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POV Sophia: 

Als ich meine Wohnung betrete, schlägt mir die Stille entgegen. Es ist, als wäre die Luft schwer und dicht. Jeder Schritt fühlt sich an wie ein Vorankämpfen durch unsichtbaren Widerstand. Die Wohnung sieht genauso aus wie vor drei Tagen, als ich das Tütchen gefunden habe. Es liegt immer noch auf dem Couchtisch. Offen, wie eine Mahnung. Ich spüre den Kloß in meinem Hals, meine Brust zieht sich zusammen. Der Gedanke an Larissa lässt mich schwer schlucken. Sie hat mir das Leben gerettet. Sie war da, als ich fast alles verloren hätte. Und trotzdem schaffe ich es nicht, sie nah an mich heranzulassen. Ich habe sie erneut weggestoßen, habe ihr gesagt, dass ich sie nicht an mich hätte heranlassen sollen. Ich weiß, wie sehr ich ihr damit wehtue, aber gleichzeitig weiß ich auch, dass ich es nicht anders kann. Dass ich nicht anders bin. Die Erinnerungen an ihre Augen, wie sie mich im Krankenhaus angesehen hat, brennen in meinem Kopf. Da war so viel Schmerz, so viel Liebe und ich habe sie einfach fortgeschickt. Ich sinke auf das Sofa, starre auf das Tütchen und alles fühlt sich leer an. Ich weiß, dass ich dankbar sein sollte, dass ich noch lebe. Aber irgendwie fühlt es sich gerade nicht so an. Schnell schmeiße ich diese beschissenen Drogen in den Mülleimer und taste nach meinem Handy. Ich öffne den Chat mit meiner besten Freundin und schreibe ihr. 

L: Hallo Cas. Es tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe. Ich war im Krankenhaus. Ich hatte ein Art Überdosis. Bin wieder zuhause und wollte fragen, ob du vorbeikommen willst? 

C: Bitte was? Ich komme sofort. 

Ich sitze am Küchentisch, die Hände um meine Tasse Kaffee geklammert. Jeden Moment sollte Cassy klingeln und auf das Aufeinandertreffen habe ich ziemliche Angst. Ich habe ihr in einer kurzen Nachricht erzählt, dass ich eine Art Überdosis hatte, aber nicht allzu viele Details preisgegeben. Ich wollte nicht, dass sie sich noch mehr sorgt, aber ich weiß, dass ich nicht länger schweigen kann. Als ich meiner besten Freundin schließlich die Türe öffne, sieht Cassy mich an. Ihr Lächeln bleibt an der Schwelle stehen, als sie erkennt, wie es mir geht. Die Sorge in ihren Augen ist sofort offensichtlich. „Sophia, was machst du für Sachen?", sagt sie leise und ich kann hören, dass sie die Angst in ihrer Stimme nicht verbergen kann.

„Hey.", murmele ich und zwinge mich zu lächeln, obwohl es mir wie ein maskenhaftes Aufsetzen vorkommt. Cassy lässt ihren Mantel fallen und kommt direkt zu mir. „Was ist passiert? Nach deiner Nachricht bin ich sofort losgefahren.", sagt sie mit einem Blick, der durch meine Fassade dringt. Ich atme tief durch, aber der Kloß in meinem Hals bleibt. „Es war... nicht gut. Ich habe ein paar Dinge gefunden, die ich nicht hätte anfassen sollen. Es war eine Überdosis und Larissa hat mich gefunden, weil ich sie gerade noch geschafft habe, anzurufen. Gott, das ist alles so peinlich.", beginne ich und fühle mich, als würde ich mich auf ein glitschiges Gleis begeben.

Der Ausdruck in Cassys Gesicht ändert sich schlagartig. „Larissa? Oh Mann, ich dachte zwischen euch ist es aus? Ach, es ist so ein durcheinander mit euch." Ich nicke und sehe auf den Tisch, als würden die Holzmaserungen mir die richtigen Worte geben. „Ja, sie war es. Ich kann nicht glauben, dass sie mich so gesehen hat. Sie hat mir das Leben gerettet.", flüstere ich. Dann halte ich inne und versuche die Tränen zurückzuhalten, die mir in die Augen steigen. „Und trotzdem habe ich sie zurückgestoßen, als sie da war.", beende ich meinen angefangen Satz und spüre eine vereinzelte Träne auf meiner Wange. „Warum?", fragt Cassy und rückt einen Stuhl näher. „Weil ich nicht bereit bin, mich auf sie einzulassen. Nicht nach allem. Nicht nach dem, was ich durchgemacht habe. Es ist, als würde ich ihr das Herz brechen und ich kann das nicht. Ich habe Gefühle für sie, aber ich kann mich nicht darauf einlassen.", plappere ich überfordert und sehe meine beste Freundin hilflos an. Die Verzweiflung in meiner Stimme ist unüberhörbar.

„Sophia du weißt, dass ich nie wirklich begeistert von ihr war. Aber das hier ist absolut nicht fair. Du verletzt sie immer wieder und redest nicht offen mit ihr. Es gibt nicht immer mehrere Chancen im Leben und Larissa hat dir so viele gegeben. Glaubst du nicht, dass sie mehr verdient?", sagt Cassy und sieht mich direkt an. Ich spüre, wie sich ein stechender Schmerz in meiner Brust festsetzt. „Ich weiß, Cassy. Aber ich kann nicht. Ich kann sie nicht an mich heranlassen. Ich bin kaputt und ich weiß nicht, ob ich die richtige Entscheidung treffen kann. Was, wenn ich sie wieder verletze?" Meine beste Freundin schüttelt den Kopf und murmelt: „Du musst herausfinden, was du willst Sophia. Wenn du Larissa wirklich willst, dann musst du kämpfen. Das hier wird nicht einfach sein, aber es ist dein Leben." Ich bin still und lasse ihre Worte in mir nachhallen. Irgendwo in mir weiß ich, dass sie recht hat. Die Zeit drängt. Aber die Angst, Larissa erneut zu verletzen, lähmt mich. „Ich werde darüber nachdenken.", sage ich schließlich, aber selbst ich weiß, dass es nicht genug ist. Ich muss handeln, bevor es zu spät ist.

„Denk daran, dass es nicht nur um dich geht. Larissa ist nicht nur deine Auszubildende, sie ist ein Mensch, der verletzt wird. Sie liebt dich wirklich und es tut mir weh, dich so zu sehen, während du ihre Gefühle missachtest.", sagt Cassy mit fester Stimme. „Ich verstehe das.", sage ich leise und lasse den Kopf sinken. „Aber die Angst vor dem, was ich wieder anrichten könnte, ist überwältigend.", flüstere ich leise und schaue auf meine Tasse. Cassy legt ihre Hand auf meine. „Du kannst das schaffen, wenn du es wirklich willst. Aber du musst jetzt entscheiden, wie es weitergeht. Lass nicht zu, dass deine Vergangenheit die Zukunft ruiniert.", flüstert sie und drückt mir einen Kuss auf die Schläfe.

Ich schaue in ihre Augen und sehe den festen Glauben, den sie in mich setzt. Ich muss stark sein. Für Larissa. Für mich selbst.

SophiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt