Kapitel 34 - Fang

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Das Blut hatte in Fangs Ohren gerauscht, als er durch den Wald gerannt war, um seine Gefährtin zu retten.

Sein Verstand hatte komplett ausgesetzt, als er ihren verzweifelten Schrei gehört hatte - so laut, wie er noch nie einen Wolf hatte schreien hören. Der Schrei hatte in seinem Herzen dumpf nachgehallt, während er sich von dem Wolf losgerissen hatte, mit der er in einen Kampf verwickelt gewesen war. Dabei hatte er eine kräftige Kopfnuss des Wolfes am Jochbein abbekommen und der pochende Schmerz in seiner Wange hatte ihn auf dem gesamten Weg begleitet.

Nichts und niemand hätte ihn aufhalten können. Und er war bereits bereit gewesen, jegliche Gefahr aus dem Weg zu räumen - ungeachtet jeglicher Konsequenzen.

Fang hatte nicht gedacht, dass er seine Gefährtin je wieder lebend sehen würde, als er durch das Gebüsch rannte und sich dabei die Haut aufriss, als er an spitzen Dornen hängen blieb und sich spitze Steinchen in seine empfindlichen Pfoten bohrten.

Alles was in seinem Kopf zählte, war zu seiner Gefährtin zu gelangen. Er hatte auf Autopilot geschaltet und war so schnell wie noch nie in seinem gesamten Leben gewesen, als er eine schlitternde Bremsung vor dem Fluss hinlegte und gerade noch sah, wie seine Gefährtin aus der reißenden Strömung auftauchte und sich an einem morschen, alten Baumstamm empor kämpfte.

Fang war in Windeseile bei ihr gewesen, hatte sich noch im letzten Sprung verwandelt und sie mit einem kräftigen Ruck in die Sicherheit seiner Arme gezogen.

Er hatte es nicht fassen können, als sie auf den Kadaver am anderen Ende des Flusses gedeutet hatte. In seinem Körper nahm die Erleichterung einen so großen Platz ein, da war kein Raum mehr gewesen für die Freude über ihren Sieg.

Da war nur Kaya, Kaya, Kaya.

Kaya, die hustend in seinen Armen lag und nur schwer atmete. Kaya, deren Haut so kalt und nass gegen seine drückte. Kaya, die so viel Blut verlor, dass die Ohnmacht sie packte und ihr Körper in seinen Armen erschlaffte.

Die nächsten Minuten, die er ihren bewusstlosen Körper zurück zum Lager gehievt hatte, waren die längsten in seinem Leben.

Fang hatte keinen blassen Schimmer gehabt, wie schwer ihre Verletzungen waren und wie viel Blut sie bereits während des Kampfes ums nackte Überleben verloren hatte.
Seine gesamten Sinne waren so auf Kaya ausgerichtet, dass er nicht einmal wahrgenommen hatte, dass die Lichtung erstummt war und dort keine Kämpfe mehr herrschten.

Er war stur zu Rosas Hütte gelaufen, hatte die protestierende Tür in seiner Eile fast aus den Angeln gerissen und war vor Sorge fast selbst von den Füßen gerissen worden, aber dann war da Rosa gewesen. Rosa, die mindestens genauso schlimm zugerichtet aussah, wie er selbst, die bei seinem Anblick aber sofort alles fallen ließ und sich der Wunde an Kayas Hals gewidmet hatte.

Fang hatte die gesamte Zeit über ihre Hand gehalten, als Rosa die Wunde gewaschen und genäht hatte. Kaya hatte Glück gehabt, dass sie von dieser Prozedur nicht auch nur einen Schimmer mitbekommen hatte.

Und nun war der Tag vergangen, den sie alle so sehr gefürchtet hatten und sie hatten daraus gesiegt. Auch wenn die Verluste groß waren und auf der Lichtung eine Vielzahl an Reparaturen anstanden, die sie in den nächsten Tagen, nein - Wochen, auf Trapp halten würden.

Aber, dass sie das alles überhaupt konnten, hatten sie ganz allein Kaya zu verdanken.

Er betrachtete seine Freundin nachdenklich dabei, wie sie Lili mit einem erschöpften aber zufriedenen Lächeln auf den Lippen über die Lichtung führte und ihr alles erklärte, dass er ihr einst selbst hier gezeigt hatte, als sie das erste Mal die Lichtung betreten hatte.

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