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Langsam quäle ich mich aus meinem warmen Bett und stapfe mit pochendem Kopf ins Badezimmer. Als ich mich selbst im Spiegel sehe, erschrecke ich kurz. Aiaiai, sehe ich fertig aus. Schnell steige ich in die Dusche und merke, wie das Leben in meinem Körper langsam erwacht. Gestern waren es bestimmt 3 Drinks zu viel. Als ich weiter über die gestrige Nacht denke, fällt mir ein, dass sie auch da war. Mein Herz setzt einen Moment aus, sodass ich mich kurz sammeln muss. Nachdem ich mich lebendig geschminkt habe, packe ich meine Tasche für die Arbeit und fahre schließlich unmotiviert los. Wenigstens ist es Freitag, sodass ich heute nicht länger als 12 Uhr bleibe. Meine Beurteilungsbögen habe ich gestern zum Glück gleich in die Tasche gepackt, sonst hätte ich sie heute bestimmt vergessen. Ich will nicht wissen, was dann los wäre. Sophia würde mich wahrscheinlich eigenhändig erwürgen. Ich laufe ins Bürogebäude, steche mich ein und marschiere zum Aufzug.

Im Büro angekommen, sehe ich Sven sofort an, dass er mindestens genauso verkatert ist. Wahrscheinlich nochmal mehr, als ich. Er sortiert gerade verschiedene Dokumente, als ich mich schnaufend auf meinen Platz fallen lasse. Als ich mich setze, steht er auf, grinst mich über die Bildschirme hinweg an und sagt: „Guten Morgen Schönheit. Gestern war wirklich ziemlich lustig. Ich glaube ich bin immer noch betrunken." Ich lache und trinke einen Schluck von meinem Kaffee, den er mir auf den Platz gestellt hat. Ich hebe die Tasse und sage: „Danke für den Kaffee du Engel. Gestern war wirklich gut, aber einige Drinks zu viel. Bin komplett fertig heute." Er nickt, wirft mir einen Kuss zu und widmet sich seinen Aufgaben. Ich fange ebenfalls an Mails und mein Fach zu sortieren. Die Aufgaben scheinen kein Ende zu nehmen. Kurz vor acht mache ich mich schließlich auf den Weg zu Sophia ins Büro. Mir bleibt ja nichts anderes übrig. Langsam gehe ich zum Aufzug, um in den siebten Stock zu fahren.

Ihre Türe ist offen, sodass ich gleich eintrete. Sie nickt mir kurz zu und murmelt dann: „Guten Morgen Larissa. Langer Abend gestern, nicht wahr?" Ihre sonst so strahlenden Augen, sind heute von dunklen Augenringen geziert. Wenigstens ist sie genauso fertig, wie wir. Ich lächle vorsichtig und sage: „Ja, das stimmt. Hier sind die Bögen." Ich lege sie ihr auf den Tisch, sodass sie sich von ihren Bildschirmen abwendet und diese mustert. Dann nimmt sie sie, schaut sie genauer durch und sagt: „Perfekt, danke dir." Dann sortiert sie sie sorgfältig in einen Ordner. Unsere Auseinandersetzungen schweben immer noch im Hinterkopf, sodass ich eine unfreundliche Bemerkung erwartet hätte. Stattdessen ist sie heute super freundlich, was mich wirklich ein wenig überwältigt. Die Anspannung löst sich nicht sofort, aber die Last auf meinen Schultern wird um einiges leichter. Ihre Freundlichkeit macht mich tatsächlich sogar nervös. Ich nicke noch einmal und wende mich zum gehen ab, bevor sie mich nochmal aufhält. „Larissa? Bleibst du bitte noch kurz?", fragt sie vorsichtig. Bitte nicht. Ich setze mich nochmal auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch und erwarte die alt bekannte Standpauke, doch diese kommt nicht. Sie mustert mich und fragt dann: „Sind du und Sven irgendwie überfordert mit den Aufgaben, die ihr bekommt?" Verwirrt schaue ich ihr in die Augen und antworte dann: „Wie meinst du das genau? Ich meine, wir haben viel zutun, aber eigentlich finde ich, dass es geht." Sie nickt und meint nach kurzem Überlegen: „Ihr habt beide den ein oder anderen Termin bei mir verpasst oder seit zu spät gekommen. Deshalb dachte ich, ich frage mal. Eure Antwort auf das Zuspätkommen war immer, dass ihr die Zeit vergessen habt, wegen der Arbeit. Ich möchte, dass ihr jederzeit auf mich zukommt, wenn es zu viel wird."

Schnell bedanke ich mich bei ihr und verlasse schließlich das Büro. Im Aufzug atme ich endlich den gesammelten Stress aus. Ich kann nicht leugnen, dass es sich auch gut anfühlt, wenn man nicht ständig auf der Hut ist. Ihre Freundlichkeit macht mich wirklich nervös, aber irgendwo auch dankbar. Vielleicht war das der Anfang einer neuen Phase, in der wir uns nicht mehr als Feinde, sondern als Kollegen begegnen können. Bei Sven angekommen, erzähle ich ihm von unserem Gespräch, worauf er antwortet: „Ist doch süß von ihr, nicht wahr?" Dabei hebt er fragend die Augenbraue. Mit leichtem Sarkasmus antworte ich: „Ja war wirklich toll, mal nicht angemotzt zu werden." Dramatisch verdrehe ich die Augen. Sven lacht und murmelt: „Vielleicht fand sie dich gestern genauso heiß, wie du sie." Ich boxe ihm gegen den Arm und stöhne: „Gott Sven lass das. Ich fand sie nicht heiß."

SophiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt