Kapitel 154 - Wie... ein Schaf

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"Ich werde Ingwer nie wieder so ansehen können, wie vorher.", seufzte Louis und stützte seinen Kopf auf beiden Händen ab, während Liam belustigt Pancakes brutzelte.
"Ach? Wie hast du Ingwer denn bisher angesehen?", fragte Harry amüsiert.
"Gar nicht.", gab Louis breit grinsend zu.
"Oh, da gibt es so fiese Kombinationen.", schmunzelte Niall.
"Nee, danke. Mir hat gestern gereicht.", seufzte Louis. Er fühlte sich immer noch ziemlich alle und matschig. Der Ingwer hatte gestern noch ordentlich nachgewirkt und ihn eine ganze Weile nicht schlafen lassen. Dabei war die Hitze sehr anregend gewesen und Louis hatte gejammert, dass er direkt nochmal Sex wollte. Hatte er nicht bekommen. Sei ja immerhin eine Strafe. Oh ja. Und wie die das war.

"Und das ist auch genau so in Ordnung.", merkte Harry mit einem mahnenden Blick zu Niall an, der daraufhin den Mund wieder schloss.
Niall war ein ganz anderes Kaliber als Louis. Aber das musste man nicht vergleichen. Ebenso wenig die Sessions, die sie als strafend erachteten oder auch nicht. Für Niall wäre das gestern keine Strafe gewesen, sondern eine normale Session. Jeder hatte eben seine eigenen Grenzen. Das war kein Wettbewerb. Es war eine Frage der persönlichen Vorlieben und Persönlichkeit und Vorerfahrungen usw.. Harry kannte Louis' Grenzen inzwischen sehr genau. Er wusste, dass würde er auch nur ansatzweise psychische Strafen anwenden, wie Enttäuschung bewusst zeigen, über eine gewisse Zeit ignorieren oder auch so etwas wie ihn peinliche Texte oder Fotos in social Media posten zu lassen, wäre das für Louis ein ganz klarer Grenzübertritt. Wenn man Louis kannte, käme man aber eben auch gar nicht auf die Idee so etwas anzuzetteln. Genau das machte für Harry 24/7 zum Teil aus. Je besser man sich kannte, desto besser konnte man miteinander spielen. Es war, überspitzt gesagt, wie ein... Schaf auf der Wiese. Kannte es sich auf der Wiese nicht aus und sah nur hin und wieder Mal ein Stück Zaun, fühlte es sich nicht so sicher, wie wenn klar erkennbar war: "Da. Zaun. Einmal rund herum. Nicht drüber." Der Zaun war die Grenze und je besser man den abstecken konnte, desto unbefangener konnte das Schaf innerhalb des Zauns herum springen. Weil klar war: das, was gefährlich wird ist ja außerhalb des Zauns und weil es den Zaun sieht, kommt es dem eben nicht zu nahe.
Ihre Beziehung war das... nun ja.. eben das Schaf. Und weil 24/7 viel Kontakt bedeutete, war der Zaun deutlich zu sehen.
Hätte man jetzt eine einzelne Session mit einem Sub, sagte der einem vorab klar, wo der Zaun war, wo das Schaf eben gerade hinsah. Beispielsweise: "Ich stehe auf harte Unterwerfung und Machtspiele, gern in Verbindung mit Bondage. Keine Küsse und kein körperlicher Schmerz". Für die Session bekam man die dafür relevanten Informationen und gut. Da war es egal, wo der Rest des Zauns war, weil es für den Kontakt nicht relevant war, was jemand noch so alles mit sich herum schleppte.
Je klarer der Zaun, desto besser fand Harry das für sich.
Louis hatte gesagt, dass er keine rote Liste, also Dinge, die er nicht wolle, hätte. Wie konnte man das sagen? In dem man genau wusste, dass das Schaf die Grenzen der Wiese kannte. Auch ohne Zaun. Das Schaf rannte auch ohne Zaun nicht weg. Das drückte ein riesiges Vertrauen aus, weil Louis einfach davon ausging, dass Harry gewisse Grenzen nicht übertreten würde. In dem Sinne war da kein Zaun, aber dennoch eine Grenze, innerhalb der sie herum sprangen.
Wenn nun Liam oder auch Josh mit Louis spielte war das ein bisschen, als würde sie einen Zaun, innerhalb des Zauns aufbauen, den Harry und Louis hatten. Joshs Zaun war sehr eng geblieben, während Liam ihn immer weiter gefasst hatte, sich immer weiter vorgewagt hatte.
Harry hatte dabei gesessen und Liam, von Louis unbemerkt, mit Gestiken mitgeteilt, als der ihrem Zaun zu nah gekommen war.
Umgekehrt wäre das bei Harry und Niall auch so. Die Dynamik zwischen ihnen war anders als die zwischen Harry und Louis oder die zwischen Niall und Liam. Und damit war eben auch ihre Zaun anders. Das war keine Wertung, sondern einfach eine Tatsache.

Nun könnte es so wirken, als würde Louis sich einfach alles gefallen lassen, alles geil finden und immer wäre alles ein Erfolg. Das lag aber daran, dass sie eben über die Wiese sprangen und sich innerhalb des Zauns bewegten.
Würden sie den Zaun weiter abstecken wollen, wäre dafür eine Menge Beziehungsarbeit nötig, wenn Louis das denn überhaupt wollen würde. Da ginge es dann um Ängste oder Scham oder sonst etwas.
Würde man Louis dahin bekommen wollen, dass es für ihn okay wäre, wenn Harry sagen würde "Ich bin total enttäuscht von dir. Geh hoch. Ich will dich heute nicht mehr sehen!", wäre das sehr weit außerhalb des Zauns.

Aber wieso sollte man dort hin langen wollen? Sie fühlten sich wohl auf ihrer Wiese. Sie war groß genug, um Spaß zu haben und beinhaltete einige Unwegsamkeiten, bei denen man gut aufpassen musste. Die Wiese war groß genug, um sehr abwechslungsreich zu sein.
Es war die schönste Wiese, auf der Harry je mit jemandem als... Schaf gewesen war.
Mal abgesehen davon war dieses "über den Zaun langen" beziehungstechnisch auch einfach fürchterlich anstrengend und nichts, was man mal eben so machte. Es gab Beziehungen, die an so etwas zerbrachen, weil Vertrauen kein Pin am Handy war, wo man drei Versuche frei hatte.
Sie bewegten sich, absolut bewusst, in einem Bereich, der klare Grenzen brauchte. Sonst konnte man niemanden spanken oder eine Ingwerwurzel halb in den Hintern schieben. Das ganze Spiel war nur möglich wegen dieser Grenzen. Würde man da nun einfach Mal direkt am Zaun lang laufen oder gegen rennen, könnte man nicht vernünftig miteinander spielen. Sub könnte sich nicht fallen lassen und Dom wäre die ganze Zeit auf der Hut, ob er jetzt zu weit gegangen war.

Es hieß immer wieder, dass viele BDSMler sehr rücksichtsvoll und friedlich wären. Leute waren dann geschockt, weil die irgendwelche Hooligans erwarteten, die Leute vermöbelten. Also es gab ja noch immer Menschen die sowas glaubten.
Aber vielleicht war man deswegen rücksichtsvoller, weil man eben die Grenzen des anderen so genau kennen und akzeptieren musste? Als bewusster Prozess. Man musste darüber reden und ging nicht automatisch von einem Konsens aus. Harry wusste das nicht genau, aber es klang für ihn plausibel.

Er strich Louis durch die Haare.
"Ich liebe dich."
"Ich dich auch. Kuscheln?"
Harry breitete die Arme aus.

"Komm her, Baby."

So. Ich hoffe, das hat das nochmal verdeutlicht, weil da wohl noch Fragezeichen waren.
Fragt euch einmal selbst, würdet ihr gern in einer Beziehung sein, wo euch jederzeit eine Situation anspringen könnte, die ihr nicht wollt und das auch kommuniziert habt? Und herbei geführt wird die Situation von der Person, der ihr unbedingt vertrauen wollt.
Oder würdet ihr euer Vertrauen nicht lieber einer Person schenken, die euch und eure Grenzen akzeptiert und damit behutsam umgeht und euch daher dann irgendwann denken: Ey, du Ei. Das wars jetzt.?
Bis dann.
Viele Grüße ^⁠_⁠^

BDSM (Larry) 2 - wird fortgeführt auf StorybanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt