4

218 7 0
                                    

Ich drücke die Türe der Toilette auf und sehe Sophia am Spiegel stehen. Ihre Fäuste sind geballt, während sie sich selbst im Spiegel anstarrt. Ihren Gesichtsausdruck kann ich nicht deuten, aber sie scheint in Gedanken zu sein. Verwirrt schließe ich die Türe und starre sie weiterhin an. Scheinbar merkt sie nicht einmal, dass noch jemand die Toilette betreten hat. Was tut sie denn da? Plötzlich läuft eine stumme Träne ihren Wangen hinunter. Es fühlt sich falsch an, einfach nur hier zu stehen, anstatt zu helfen. Los Larissa, tu endlich etwas! Ich setzte mich gerade in Bewegung, als sie ihre Faust öffnet und diese anstarrt. Auf ihrer Handfläche liegt ein Tütchen und bei genauerem Hinsehen, erkenne ich sofort was das ist. Nicht ihr Ernst, oder etwa doch? Entschlossen gehe ich die letzten Meter auf sie zu und lege meine Hand auf ihren Arm. "Sophia, tu das nicht.", sage ich vorsichtig und starre in ihr bleiches Gesicht. Ich erkenne im Augenwinkel, wie sich ihre Faust wieder schließt und in ihrem Mantel verschwindet. Sie starrt mich entgeistert an und murmelt: "Ich- Ich. Du hast nichts gesehen." Bitte was?

Ich verschränke meine Arme vor der Brust und murmle: "Was hattest du vor? Dir eine Line legen und denken, dass es hier keiner bemerkt?" Sie schüttelt ihren Kopf und zischt wütend: "Lass es einfach sein Larissa. Du. Hast. Nichts. Gesehen." Mit Nachdruck fügt sie kalt hinzu: "Und am besten sagst du es keinem, sonst werde ich dir deine restliche Zeit als Azubi zur Hölle machen." Okay, Stopp. Irgendwas läuft hier gerade in die komplett falsche Richtung. Entgeistert starre ich sie an und lasse meine Hände sinken. "Wie bitte? Willst du mir etwa drohen? Ich habe nichts mit deiner Sucht zutun, also lass mich da gefälligst raus. Wer ist denn auch so verantwortungslos und zieht sich in aller Öffentlichkeit eine Nase?", frage ich und schaue sie fragend an. Sie schüttelt ihre blonden Locken, drängt sich an mir vorbei und flüstert mir ins Ohr: "Wehe jemand erfährt es Larissa." Damit rauscht sie davon und lässt mich mit einer Gänsehaut zurück. Geschockt lehne ich mich an die Wand und atme durch. Niemals hätte ich das bei ihr gedacht. Alles, aber nicht das. 

Nachdem ich mich beruhigt habe, komme ich verstreut an den Tisch zurück. Sven zwinkert mir zu und lacht gerade über eine Aussage von Sophia, die ebenfalls lachend am Tisch sitzt. Man würde nie denken, dass sie Drogen nimmt. Aber ist sie denn süchtig? Wieso hat sie geweint? So viele Fragen, die mir im Kopf herumgeistern, aber Antworten werde ich wohl nie bekommen. Gerade als Alicia Sven ein Bild auf ihrem Handy zeigt, spüre ich ihren brennenden Blick auf mir. Ich hebe meinen Kopf und starre in ihr aufforderndes Gesicht. Ich habe verstanden, keine Sorge. Abwesend starre ich auf meine zitternden Hände. Plötzlich dreht sich Sven zu mir und drückt besorgt meine kalten Hände. "Was ist los?", formt er lautlos mit seinen Lippen und zieht eine Augenbraue fragend in die Höhe. Ich lächle und schüttle kurz den Kopf, um ihn zu signalisieren, dass alles in Ordnung ist. Dabei spüre ich immer noch ihren Blick, der mich fast durchbohrt. Lange bleiben wir zum Glück nicht mehr, sodass wir wenig später zum Glück im Taxi sitzen und nach Hause fahren. "Sicher, dass alles in Ordnung ist? Du wirkst so abwesend.", fragt Sven und schaut mich wieder besorgt an. Ich winke ab und erkläre: "Mir ist ein bisschen schlecht. Vielleicht habe ich das Essen nicht vertragen." Er nickt nur, aber ich weiß genau, dass er mir nicht glaubt. Endlich kommen wir bei meiner Wohnung an, sodass ich endlich aussteigen kann. Wir verabschieden uns und dann steige ich aus. 

Schnell ziehe ich mich um, putze Zähne und lasse mich schließlich ins Bett fallen. An Schlaf ist nicht zu denken. Ich streiche mir gestresst über mein Gesicht und hoffe inständig, dass das keine Drogen waren. Vielleicht eine Art Medikament? Ach Larissa, sei nicht so naiv und rede nichts schön. Wenn es sich um Medikamente gehandelt hätte, wäre sie nicht so an die Decke gegangen. Wahrscheinlich ist sie Drogenabhängig und will mein Leben zur Hölle machen, obwohl sie das Problem ist. Wütend setze ich mich wieder auf und streife meinen rosa Bademantel über. Zügig gehe ich auf den Balkon, setze mich auf mein Palettensofa und zünde mir eine Zigarette an. Ich öffne nebenbei WhatsApp und stelle erfreut fest, dass Alicia eine Gruppe mit uns erstellt hat. Schnell überfliege ich lächelnd ihre Nachricht: Damit ihr mich auch nicht vergesst. Es war wirklich sehr schön heute. Ich bin mir sicher, dass ihr mit Sophia genauso gut klarkommt. Macht mich Stolz. Als ich Sophias Namen lese, erschaudere ich kurz, versuche es aber zu ignorieren. Schließlich geht es nicht um sie, sondern um Sophia. Ich rauche schnell zu Ende, schreibe dann zurück und gehe wieder in das warme Bett zurück. 

Drei Wochen ziehen an mir vorbei. Alicia haben wir mittlerweile alle verabschiedet, was wirklich ziemlich emotional war. Nachdem ich Sophia im Badezimmer erwischt habe, kann sie mich nicht mehr leiden, sodass der Umstieg von Alicia zu ihr nochmal schwieriger ist. Genervt stöhne ich, als ich ihre Mail an mich lese. 

Guten Morgen Larissa,

komm doch bitte gegen 9 Uhr zu mir ins Büro. Danke! 

SophiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt