sagen, wenn du da rein willst." Haruka brach noch im selben Atemzug der Angstschweiß aus. „Entschuldigung...", fiepste sie leise. Qin Shi Huang kam näher. Er nahm ihr den Spruch aus dem Glückskeks weg. „Da steht: Du hast es gut, du hast mich", las er vor. „Das ist irgendwie sarkastisch...", sagte sie leise. Danach durfte sie endlich gehen.

Der Kaiser hatte sich am späten Abend in das oberste Stockwerk zurückgezogen. Mitten in der Nacht wurde er wach, da ihm ein unbehagliches Gefühl über den Rücken kroch. „Haruka?" Keine Antwort. Er schälte sich aus dem Bett, um im Badezimmer nachzusehen. Das Fenster stand offen. „Nicht schon wieder..." Doch es hing kein Seil heraus. Da fiel ihm die kleine Leiter an der Hausmauer auf. Qin Shi Huang fand sie auf dem Dach, wo sie auf dem Rücken lag und die Sterne beobachtete. „Hier bist du also. Komm wieder ins Bett, du wirst dir noch den Tod holen." Haruka setzte sich auf, als er ihr die Hand reichte. „Wäre das so schlimm?", fragte sie. „Für mich schon", antwortete er. „Na dann..." In der nächsten Sekunde, rannte Haruka los, um sich kopfüber vom achten Stock aus in die Tiefe zu stürzen.

Qin Shi Huang schreckte mit einem lauten Schrei nach oben. Ihm lief der Schweiß am Körper herunter, während seine Nachtwache die Tür öffnete. „Majestät, ist alles in Ordnung?" Der Schreck saß noch tief in ihm. „Ja, alles in Ordnung. Ich hatte nur einen Alptraum." Der Kaiser wischte sich mit einer Hand über das Gesicht, bevor er sich aus seinem Bett herausschälte. Eilig ging er in den siebten Stock, um nach seiner zukünftigen Frau zu sehen. Doch da bekam er schon den nächsten Schock. Das Zimmer war leer. Lediglich die kleine Katze lag auf ihrem Kissen und schlief. „Verflucht nochmal, sie streunt schon wieder alleine im Palast herum. Oh, verdammt wie ich das hasse." Der Kaiser schickte sofort seine Wachen los, um sie zu suchen. „Wir wissen, wo sich Lady Haruka befindet", sagte eine Wache. „Und warum wurde ich dann nicht geweckt?"
„Es bestand keine Fluchtgefahr." Der Soldat verriet seinem Herrscher, dass er Haruka im fünften Stock in Zimmer sieben finden würde. Vorsichtig öffnete er die Tür und sah sie bereits.

Die Braunhaarige stand vor einem ziemlich großen Aquarium und sah den farbenfrohen Fischen beim schwimmen zu. Ihre grünen Augen folgten einem Skalar, der majestätisch und anmutig durch das Wasser glitt. Qin ging zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Haruka wirbelte herum und gab einen lauten Schrei von sich. Sie war so auf die Fische konzentriert, dass sie ihn gar nicht bemerkt hatte. „Müsst Ihr Euch immer so anschleichen?" Ihr Herz klopfte noch heftig gegen ihren Brustkorb. „Verzeih, ich wollte dich nicht erschrecken." Er sah in das Aquarium. „Kannst du nicht schlafen?"
„Nein, nicht wirklich..." Eine fremde Umgebung, machte ihr häufig zu schaffen. Plötzlich packte der Kaiser sie am Handgelenk und zog sie an sich heran. Er legte seine Arme um sie und drückte sie sanft an sich. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht", sagte er. Doch diese eigentlich liebevolle Geste, löste in Haruka eine Panikattacke aus. Bevor er ihren Qi-Fluss attackiert hatte, lag sie auch so in seinen Armen.

Schweiß brach ihr aus, der Herzschlag beschleunigte sich. Dann folgte der laute Angstschrei. Sie stieß ihn von sich weg. „Fass mich nicht an, du Ungeheuer!" Haruka bekam eine Dose mit Fischfutter zu fassen, die sie ihm an den Kopf warf. Qin Shi Huang konnte dem Geschoss gerade noch ausweichen. „Hey, was soll denn das?" Obwohl er seine Augenbinde trug, konnte sie das rubinrote Augenpaar dahinter sehen. Der Kaiser hatte ziemlich schnell begriffen, dass seine harmlose Geste sie getriggert hatte. Bestimmte Situationen, lösten eine starke Reaktion in ihrem Angstzentrum aus. Qin hob die Hand, als ein paar Wachen in das Geschehen eingreifen wollten. „Haruka, ich werde mich da hinsetzen und du wirst dich da hin setzen. Dann warten wir, bis du dich wieder beruhigt hast, okay?" Er setzte sich auf den Platz, auf den er gedeutet hatte. Dabei ließ sie ihn keine Sekunde aus den Augen. Sie nahm ihm gegenüber ihre Position mit ausreichend Abstand ein. „Ich sehe dich...", keuchte sie ängstlich. Qin ließ es ihr durchgehen, dass sie ihn duzte. Immerhin hatte sie im Moment ganz andere Probleme. Es dauerte fast eine Stunde, bis sich Haruka wieder beruhigt hatte. „Gut." Er stand langsam auf. „Und jetzt gehst du in dein Zimmer zurück und ich gehe in meines." Er wies eine Wache an, sie dorthin zurück zu bringen.

Haruka war am nächsten Morgen überaus nervös gewesen. Ihr wurde erst jetzt bewusst, was sie letzte Nacht getan hatte. Sie hatte den Kaiser nicht nur geduzt, sondern sogar angegriffen. Mit den schlimmsten Horrorvorstellungen, malte sie sich die schrecklichsten Bestrafungen aus. Die Braunhaarige konnte einen Laut nicht unterdrücken, als Mei Ying sie zum Frühstück brachte. „Werte Dame, Ihr seid heute sehr nervös. Sicher seid Ihr wegen der Hochzeit aufgeregt." Als Haruka den Kaiser erblickte, schnürte es ihr die Kehle zusammen. „Setz dich", forderte er sie auf. Sie gehorchte. „Dir scheint es wieder besser zu gehen. Iss etwas, ich bin schon fertig. Ich muss heute noch wichtige Dinge erledigen." Haruka war irritiert. Obwohl sie so respektlos zu ihm war, sah der Kaiser weder verärgert noch schlecht gelaunt aus. Er wirkte eher gestresst auf sie. Haruka sah ihm hinterher, wie ein Berater und eine Zofe ihm folgten. Sie hatte ja keine Ahnung, unter welchem Druck der Landesherrscher aktuell stand. „Okay...", sagte sie verwirrt und hob die Speiseglocke an. Die junge Frau biss einmal von der Frühlingsrolle ab. Ihr flogen unglaublich viele Gedanken durch den Kopf, während sie sich ihr Frühstück einverleibte.

Der ganze Tag, flog an Haruka wie ein großer Vogelschwarm vorbei. Sie sah in jedem Stockwerk unzählige Bedienstete von einem Raum zum anderen huschen. Man könnte meinen, dass eine Massenpanik ausgebrochen war, dabei machte man etliche Vorbereitungen für die anstehende Hochzeit, die in zwei Tagen stattfinden wird. In der Stadt, hatten sich immer mehr Menschen angesammelt. Hotels und sämtliche Unterkünfte waren bis auf den letzten Platz restlos ausgebucht. Die gedruckten Flugblätter wurden flächendeckend verteilt. Das ganze Land war wegen der Heirat des Kaisers in Aufruhr gewesen. Jeder wollte dabei sein, wenn China seit langer Zeit eine neue Kaiserin bekam. Je näher die Zeit kam, umso schlechter wurde Haruka's psychische Verfassung. So kam es, dass sich die Braunhaarige am Abend weigerte, etwas zu essen. „Werte Dame, so seid doch bitte vernünftig. Ihr müsst etwas essen und bei Kräften bleiben."

Egal wie sehr es Mei Ying auch versuchte, Haruka weigerte sich in den Speisesaal zu gehen. „Was ist denn hier los?" Die einfache Magd ging sofort zur Seite. „Majestät, ich bin untröstlich. Die werte Dame will einfach nichts essen. Egal wie sehr ich sie darum bitte, aber sie will einfach nicht."
„Verstehe", meinte Qin Shi Huang nur dazu. „Mei Ying, raus", befahl er. „Jawohl, Hoheit." Sie verneigte sich und ging. „Ich werde dir etwas zu Essen ins Zimmer bringen lassen. Dann kannst du es einnehmen, wann du willst. Deine Entscheidung." Dann ging er. Selbst am späten Abend, hatte Haruka die gebrachte Speise nicht einmal angerührt. Sie wurde von Angst und Magenkrämpfen geplagt. Ihr war bewusst geworden, was ihr bevorstand. Sie wollte nicht, sie wollte einfach nicht. Sie will den Kaiser einfach nicht heiraten. Doch wenn sie sich weigerte, würde sich an ihrer Situation nichts ändern. Haruka zog sich die Decke über den Kopf, rollte sich zu einem Embryo zusammen und versuchte in ihre Traumwelt zu entfliehen. Weit weg von der grausamen Realität, die sie schon sehr bald wieder einholen wird.


Die Tränen der KaiserinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt