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POV Larissa: 

Ich stehe vor der Tür zu meiner Wohnung und spüre, wie die Erschöpfung in meinen Knochen sitzt. Der Arbeitstag war lang und anstrengend, aber das ist nicht das was mich wirklich auslaugt. Es sind die Gedanken an Sophia, die mir den letzten Nerv rauben. Was ist mit ihr? Wie geht es ihr nach all dem? Ich schiebe die Tür auf und trete in den Flur. Die vertraute Umgebung empfängt mich, doch die Wände scheinen mir inzwischen fremd. Es fühlt sich an, als wäre ich in einem Raum voller Erinnerungen gefangen, die mir wehtun. Alles erinnert mich an die Momente, die ich mit Sophia hier geteilt habe. Die kleinen Dinge, die uns verbunden haben, die Gespräche, das Lachen, die Berührungen – all das fühlt sich jetzt wie ein Schatten an. Ich lege meine Tasche auf den Tisch und lasse mich auf die Couch fallen. Die Kissen sind weich und einladend, aber ich kann keinen Trost finden. Mein Kopf ist überladen mit Fragen und je mehr ich darüber nachdenke, desto schwerer wird das Gewicht in meiner Brust.

Wie geht es ihr wirklich? Hat sie sich seit dem Krankenhausaufenthalt erholt? Hat sie die Dinge in ihrer Wohnung aufgeräumt? Hätte ich vielleicht nochmal bei ihr aufräumen sollen? Hat sie gleich wieder zu den Drogen gegriffen? Das würde sie nicht tun, oder? Der Gedanke daran, dass sie alleine dort ist, macht mir Angst. Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich sie anrufen oder einfach warten soll. Ich bin nicht einmal sicher, ob ich ihre Stimme hören will. Was, wenn sie mich wieder abweist? Die Unsicherheit frisst an mir. Ich fühle mich so verloren. Es ist, als ob ich auf einer Klippe stehe, ohne zu wissen, ob ich springen oder zurückweichen soll. Ich habe das Gefühl, dass alles, was zwischen uns war an einem seidenen Faden hängt. Diese schreckliche Angst, dass wir nicht mehr zueinander finden könnten, wenn ich einen falschen Schritt mache, überwältigt mich. Ich versuche mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Vielleicht könnte ich etwas kochen oder mir einen Film ansehen, um die Gedanken zu vertreiben. Aber nichts scheint mich abzulenken. Der Kummer ist einfach zu stark und ich fühle mich in meiner eigenen Haut unwohl.

Ich stehe auf und gehe in die Küche. Die Routine könnte mich beruhigen, aber während ich im Kühlschrank nach etwas zu essen suche, wird mir klar, dass es mir nicht um das Essen geht. Es geht um Sophia. Wie so oft. Es geht immer um sie. Schon lange. Ich schließe die Augen und atme tief ein. Mein Herz schlägt schneller, während ich an die letzte Begegnung mit ihr denke. Ihre verletzlichen Worte hallen noch immer in meinem Kopf wider: „Ich hätte dich niemals so nah an mich ranlassen sollen." Diese Aussage schneidet tief und lässt mich an mir selbst zweifeln. War ich zu fordernd? Habe ich sie zu sehr in die Enge getrieben? Langsam lasse ich die Tür des Kühlschranks wieder ins Schloss fallen und lehne meine Stirn dagegen. Ich kann nicht mehr. Ich fühle mich wie ein Schatten meiner selbst, gefangen in einem Labyrinth aus Sorgen und Selbstzweifeln. Ich brauche Antworten, aber ich weiß nicht, wie ich sie bekommen soll. Ich setze mich an den Tisch und lasse meinen Kopf in meine Hände sinken. Die Stille der Wohnung ist erdrückend. Plötzlich fühlt es sich an, als könnte ich die Einsamkeit mit Händen greifen. Warum kann ich nicht einfach herausfinden, wie es uns beiden geht? Warum kann ich nicht einfach bei ihr sein und die Dinge klären?

Schließlich greife ich nach meinem Handy und öffne die Nachrichten. Es gibt nichts Neues von Sophia. Nichts, was mir Hoffnung geben könnte. Ich lasse das Handy wieder sinken und schließe die Augen. Vielleicht kann ich die Fragen und die Angst für einen Moment beiseite schieben. Aber tief in mir weiß ich, dass ich das nicht lange kann. Die Ungewissheit wird nicht verschwinden, solange ich nicht mit Sophia spreche. Wird sie überhaupt nochmal mit mir sprechen? War das dass bittere Ende von unserer "Beziehung"? Ich stehe auf und gehe zur Fensterbank. Draußen wird es dunkel und die Lichter der Stadt beginnen zu blitzen. In diesem Moment wünsche ich mir nur eines: dass ich wüsste, wo ich mit ihr stehe und dass wir die Chance haben, das was zwischen uns ist, wieder aufbauen zu können. Wenn das überhaupt noch möglich ist. Als das Handy plötzlich vibriert, reißt es mich aus meinen düsteren Gedanken. Ich schaue auf den Bildschirm und sehe Sophias Namen. Mein Herz springt vor Freude und gleichzeitig vor Angst. 

S: Kann ich bitte vorbeikommen? 

Die Worte scheinen in mir nachzuhallen. Ich bin sofort in Gedanken bei ihr – bei der zerbrechlichen, aber auch starken Sophia, die ich kenne. Die Vorstellung, dass sie hier bei mir sein will, bringt ein stürmisches Gefühl der Hoffnung und des Zweifels mit sich. Was will sie sagen? Wird sie mir erklären, was in den letzten Wochen passiert ist? Erklären, wie es mit uns weitergeht? Endlich mal aussprechen, was sie wirklich fühlt? Ein Teil von mir möchte sofort auf „Ja" tippen, sie in meine Arme schließen und all die Emotionen, die uns beide quälen, einfach wegdrücken. Aber ein anderer Teil hat Angst. Angst davor, dass ich nicht die richtigen Worte finden könnte, um das, was zwischen uns steht, zu klären. Ich stehe auf und gehe zur Fensterbank. Draußen ist es mittlerweile dunkel und die Lichter der Stadt beginnen zu blitzen. Es ist ein schöner Anblick, aber der Anblick kann meine innere Unruhe nicht beruhigen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich bereit bin für das, was Sophia zu sagen hat. Schließlich fasse ich mir ins Herz und verfasse ihr eine kurze Antwort.

L: Okay, komm vorbei.

Der Gedanke, dass sie gleich hier sein wird, löst ein Wirbelsturm an Emotionen in mir aus. Freude, Angst, Erleichterung und Unsicherheit – alles mischt sich in meinem Magen. Ich kann nicht stillstehen und fange an, auf und ab zu laufen. Ich überlege, wie ich mich verhalten soll, wenn sie ankommt. Soll ich sie einfach umarmen? Oder sollte ich versuchen, das Gespräch sachlich zu führen? Anschreien, weil sie so oft unfair zu mir war? Weil sie es nicht schafft mit mir zu kommunizieren? Ich will nicht, dass sie sich unter Druck gesetzt fühlt und ich will nicht, dass unsere Verbindung noch komplizierter wird. Die Minuten ziehen sich in die Länge, als ich versuche, meine Gedanken zu ordnen. Ich kann die Aufregung und das Adrenalin in meinem Körper spüren. Als ich nach einiger Zeit das Geräusch einer Tür höre, das auf dem Flur zu hören ist, bleibt mein Herz für einen Moment stehen. Das muss Sophia sein. Ich gehe zur Tür und öffne sie und der Anblick von Sophia lässt mich für einen Moment den Atem anhalten. Sie sieht zerbrechlich aus, aber es gibt auch einen Funken von Entschlossenheit in ihren Augen. Es tut mir leid zu sehen, wie sehr sie leidet. „Hey.", sage ich leise und das Wort klingt fast wie ein Gebet. Mit viel Unsicherheit in der Stimme murmelt sie: "Selber Hey." Ich lächle sie liebevoll an. Wir stehen uns gegenüber und ich merke, dass ich nervös bin. Das Gespräch, das ich mir gewünscht habe, steht uns jetzt unmittelbar bevor. „Kann ich reinkommen?", fragt sie und ich mache sofort Platz, damit sie eintreten kann. 

Ich schließe die Tür hinter ihr und fühle, wie die Luft zwischen uns schwer wird. Der Raum ist still und ich kann das Geräusch meiner eigenen Gedanken hören. Es gibt so viel, was ich ihr sagen möchte, aber ich kann nicht den richtigen Anfang finden. „Wie geht es dir?", frage ich schließlich und ich hoffe, dass diese einfache Frage der Anfang von etwas ist, das uns beiden helfen könnte. Sophia senkt den Blick und sieht auf den Boden: „Es war nicht einfach. Nach dem, was passiert ist. Mir geht es schon weit besser." „Ich mache mir wirklich Sorgen um dich.", sage ich und meine Stimme klingt sanfter, als ich erwartet hatte. Sie sieht mir in die Augen und ich erkenne den Kampf in ihrem Blick. Der Schmerz, die Unsicherheit – all das ist zwischen uns spürbar. Doch es gibt auch ein unbestimmtes Gefühl der Hoffnung. Vielleicht können wir das schaffen. Vielleicht können wir einen Weg finden, um an diesem Punkt, an dem wir jetzt stehen, weiterzumachen.

In diesem Moment fühle ich mich, als ob wir beide an einem Wendepunkt stehen. Die Möglichkeit uns zu verlieren, liegt in der Luft, aber auch die Chance einen Neuanfang zu wagen.

SophiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt