Kapitel 23 - Fang

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In den letzten zwei Tagen hatten Lili, Maeve und er sich immer wieder abgewechselt, um sich um Kaya zu kümmern. Kaya war immer mal wieder ansprechbar gewesen, aber so unendlich erschöpft, dass sie sich kaum aufrecht halten konnte und sie wurde immer wieder von lang anhaltenden Fieberschüben gequält. Die Medizin, die Lili ihr verabreicht hatte, hatte nur bedingt geholfen. Sie hatten ihr wenige Stunden von Ruhe gebracht, bevor sie zitternd und schweißnass aufgewacht war und Fangs Sorgen wuchsen mit jedem Tag, an dem sich ihr Zustand nicht besserte.

Er war mit Maeve zusammen auf dem Weg zu ihr, um Lili abzulösen, die auf die Arbeit musste, als er vor ihrer Haustür entsetzt stehen blieb und ein Ruck durch seinen Körper ging. Maeve neben ihm schien es ähnlich zu gehen, wenn auch in einer eher abgeschwächten Form. Der Duft, der durch die verschlossene Tür nach draußen drang, zwängte sich in jede einzelne seiner Poren und er musste mehrere Male tief Luft holen und den Geruch einatmen, um sich wirklich sicher zu sein.

Er warf Maeve einen kurzen Blick zu und machte sich eilig daran, die Tür aufzuschließen und in ihr Schlafzimmer zu eilen, wo Kaya immer noch zusammengesunken auf ihrem Bett kauerte und sich unter Schmerzen wand, als er mit Maeve im Schlepptau den Raum betrat.

Hier war der Duft um einiges intensiver. Fang ballte seine Hände zu Fäusten und zwang sich einige Schritte näher zu ihrem Bett zu gehen, wo ihn Kaya bereits mit glasigen Augen ansah - aber sie schien durch ihn hindurch zu schauen, den Schmerzen völlig erlegen.

„Es... t-tut so weh.", wimmerte sie und legte ihren Arm über ihre Augen, um sie vor dem Licht zu schützen, das in den Raum stieß, als Maeve mit einem Ächzen das Fenster öffnete.

„Ich weiß.", flüsterte er und legte ihr sanft seine kalte Hand auf die schweißnasse Stirn. Ein neuer Ruck ging durch ihren Körper und Kaya griff nach seiner Hand und krallte ihre Finger in das Fleisch, bis seine Haut dort von kleinen runden Halbkreisen bedeckt war. Er zischte.
Das hier war kein normales Fieber. Und es war auch keine Grippe.

Kaya stand kurz davor sich zu verwandeln. Er wusste es plötzlich mit einer Gewissheit, die drohte, ihm den Boden unter den Füßen wegzureißen.

Und Maeve wusste es auch, wie er an ihrem panischen Blick erkennen konnte, den sie ihm zuwarf, bevor sie sich an der Bettkante niederließ und Kaya besorgt musterte.

„Du darfst das Atmen nicht vergessen, Kaya...", hauchte sie und half ihr etwas auf, bevor sie ein Glas mit kühlem Wasser an ihre Lippen führte und ihr beim Trinken half.

Fang beobachtete jeden der schmerzverzerrten Züge, die über ihr Gesicht huschten und ballte seine Hand fester in das weiche Laken ihrer Bettwäsche. Mit jedem Zittern, das durch Kayas Körper ging, wehte erneut ihr Geruch zu ihm herüber und drohte ihn zu überwältigen. Sein Wolf lief rastlos in seinem Kopf auf und ab und er bekam kaum mit, wie Maeve in flüsterndem Ton beruhigend auf Kaya einredete, während sie über ihre schweißnassen Haare strich.

„Was passiert mit mir?", keuchte Kaya und krümmte sich erneut vor Schmerzen und Fang verzog bei dem Anblick mitleidsvoll das Gesicht.

„Dein Körper will in seine Wolfsform.", erklärte er, ohne die Augen von ihr zu wenden, „Normalerweise passiert das zum ersten Mal im Welpenalter. Aber ich nehme an, dass die Reaktion deines Körpers heftiger ausfällt, weil du über das eigentliche Alter schon weit hinaus bist."

„Und deine Wolfsfähigkeiten waren bisher nie ausgebrochen.", fügte Maeve besorgt zu, „Wir konnten es bis jetzt nicht an dir riechen."

„Du gehörst zu uns.", sagte er leise und versuchte sich bei Kayas panischem Blick an einem sanften, aufmunternden Lächeln.

„Was muss ich tun, dass der Schmerz aufhört?"

Fang setzte zu einer Antwort an, aber da traf ihn plötzlich ein weiterer viel intensiverer Schwall ihres Geruchs, der durch einen kleinen Windstoß in seine Richtung getragen wurde und er griff nach der Türklinke auf der Suche nach Halt, als der süßliche Geruch sich in seiner feinen Nase ausbreitete.

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