-Kapitel 7-

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-Kapitel 7-
Flores

Am Autohaus angekommen, können wir uns schnell auf einen Pick-Up einigen. Klar, wir haben etliche Tage Fahrt vor uns, aber an Bequemlichkeit soll es doch nicht hapern. Ab und an, werden wir natürlich eine Pause einlegen uns in die besten Hotels einbetten und uns dort wie Zuhause fühlen. Außerdem kann ich hier und da weiter Geld für die andere Seite auftreiben. 

  Nachdem ich die passenden Autoschlüssel im geknackten Safe im Büro gefunden habe, findet Kai noch einen anderen Safe hinter einem Fotografie einer nackten Brünetten. »Machst du das Ding auf?«, fragt er mich. 

Ich muss mich nicht mal hindrehen, sondern mache nur eine Handbewegung und die Safetür springt quietschend auf. »Also, hier sind tatsächlich ein paar Moneten drinnen, Mäuschen.«

»Weder Prinzessin, noch Mäuschen. Schreib dir das hinter die Ohren, Kai«, brumme ich, nachdem ich die zwei Autoschlüssel mit der passenden Nummer vom Schlüsselbund befreit habe. 

»Okay, meine lateinamerikanische Enchiladaschönheit.« Ich hebe meine Hand wieder hoch, vollziehe eine knappe Handbewegung. Ein ekelhaften Knacken. Kai knallt neben mir leblos auf den Boden. 

»Das war für vorhin«, bemerke ich und fasse an seinen Hals. Kein Puls. Er wird eh wieder aufwachen. Hoffentlich versteht er, dass wir damit Quitt sind und kriegt es nicht in den falschen Hals... oder gebrochenes Genick. Bis er wieder wach ist, bleibe ich hier. Ich könnte fahren, aber das würde er falsch verstehen und hier der dritte Weltkrieg ausbrechen. 

  Kai liegt im Gästezimmer im Bett und zu meiner Verwunderung durchlebt sein lebloser Körper, schon die ersten Verwesungsmerkmale. Leichenflecken, Leichenstarre. Mageninhalt der sich in seinem Mund sammelt und langsam rausläuft. Eingepinkelt hat er sich auch. Sobald die Muskeln versteifen und erschlaffen, erschlaffen wirklich alle Muskeln. Tut mir schon irgendwie leid. Aber nicht mal in ein paar Minuten, schlägt die dicke Standuhr unten Mitternacht. Ein neuer Tag. Kai muss wieder aufwachen - ich hoffe nur, dass er keinen Mist erzählt hat. Netterweise drehe ich seine schon mies stinkende Leiche auf die Seite, damit das Erbrochene auf die ausgelegte Tüte ablaufen kann. Die Standuhr schlägt Mitternacht. Es ist ein gruseliges Szenario. Selbst für mich. Die starren, leblosen Augen, blicken mir wieder entgegen. »Guck nicht so. Das war für deinen Auftritt in der Küche und für meine lateinamerikanische Enchiladaschönheit. Du hast es drauf angelegt, Prinz Eric.«

Eine Minute ist vergangen. Die Standuhr verstummt und hallt noch nach. Ein neuer Tag. Wieder einmal der zehnte Mai vierundneunzig. In ein paar Stunden haben wir wieder die Sonnenfinsternis, aber da sind wir beide schon unterwegs in Richtung Westen, wenn Kai nicht zum Gegenschlag ausholt. 

Aber Kais Körper regt sich keinen Millimeter. Ich wische seinen Mundwinkel wieder sauber, da noch mal saurer Mageninhalt nachkommt. Puls ist ebenfalls nicht zu spüren. Die blaue Halsschlagader pulsiert kein bisschen unter meinen Fingerkuppen. »Mierda. Parker, mach keinen Scheiß«, fluche ich und nehme die Finger kein bisschen von der Halsschlagader weg. Da muss doch endlich mal Puls unter meinen Finger zu spüren sein. Aber es passiert einfach nichts. 

Und jemanden in meiner Nähe spüre ich auch nicht. Es ist keiner in der Nähe, außer ich, und die leblose Hülle von ihm.  

Als sich um sechs Uhr morgens immer noch nichts geändert hat, weiche ich vom Bett zurück. Panik breitet sich in mir aus. Wie dumm kann ich bitte schön sein? Ich habe meinen Weg nach draußen getötet, einfach so, aus Jucks. Wir brauchen uns doch gegenseitig, um diese Zwischenwelt hinter uns zulassen. 

Rückwärts stolpere ich aus dem Zimmer heraus, die leblos, mittlerweile eingefallenen Augen von Kai folgen mir, wie gruselige Gemälde. Schnell ziehe ich die Tür zu und renne nach unten. Ich muss hier weg. Ich will hier weg. Vielleicht finde ich ja alleine nach Portland, auch wenn ich den netten Soziopathen echt mitgenommen hätte. 

Ich bin so in Panik, fühle mich so schlecht, dass ich sogar anfange zu heulen. Jämmerlich, wimmernd, mit Rotzbläschen an meiner Nase. 

  Glut leuchtet noch im Kamin, als ich vom Flur in den Salon blicke, die Autoschlüssel und meinen gepackten Koffer zusammenraffe und aus dem Haus verschwinden will. Jedoch komme ich nicht weit. Noch bevor ich die große Haustür erreichen kann, spüre ich eine kalte Klinge an meinem Hals. 

Spüre eine Präsens in meiner Nähe. Nehme Kais Parfüm wahr. Ich erstarre. »Jetzt sind wir quitt!« 

Closer | Kai Parker FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt