Kapitel 10 - Fang

31 5 2
                                    

Fang stand vor dem riesigen Forschungsgebäude zu dem Maeve ihn geschickt hatte und in dem seine beste Freundin an Kayas Seite arbeitete und ihm wurde flau im Magen bei dem strengen Geruch der Angst, der das gesamte Gelände überwucherte. Angst und Schmerz lag in der Luft und obwohl Fang wusste, dass Kayas Institut auch dafür sorgte, verletztes Wildleben aufzupäppeln, stellten sich ihm alle Haare im Nacken auf und der Wolf in ihm winselte und befahl ihm auf der Stelle kehrt zu machen und zu rennen.

Aber das tat er nicht. Stattdessen rollte er seine Schultern zweimal und betrat die leere Eingangshalle. Er würde Maeve wie abgesprochen von der Arbeit abholen und dann mit ihr ihren gemeinsamen Plan weiter ausfädeln. Maeve verstand sich inzwischen bestens mit Kaya, aber es brauchte noch ein wenig mehr, um die junge Forscherin von ihnen überzeugen zu können – das wusste Fang mit Gewissheit.

Er hatte keine Ahnung, wie sie es anstellen sollten, Kaya davon zu überzeugen mit ihnen zum Rudel zurückzukehren. Die Ärmste hatte keinen blassen Schimmer von seiner Art und ihm war bereits zuvor bewusst gewesen, dass sie ein hohes Risiko spielten, wenn sie die menschliche Frau über ihre Existenz einweihen würden. Der Gedanke sorgte nicht gerade dafür, dass sich seine Nackenhaare wieder legten.

Die Geräusche von vorbeieilenden Schritten ließen ihn zusammenzucken, bevor er sich daran erinnerte, dass er hier vorerst keiner Gefahr ausgesetzt war. Maeve würde hier nicht länger arbeiten, wenn sie sich nicht zu hundert Prozent sicher wäre, dass sie einen gewissen Schutz hier genoss. Maeve war nicht dumm und er vertraute seiner Freundin. In dieser ihm fremden Welt wäre ihm auch nichts anderes übriggeblieben.

„Ich habe mir die Proben angeschaut, die zurückgelassen wurden...", Fang spitzte bei den plötzlichen Worten neugierig die Ohren. Proben?

Maeve hatte ihm davon erzählt, dass die Einrichtung in den letzten Tagen wohl einen verletzten Wolf aufgenommen hatte. Der Gedanke daran hatte ihn ganz unruhig gemacht und er hatte sie nach Informationen gelöchert, bis sie damit herausgerückt hatte, dass sie glaubte, es wäre einer ihrer Art gewesen. Kein gewöhnlicher Wolf. Fang hatte lautstark zu fluchen begonnen und war in dem engen Raum hin und her getigert, während er inständig gebetet hatte, dass der Vorfall zu keinen Komplikationen ihres Auftrages führen würden. Er war entsetzt darüber gewesen, herauszufinden, dass Maeve glaubte, dass der Wolf des Bergrudels gewesen war, mit dem Fang an jenem Tag die Auseinandersetzung an der Territoriumsgrenze gehabt hatte.

Im Labor musste sich wohl herumgesprochen haben, dass die Wunde am nächsten Tag verschwunden war und die Erzählungen, die Maeve an ihn weitergegeben hatte, deckten sich mit seinen eigenen Erfahrungen dieses Tages. Fang hatte den anderen Wolf nach dem Biss in seinen Hinterlauf nur ganz knapp erwischt, die Wunde war bei weitem nicht so tief gewesen, wie die Klaffende an seinem eigenen Bein. Mit den besonderen Heilkräften der Wandler muss es dem Wolf möglich gewesen sein, die Wunde bis zum nächsten Tag komplett zu verheilen. Verflucht, das Ganze konnte ihnen wirklich zum Verhängnis werden – gerade jetzt, wenn Proben im Spiel waren. Verfluchte Proben! Warum hatte Maeve nichts davon erzählt?

„Ja. Es handelt sich definitiv um keinen gewöhnlichen Wolf, so viel lässt sich sagen."

Fang riss entsetzt die Augen auf, als er feststellte, dass die Stimme, die sich näherte, Kaya gehörte. In einem Anflug von Panik versteckte er sich hinter einem Pfeiler, um mehr von den Gesprächsfetzten mitzubekommen. Die Informationen konnten überlebensnotwendig für sie werden. Und Kaya? Er hatte nicht gewusst, dass Kaya so aktiv an den Wölfen forschte. Sein Wolf fletschte die Zähne als ihm bewusst wurde, wie naiv er an das Ganze herangegangen war. Wenn Kaya Forschungen anstellte und diese mit ihren Vorgesetzten teilte, dann stellte sie selbst eine viel größere Gefahr dar, als er das angenommen hatte. Es ging hier nicht mehr nur darum, wie sie auf die Enthüllung ihrer Art reagieren könnte, sondern, wem sie alles davon erzählen würde und welche Forschungen sie noch anstellen wollte. Natürlich hatte er bereits darüber nachgedacht, dass sie Kaya irgendwann einweihen mussten. Aber er hatte gehofft, dass er bis dahin festgestellt hatte, dass er der Brünetten vollends vertrauen konnte.

KAYAWo Geschichten leben. Entdecke jetzt