Kapitel 29 - Kaya

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Rosa Chadur war eine strenge Trainerin, aber sie war nichts im Vergleich zu Fang.

Während Rosa ihr zwei Tage lang ununterbrochen die Kunst des Verwandelns beigebracht hatte, bis Kaya auf der Lichtung vor Erschöpfung zusammengebrochen war, hatte Fang ihr Kampftraining übernommen.

Und da sie allzeit bereit sein sollte, trainierte er sie sowohl in Wolfsform, als auch in ihrem menschlichen Körper. Er jagte sie stundenlang durch den Wald bis ihre Muskeln brannten und sich anfühlten, als würden sie jeden Moment reißen und gab ihr Übungen, die ihre Kraft in den Armen und Beinen erweitern sollten.

Und Kaya war determiniert. Sie würde nicht aufgeben. Und sie würde jede einzelne dieser verdammten Übungen durchführen, wenn sie ihre Chancen auf einen Gewinn auch nur minimal erhöhten.

Aber irgendwann riss auch ihr der Geduldsfaden.

Nach zwei Tagen Training zum Verwandeln und ein einhalb Tagen, in der sie von Fang nur herumgescheucht worden war, wunderte sie sich, wann sie mit dem Kampftraining denn endlich anfangen würden. Sie hatten nicht mehr viel Zeit, bis das Berg-Rudel sie hier überfallen würde, wie Fang durch seinen kleinen Spionage-Trip erfahren hatte. Am liebsten hätte sie ihn für seinen gefährlichen kleinen Ausflug und die selbstsichere Art und Weise, wie er darüber sprach, einmal ordentlich durchgeschüttelt.

"Du wirst langsamer.", meinte er jetzt und sie schloss die Augen und wischte sich mit ihrer Hand energisch den Schweiß von der Stirn, um ihn nicht stattdessen anzufahren.

Stattdessen konzentrierte sie sich auf ihre Atmung, wie Maeve und auch Rosa es ihr mehrmals geraten hatten und versuchte ihren Sprint zu beschleunigen. Sie setzte Fuß vor Fuß und rannte eine weitere Runde über die kleine Lichtung, die etwas vom Hauptteil des Rudels entfernt war und, die sie seit Tagen zum Training umfunktioniert hatten.

"Du setzt den Fuß nicht richtig auf."

Und dann platzte ihr der Kragen. Sie blieb abrupt stehen und drehte sich auf dem Absatz zu einem grinsenden Fang um, der nur einen Meter von ihr entfernt stand, die Hände lässig in den Hosentaschen vergraben.

Sie war in wenigen Sekunden bei ihm und piekste ihm ihren Zeigefinger in seine verdammte, breite Brust. Fang zog angesichts ihres plötzlichen Zorns überrascht die Augenbraue hoch, bewegte sich allerdings keinen Millimeter.

"Schluss jetzt." Sie wollte bestimmt klingen und fest, aber da sie sich immer noch von den Runden erholte, keuchte sie die Worte schwächer aus, als sie das wollte. Fangs Mundwinkel zuckten amüsiert. Kaya stach nochmals mit ihrem Zeigefinger zu.

„Hast du ein Problem, Kaya?" Fangs Blick folgte ihrem Zeigefinger, der immer noch seine Brust berührte und sein Schmunzeln wurde breiter. Sie hasste sich selbst dafür, dass sie dieses Schmunzeln so maßlos attraktiv fand und in ihrem Kopf kurz Bilder davon auftauchten, wie sie beide sich im See so nahe gekommen waren. Eines Tages würde sie ihm dieses amüsante Grinsen von den Lippen küssen.

„Ich dachte, ich soll Kämpfen.", fügte sie so eisig wie ihr nur möglich war hinzu und ihre Augen sprühten Funken, „Dann zeig mir, wie man kämpft."

Sie war sich so sicher, dass er ihr widersprechen würde. Dass er ihr gleich erklären würde, wieso diese Übungen wichtig für sie waren. Irgendetwas von wegen Balance und Ausdauer. Aber all der aufgestaute Frust verließ schlagartig ihren Körper, als Fang nickte und einen Schritt zurücktrat.

„Also gut.", räusperte er sich und sie war sich vollends bewusst, wie sehr sie ihn anstarrte, „Dann greif mich an."

Kaya riss ihre Augen auf. Sie sollte ihn angreifen? Jetzt? Unsicher beobachtete sie, wie Fang seine Haltung veränderte und sein Gewicht verlagerte, als würde er sich bereit für einen kommenden Angriff machen.
Sie versuchte seine Haltung zu spiegeln und erntete ein kleines, aber sanftes Lachen seinerseits. Aber er korrigierte sie nicht. Kaya zögerte.

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