-Kapitel 26-

14 7 1
                                    

-Kapitel 26-
Flores

Es ist kurz nach ein Uhr in der Nacht. Klar, dass man in einer Hotelanlage nicht gerade Ruhe findet. Irgendwo poltert es. Aus dem Nachbarzimmer quietscht im Sekundentakt das Bettgestell – vermutlich aus Rache.

Als wir nach unserem Bad aus dem Zimmer raus sind, um uns beim Diner den Magen vollzuhauen, kam uns unsere Zimmernachbarin entgegen, die uns darauf hingewiesen hat, dass wir beide auch leiser vögeln können, weil sie Prüfungen hätte.

Kai hat sie nett darauf hingewiesen, dass sie die Klappe halten soll, sonst würde sie ihren nächsten Tag nicht mehr erleben. Direkt auf Angriff bei einer attraktiven Frau, dass ist mir neu. Eigentlich spielt Kai die Charmbolzenkarte, bezirzt sein weibliches Gegenüber mit seinem charmanten Lächeln und Komplimente um dann im selben Atemzug ein Messer zwischen deren Augenbrauen zu rammen – rein metaphorisch natürlich. »Sie haben echt schöne Augen. Da verliert man sich ja regelrecht drinnen. Wäre doch schade, wenn ich ihnen diese rausdrücke, oder?« So etwas, zum Beispiel. Aber nichts. Er hat sogar die Frau mit der Schulter weggerammt, weil diese ihm im Weg stand.

Und nun rächte sie sich, in dem sie sich von irgendeinem Kerl beglücken lässt. Ausdrucksvoll. Denn ihr Bett grenzt mit Sicherheit an unserem Bett. Nur eine dünne Pappwand trennt uns. »Soll ich rübergehen und damit die dumme Hure diesen Tag wirklich nicht mehr miterlebt«, murmelt Kai verschlafen.

Ich schnaube belustigt. »Keine Blutschneise der Verwüstung hinterlassen. Auch, wenn du dich dabei richtig zusammenreißen musst.« Als ich mich aufgesetzt habe und mich an das Kopfende lehne, rückt Kai noch weiter an mich heran. Kurzerhand legt er seinen Kopf auf meinen Oberschenkel.

Wenn ich jetzt meine Hand durch sein weiches Haar fahren lasse, dann geht er auf Abstand, weil er nur so viel Nähe zu lässt, wie er braucht. Dummerweise riskiere ich es und fahre mit meinen Fingern durch sein Haar. Es kümmert ihn nicht. Er weicht nicht zurück, nichts. Er lässt es zu meinem Erstaunen einfach geschehen. Ich höre ein Schnarchen und schmunzle. Im anderen Zimmer herrscht Pause. Kein Quietschen, kein Stöhnen, oder sonst was. Eine Minute lang Ruhe. Mein Herzschlag lauschend, Kais gleichmäßiges Atmen. »Verflucht, Gideoooon.«

Es geht in die nächste Runde. Doch nicht wirklich. »Gideon ist ein toter Mann!« Kai ist aufgesprungen, zieht sich fluchend und motzend, übrigens hell wach, Jeans und Shirt an.

»Keine Toten. Wenigstens nicht jetzt«, rufe ich genervt und springe ebenfalls ausm Bett.

Von drüben ertönt ein schriller Schrei der Lust. Von einer weiblichen Person und einer männlichen. Dann abrupte Ruhe. Kai hält inne, als er im seine Converse schlüpft und lauscht. Ich hab mir einfach die Sweatjacke von Kai über meinen bauchfreien Top mit den Spaghettiträgern gezogen. Kein Mucks. Ein kurzes Rumpeln. Ruhe. »Na dann«, bemerke ich und will mir gerade die Jacke ausziehen, da klopft es an unserer Zimmertür. Kai und ich tauschen einen Blick aus und ich deute ihm an, nicht zur Tür zu gehen. Nicht, dass bei unserem Ausflug ins Diner jemand auf Kai aufmerksam geworden ist. Das wäre eine komplette Katastrophe. Ich drücke ihm seine Jacke in die Hand und schiebe ihn ins Bad. Er schließt leise die Tür, während ich seine Sachen in der Schublade unter meinen verstecke. Seinen Rucksack unter einen Stapel Klamotten, die ich mir vorhin gekauft habe. Es klopft wieder. Kräftiger. Hartnäckiger. Mein Haar zerzause ich noch mehr, dann ziehe ich meine verschlafene Miene auf und öffne die Zimmertür einen Spalt. Eine blutverschmierte Fratze grinst mir entgegen und ich muss erstmal schlucken. »Hallo, kleine Schwester.« 

Closer | Kai Parker FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt