Kapitel 15 - Fang

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Selene.
Die einstmalige Alpha, die über das Rudel geherrscht hatte. Zu einer Zeit, in der sie noch ein einziges gewesen waren und nicht durch den Krieg und Hass in ihnen in zwei Rudel zerrüttet.

Kayas Hand fiel aus seiner und er warf der jungen Frau einen Blick zu, die immer noch wie festgefroren auf Timea starrte, die vor ihren Füßen lag.

Er hatte Timea noch nie vor irgendjemandem Knien gesehen. Was sah die Älteste in Kaya? Wieso hatte sie Selenes Namen ausgesprochen, nachdem dieser seit Jahren nicht mehr in den Mund genommen worden war? Warum kniete sie in voller Niederlegung ihrer Dominanz vor Kaya nieder? Einem Menschen?

Er räusperte sich, versuchte die Situation in seinen Gedanken zu ordnen und trat einen Schritt auf die ergebene Gestalt zu, um die unangenehme Situation für sie alle zu lösen.
Aber noch bevor er seinen Mund öffnen konnte, kam Kaya ihm zuvor:
„Ich weiß nicht wer das ist, Sie müssen mich verwechseln. Bitte stehen Sie auf. Es gibt keinen Grund für all das hier."

Mit großen Augen beobachtete er, wie Kaya in die Hocke ging und seiner Ältesten, seiner Rudelführerin, unter die Arme griff um ihr mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen aufzuhelfen, als sei Timea nichts mehr, als eine verwirrte alte Frau. „Mein Name ist Kaya. Kaya Dixon.", fügte sie mit einem höflichen Lächeln hinzu und reichte Timea ihre Hand, um sie in vollkommen menschlicher Sitte zu schütteln. Timea hatte sie in der Zwischenzeit nicht ein Mal aus den Augen gelassen.

Kaya warf ihm einen entrüsteten Blick zu und deutete mit ihrem Kopf stumm auf den Stock, der vor seinen Füßen gelandet war. Sie hielt Timea also wirklich für eine gebrechliche alte Frau. Er hob beide Hände hoch. Einen Teufel würde er tun. Timea würde ihn in einem Sekundenbruchteil zerfleischen, wenn Fang ihr durch diese Geste die Dominanz absprechen würde. Sie würde es als Affront werden. Als einen Anspruch auf ihre Position seinerseits.

Kaya, die diese Regeln aber noch nicht kannte, rollte mit den Augen und tat es an seiner Stelle, bevor sie (oh mächtige Luna, steh ihm bei) die Älteste bei sich einhakte und durch den Flur zu der Couch führte, auf der vor kurzem noch er selbst und Maeve Platz gefunden hatten. Und Timea, wie in Trance gefangen, ließ all dies über sich ergehen, als würde sie nicht den geringsten Angriff auf sie darin finden können.

Seine Beine fühlten sich wackelig an, als er den beiden Frauen in das anliegende Wohnzimmer folgte.
Kaya hatte sich Timea gegenüber niedergelassen und klopfte in einer beiläufigen Geste neben sich und Fang, der es normalerweise hasste herumkommandiert zu werden, ließ sich schweigend und vollkommen zerstreut neben ihr auf die Couch fallen.

Er sah zu, wie Kaya tief ein und wieder ausatmete und dann hörte er sie fragen:
„Wer ist diese Selene?"

„Wie viel von unseren Rudeln weißt du, mein Kind?", flüsterte Timea.

„Sie weiß genug. Über uns. Über das Bergrudel. Den Krieg.", mischte er sich ein, bevor er die Worte unterdrücken konnte. Eine massive Unruhe hatte sich in ihm breitgemacht und er hatte Schwierigkeiten sich dazu zu zwingen, ruhig auf der Couch zu sitzen. Am liebsten wäre er aufgesprungen und eine Runde im Territorium gerannt, bis seine Pfoten wund waren. Aber es gab so viel zu besprechen und dieses Gespräch war für ihre zukünftigen Handlungen zu wichtig, um sich zu verkrümeln. Außerdem hatte er Kaya versprochen, sie nicht alleine zu lassen. Und bei dem bloßen Gedanken daran, wie hilflos sie der neuen Welt ausgeliefert wäre, wenn er jetzt verschwand, wurde ihm bereits schlecht.

„Dich habe ich nicht gefragt, Aarling.", schnappte die Älteste und Fang gefror an Ort und Stelle bei der Maßregelung der Ältesten. Er senkte den Kopf. Verstanden. Er hatte nichts zu melden. Kaya, die aufmerksame, sanftmütige Kaya, ließ ihre Hand auf seinem Knie ruhen, als verstand sie, wie es gerade in seinem Kopf aussah, und drückte sanft zu. Fang ließ sich in die Polster zurücksinken und biss die Zähne aufeinander.

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