Kapitel 13 - Fang

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Seine Heimat lag vor ihm. Eine kühle Spät-Winterbrise wehte ihm die dunklen Haare aus dem Gesicht und die einheimischen Vögel zwitscherten auf der Suche nach einem Partner um die Wette. Er konnte keine Gefahr ausmachen, also betrat er den moosigen und von Blättern übersäten Waldboden. Kaya tat es ihm nur wenige Meter neben ihm gleich.

Aus dieser Nähe konnte er ihre Aufregung spüren, die wie kleine Blitze durch ihren Körper schossen, aber ihr Geruch hatte auch eine leichte Duftnote der Angst angenommen. Kein Wunder. Bei ihrem letzten Besuch in den Wald war sie von einem Wolf angefallen worden und hatte sich beinahe den Fuß bei einem Sturz gebrochen.

Entgegen Fangs Vermutung, hatte sie den Fuß nur leicht überdehnt und konnte nach einigen Tagen zu seiner Erleichterung wieder voll auftreten. Und Kaya hatte sich für diesen kleinen Kurztrip durch den Wald extra zwei Tage frei genommen. Um mit ihm gemeinsam sein Rudel zu besuchen. Was ihm maßgeblich imponiert hatte. Für einen Menschen, der gerade frisch von seiner Existenz erfahren hatte und dabei nicht gerade freundliche Erfahrungen gesammelt hatte, steckte sie das neu erlangte Wissen mit einer Leichtigkeit weg, die Fang sich selbst nicht zuschreiben würde. Fang hätte sich an ihrer Stelle zurückgezogen, einen neuen Job gesucht und versucht das alles schnellstmöglich zu vergessen. Er rechnete es ihr also hoch an, dass sie sich traute mit ihm den Wald zu betreten.

„Wie lange müssen wir laufen?", fragte sie jetzt und lief jetzt auf gleicher Ebene mit ihm. Was bedeutete, dass ihre Arme sich bei jedem zweiten Schritt streiften. Bei der beiläufigen Berührung breitete sich eine Wärme tief in seinem Inneren aus und er fühlte sich an den Abend im Club zurück erinnert, als er seinen Blick kaum von ihr losreißen hatte können und sein Wolf sich so sehr nach ihr gesehnt hatte.

Diese Sehnsucht war keines Falls verschwunden. Sein Wolf reckte bei der plötzlichen Nähe neugierig den Kopf, als hätte er schon nicht mehr damit gerechnet, dass Fang ihm seine Wünsche gestattete.

Nachdem er von Kayas Versuchen erfahren hatte, hatte er sie zunächst etwas auf Abstand gehalten. Seinem Rudel zuliebe - bis er einschätzen konnte, ob sie und die Prophezeiung das Risiko wert waren, sie in das Leben der Wölfe einzuweihen. Er hatte Maeves Rückkehr und Gespräch mit dem Rudel abwarten wollen, um sich ein besseres Bild von der Situation machen zu können. Und dann war ihm die Entscheidung aus den Pfoten gerissen worden, als er Kaya von dem fremden Wolf retten musste. Dem Wolf, von dem er sich mittlerweile sicher war, dass er einst dem Bergrudel angehört haben musste. Dreckige Mistkerle.
Bei dem Gedanken an deren Feindseligkeit, lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter und er witterte nach möglichen Gefahren in der Luft. Erst als er nichts anderes als Kayas Parfüm und einem herumirrenden Eichhörnchen wahrnehmen konnte, entspannte er sich wieder.

„Ich wäre in meiner Wolfsform viel schneller dort.", überlegte er an Kaya gewandt. Bei ihrem leicht verunsicherten Blick, schüttelte er schnell den Kopf und lächelte besänftigend.
„Ich bin extra in dieser Form, dass wir uns unterhalten können. Und du dich nicht so einsam fühlen musst."

Kaya nickte. Ihre fast schwarzen Haare, die sich in der feuchten Winterluft leicht gekräuselt hatten, wippten dabei und Fang erschrak von dem plötzlichen Bedürfnis seiner selbst, seine Finger darin zu vergraben. Er schluckte und wandte den Blick ab. Jetzt, da sie Bescheid wusste, konnte er seine eisernen Mauern, die er kurzzeitig hochgefahren hatte, genauso gut wieder fallen lassen und seinen Gedanken freien Lauf lassen.

„Wir werden eine Weile brauchen. Deshalb ist es gut, dass du dir frei genommen hast. Ich werde mit Timea reden und dann kann ich dir das Rudel zeigen.", erklärte er und ein Schmunzeln schlich sich auf seine Lippen, „Ich weiß, dass du neugierig bist. Morgen werden wir dann zurückgehen."

Wieder streifte Kayas Arm seinen, aber dieses Mal hätte er schwören können, dass es Kayas volle Absicht gewesen war, denn auch sie trug ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen und ihre braunen Augen funkelten interessiert und abenteuerlustig auf. Beim vollen Mond, diese Frau war ein Rätsel für ihn. Wie konnte sie das alles nur so gelassen sehen? Andererseits hätte er damit rechnen müssen. Sie war eine Forscherin. Ihr ganzes Ziel war es Neues zu entdecken und bis in jeden kleinen Winkel zu erkunden. Das hier war genau ihr Element.

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