Kapitel 19 - Kaya

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Kaya steckte mit beiden Armen bis zum Ellbogen tief in einem der vielen Kartons auf dem Dachboden ihres Elternhauses und durchwühlte ihn nach den jeglichen Hinweisen, die ihr mehr über ihre Herkunft verraten könnten.

Lili saß nur wenige Meter hinter ihr mit einem kleineren Karton auf dem Schoß und schaute Fotos durch, die darin verstaut gewesen waren. Ihren Eltern hatte sie erzählt, sie wäre auf der Suche nach ihren alten Kinderfotos, weil sie gerne einige davon mit in ihre neue Wohnung genommen hätte.
Die beiden hatten ihr ohne Umschweife den Schlüssel zum Dachboden gegeben und hatten ihnen für das Unterfangen das Haus überlassen, um ihre Großmutter besuchen zu gehen.

"Hast du schon etwas?", fragte sie hoffnungsvoll und warf einen Blick über die Schulter zu ihrer blonden Freundin, die gerade kichernd über einem Foto brütete und es mit amüsiert funkelnden Augen hochhielt, damit sie ebenfalls einen Blick darauf erhaschen konnte. Es zeigte sie selbst im Alter von zwei Jahren mit riesigen Kulleraugen, wie sie in einem Karton saß und sich selbst mit Filzstiften bemalte, die eigentlich für den Karton angedacht gewesen waren.
Kaya rollte schmunzelnd mit den Augen und stellte ihren Karton zurück, um sich einen besonders Staubigen zu schnappen und ihn über den Dachboden zu sich zu ziehen.

Lili wusste über das Wochenende Bescheid. Mal abgesehen von der Wolfs-Gestaltswandler Geschichte. In ihren Augen hatte Fang sie auf einen kleinen Tripp in seine Heimatstadt einige Kilometer entfernt geschleift und sie hatten dort eine Bekannte von Fang getroffen, die sie scheinbar erkannt hatte und Fragen gestellt hatte, die Kaya dazu veranlasst hatte, mehr über ihre Eltern herausfinden zu wollen.

Wenn Selene ihre Mutter war, wie Timea und Dako vermuteten, dann musste das bedeuten, dass ihre Eltern nicht ihre leiblichen Eltern waren. Was wiederum hieß, dass es irgendwo Dokumente geben musste, oder Fotos, die diese Theorie beweisen konnten. Und Kaya hoffte wirklich, dass dem nicht der Fall war. Es gab auch so schon genügend Veränderungen in ihrem Leben. Dafür musste sie nicht noch ihre eigene gesamte Lebensgeschichte und Herkunft hinterfragen.

Kaya wirbelte gerade den Staub auf dem Karton auf, in dem sie ihn wirsch mit der Hand von der Oberfläche stieß und dann den Karton aufriss, als Lili entschied, dass es jetzt wohl an der Zeit sei, dass Kaya von ihrem kleinen "Honeymoon", wie sie es kichernd nannte, erzählte.

"Du und Fang, also...", murmelte die Blondine scheinbar abwesend und blätterte einen weiteren Stapel Fotos durch, bevor sie ihren Blick hob und Kaya musterte.

Kaya spannte sich an und sah konzentriert in die aufgewirbelten Staubkörner, die im einfallenden Lichtstrahl des Dachfensters tanzten, um ihre beste Freundin nicht anzuschauen. Denn sie wusste, dass sie bei dem Gedanken an Fang und ihren gemeinsamen Ausflug, direkt wieder rot anlaufen würde. Und obwohl es nichts gab, für das sie sich vor Lili schämen musste, war ihr dieses Gespräch mehr als nur unangenehm. Weil sie Lili nicht die volle Wahrheit erzählen konnte. Niemals. Sie würde Lili anlügen. Immer und immer wieder. Und das schlechte Gewissen zerriss sie bereits jetzt. Um Zeit zu schinden, nahm sie Lili den Stapel an Fotos ab und überflog ihn selbst, bevor sie antwortete:

"Wir sind uns seit dem Abend am See nicht mehr näher gekommen. Ich weiß nicht, was das zwischen uns ist, um ehrlich zu sein."

"Du wünschst dir, da wäre etwas zwischen euch?"

Kaya seufzte tief und sah ihre Freundin mit einem gequälten Lächeln an.

"Wäre das denn schlimm?"

"Nein. Auf keinen Fall.", Lili schüttelte vehement den Kopf, "Ich wusste von Anfang an, dass es da zwischen euch knistern würde. Was hält dich davon ab, es zu versuchen?"

Vieles. Und darunter viele Gründe, von denen sie Lili nichts erzählen durfte. Angefangen damit, dass sie Teil einer Prophezeiung war, die sein Rudel retten sollte. Was sie beide gerade streng genommen in eine Art Team verwandelt hatte, um eine Lösung für dieses Problem zu finden, um ihre Berufung zu finden.

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