Kapitel 4 - Fang

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Die Wunde an seinem Bein heilte schnell und zuverlässig. Rosa hat in den vergangen zwei Tagen immer mal wieder kurz vorbeigeschaut, um seine Wunde mit ihrer Tinktur einzucremen. Auf sein Betteln hin hatte sie ihm unwirsch mitgeteilt, dass Timea, die Rudelälteste, unterwegs war, um die Wogen mit dem feindlichen Bergrudel zu glätten und seinen Fehler auszumerzen.

„Sie wird sich danach mit dir befassen.", hatte Rosa ihm entgegengespuckt und sich danach kein einziges Wort mehr aus der Nase ziehen lassen. Fang hatte keinen blassen Schimmer, was in den letzten Tagen passiert sein konnte, dass sie eine solche Abneigung ihm gegenüber entwickelt hatte. Er hatte sich für seine Unvorsichtigkeit bereits entschuldigt und irgendetwas sagte ihm, dass ihr plötzlicher Missmut noch einen anderen Grund hatte, der sich ihm jetzt noch nicht ganz erschloss. Zena hatte ebenfalls kurz nach ihm geschaut, aber sie hatte ihre beiden Töchter im Schlepptau gehabt und als er ihr die gleichen Fragen gestellt hatte, hatte sie nur vehement den Kopf geschüttelt und in die Richtung seiner Nichten gedeutet.

Fang hievte seinen Körper mühselig aus dem Bett und lief einige Schritte hin und her, um seinen Körper wieder an sein Gewicht zu gewöhnen. Eigentlich heilten ihre Körper schneller in ihrer Wolfsform, aber manchmal, wenn sie geschwächt genug waren, konnte der Körper die Form nicht aufrechterhalten und bevorzugte seine menschliche Form. Die es um ehrlich zu sein auch um einiges leichter für die Heiler machte, Wunden ordentlich zu versorgen. Sein innerer Wolf winselte, als ein Stechen sein Bein hinauffuhr und er verzog das Gesicht, aber humpelte verbissen weiter zur Tür. Er hatte das ständige Liegen satt und enge Räume, wie dieser, machten ihn wahnsinnig. Man könnte ihn jetzt mit Klaustrophobie diagnostizieren, aber die Wahrheit war, dass genau solche Eigenschaften wohl das Tier in ihm hervorbrachten. Den anderen im Rudel ging es nicht anders.

Als er Rosas Hütte verließ und auf die Lichtung trat, richteten sich sofort die Blicke mehrerer Rudelmitglieder auf ihn. Darunter auch der seiner engsten Freundin Maeve, die ihm ein schiefes Grinsen zuwarf und den Kopf leicht schief legte, bevor ihr Blick zu seinem Bein wanderte, dass noch gut bandagiert war. Rosa hatte heute Morgen noch einen neuen Verband angelegt.

Fang humpelte in ihre Richtung und entschuldigte sich nebenbei bei Xandyr, einem anderen Jäger seines Rudels, der ihm einen freundschaftlichen Klaps auf den Rücken gab, der ihm fast das Segel aus dem Wind genommen hatte. Der Jäger lachte, als wüsste er genau, wie knapp es gerade um Fangs schwankendes Gleichgewicht gestanden hätte, aber Fang wusste, dass er zwar gerne provozierte, aber keiner Fliege etwas zur Leide tun konnte. Xandyr war schwierig, aber ein wichtiges Mitglied seines Rudels und hatte ihm vieles beigebracht, als er noch jünger und unerfahrener war. Und das obwohl er nur wenige Jahre älter als er war. Die Mehrzahl seiner Jagdtechniken hatte er dem brünetten Jäger zu verdanken, der ihn sowohl in seiner Wolfsform als auch in der menschlichen Form um einige Zentimeter überragte. Neben Fang war auch Xandyr einer der geachtetsten Jäger des Rudels.

„Fang, altes Haus!", quiekte Maeve, bevor sie die Arme um ihn warf und er einige ihrer feuerroten Haarsträhnen aus seinem Mund befreien musste, bevor er daran erstickte. Bah.

Sie lächelte und sah ihn direkt an, aber er kannte sie lange genug, um zu wissen, dass in ihren vor Schalk blitzenden, moosgrünen Augen auch eine tiefgehende Sorge um ihn und seine Genesung versteckt war. Maeve musste nichts sagen, er wusste genau, welche Fragen ihr auf der Zunge lagen. Er konnte es in ihren Augen ablesen und in der Art und Weise, wie ihre Mundwinkel immer wieder unentschlossen zuckten. Er tat ihr den Gefallen und klärte sie über die kürzesten Ereignisse auf, während sie ihn in ein etwas ruhigeres Eck führte, um von den neugierigen Blicken der anderen geschützt zu sein. Sie gehörten zwar alle zur Familie und es gab nicht viel, dass man vom Rudel über lange Zeit hinweg verstecken konnte, aber er war Maeve trotzdem dankbar dafür, dass sie es wenigstens versuchte.

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