-Kapitel 18-

11 7 0
                                    

-Kapitel 18-
Flores

Albany. Oregon. Eineinhalb Stunden südlich von Helvetia entfernt, machen wir unfreiwillig Pause. Wir sind müde und wollen wenigstens ein wenig zur Ruhe kommen, bevor Kai weiter zur Küste fährt. Er hätte von Helvetia auch einfach in den Westen fahren können – dann wären wir auch an der Küste, aber er muss einen anderen Ort im Sinn haben.

Ich habe zwar nicht lange, aber dafür außerordentlich gut geschlafen. Ausgeschlafen räume ich um sieben Uhr in der Früh, all meine Sachen zusammen und trete auf dem Balkon des Motels heraus. Kais Zimmer ist direkt neben meinem. Ich soll ihn um sieben wecken. Ich hämmere gegen die Tür. »Aufstehen, Prinzessin. Wir müssen weiter.«

Abwartend lehne ich mich an das Geländer, höre fluchen und rumpeln. Dann geht die Tür auf und ein völlig verpennter Kai schaut mir entgegen. »Morgen«, brummt er und lehnt sich an dem Türrahmen an.

»Morgen. Frühstücken kannst du gleich im Auto. Ich warte unten.« Ich setze mich in Bewegung.

»Hm-mm«, brummt er.

»Wenn du wieder einpennst...«

»Droh mir nicht. Wird ganz schön unschön«, ruft er zurück und klingt schon gleich viel wacher.

Ich muss nicht lange warten, da kommt mir Kai auch schon entgegen. Seinen Rucksack locker über eine Schulter gelegt, den komischen Aszendenten in der Hand. Er lässt das Ding auch keine Sekunde aus den Augen. Ich darf es sogar nur vom Weiten angucken, nicht mal anfassen.

Er stopft das Ding in die Seitentasche seiner schwarzen Jacke und zieht dann aus der Brusttasche den Autoschlüssel heraus. »Offensichtlich fährst du wieder.«

»Ja, weil ich weiß wo ich hin will. Du ja nicht«, entgegnet er und geht zur Fahrerseite.

»Weil du mir das auch nicht gesagt hast.«

Ich lasse mich auf dem Beifahrersitz fallen.

»Japp.«

»Und wohin fahren wir jetzt?«

»An die Küste. Immer noch. Daran wird sich auch nichts ändern. Sind nur zwei Stunden. Bis zur Sonnenfinsternis haben wir dann noch die Zeit alles vorzubereiten.«

Kai hat recht. Nicht mal zwei Stunden später, kommen wir endlich in dieser Küstenstadt namens Florence an. Und verflucht. Diese Kleinstadt ist ja mal wirklich idyllisch und schön. »Du hast aber keine Verbindung zu dieser Stadt, oder? Nicht, dass deine Tante hier doch auftaucht.«

Wir halten irgendwo in Wassernähe, Fluss, nicht Meer, vor einem Restaurant namens Mo's. Kai zögert.

»Meine Mom ist hier geboren und aufgewachsen. Sie hat da als Teenie gearbeitet.«

»Super. Ich hätte mir den Zauber auch sparen können.«

Kai ist ausgestiegen, aber nur um etwas von der Rückbank zu holen. Ein altes in Leder gebundenes Buch, welches er mir auf den Schoß wirft. »Die Seite mit dem Eselsohr. Ist ein Tagebuch meiner Mom. Der Eintrag ist von 1969. Meine Mom wollte Florence verlassen. Maeve fand das wohl nicht so toll und hat gedroht, die ganze Stadt in die Luft zu jagen. Die beiden hatten nur noch sich. Dementsprechend hat Mom mit ihren Hexenfreundinnen einen Zauber ausgesprochen und nachdem schon einige Leute wegen Maeve das zeitliche gesegnet haben. Ein Schutzwall. Maeve wurde verbannt. Darf die Stadtgrenze nicht mehr betreten.«

»Wie gesagt, ich hätte mir den Zauber sparen können«, murmle ich. »Eigentlich. Wer sagt, dass der Schutzwall-Zauber hier funktioniert?«

»Der wurde 1969 gesprochen und selbst nach dem Tod meiner Mutter und deren Hexen-Freundinnen hat sich der Wall nie aufgelöst. Und warum? Weil hundertprozentig mein Dad mitgemischt hat. Der hat seine faltigen Wurstfinger mit im Spiel. Er lebt doch noch. Heißt, der Schutzwall bleibt bestehen, bis auch er ins Gras beißt..«

Ich rümpfe die Nase. »Macht Sinn. Dann hoffen wir mal, dass der Schutzwall auch bestehen bleibt.« Ich reiche Kai das Buch, ohne darin rumzublättern.

»Ist es. Man kann es sehen.«

Ich blicke aus dem Autofenster. Sehe aber nichts, was außergewöhnlich ist. »Anscheinend nur du. Ich sehe außer strahlend blauen Himmel nichts.«

Auch Kai blickt aus dem Frontfenster und seufzt. »Komisch. Sind blaue Schlieren, einmal um die Stadtsgrenzen drum herum.« Er lehnt sich weiter nach vorne und blickt in den Himmel. »Selbst über uns. Wie eine Kuppel.«

Ich sehe immer noch nichts. »Vielleicht kannst du den sehen, weil deine Eltern diesen Schutzwall erschaffen haben.«

Er tippt nachdenklich auf dem Lenkrad herum. »Vermutlich. Lass uns schon mal alles fertig machen.« 

Closer | Kai Parker FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt